MB-Kritik

Norah 2023

Drama

Yaqoub Al Farhan
Maria Bahrawi
Abdullah Al-Sadhan
Aixa Kay
Saleemriaz

Inhalt

In einem entlegenen Dorf in Saudi Arabien Anfang der 90er, einer fundamentalistischen Ära, während der kreativer knbstlerishcer Ausdruck verboten war, wächst eine zaghafte Verbindung zwischen dem Grundschullehrer Nader und einer jungen Frau, die sich mit aus der Stadt geschmuggelten Magazinen in eine andere Welt träumt. Norah inspiriert Nader dazu, wieder zum Zeichenstift zu greifen, und seine Berichte von der Außenwelt wecken auch ihre künstlerischen Impulse.

Kritik

Das zentrale Motiv Tawfik Alzaidis rebellische Romanze scheint geradezu paradigmatisch für die erste saudi-arabische Produktion im offiziellen Programm der Filmfestspiele von Cannes, wo das Regiedebüt in der Sektion Un certain Regard Premiere feiert. Die in den fundamentalistischen 90ern, in denen bildnerische Kunst und deren Schöpfung verpönt waren, angelegte Geschichte dreht sich um Liebe. Aber nicht deren profane Projektion als amouröses Verhältnis, sondern eine absolute universelle Liebe zur Kunst, durch die sich die Hauptfiguren näher kommen. 

Nach einer durch die institutionalisierte Kunstfeindlichkeit abgeschnittene Laufbahn als Maler kommt Nader (Yaqoub Alfarhan) in den entlegenen Dorfschauplatz, um an der einzigen Schule Lesen und Schreiben zu unterrichten. Die Anwohnenden, denen jede Form von Bildung suspekt vorkommt, sind nicht gerade begeistert darüber und die ausschließlich männlichen Kinder in der Klasse haben kaum einen Begriff von den Möglichkeiten, die ihnen Schreibkenntnisse eröffnen. Inmitten dieses erstickenden anti-intellektuellen Klimas ist der einzige Lichtblick Naders Begegnung mit der jungen Titelheldin. 

Die von Maria Bahrawi mit stillem Schmerz verkörperte Waise erbittet in Porträt, wie er es im Unterricht von einem Schüler angefertigt hat. Der Auftrag, verkompliziert durch Norahs Verschleierung, markiert den Beginn einer intellektuellen Symbiose, die in beiden den Wunsch nach kreativem Ausdruck bestärkt. Das (Wieder)Erwachen unterdrückter Sehnsüchte, die in der mit subtiler Symbolik und melancholischer Musik untermalten Story einmal nicht sexuell sind, wird zum Momentum einer humanistischen Hommage an die seelische Notwendigkeit der Kunst.

Fazit

Die in Sandtöne und gleißendes Sonnenlicht getauchte Landschaft der imposanten AlUla-Region wird zum atmosphärischen Rahmen eines zwischen Außenseiter-Geschichte und Allegorie oszillierenden Spielfilmdebüts. Mit leisem Humor und einer zurückgenommenen Gesellschaftskritik, die angesichts der Attacken auf Kunstwerke in internationalen Museen von bedrückender Aktualität und Dringlichkeit ist, zeichnet Tawfik Alzaidi ein anrührendes Bild vom tiefen menschlichen Bedürfnis nach Kunst, deren Schöpfung und Genuss, in all ihren Formen. Nicht zuletzt der filmischen: “Anyone who likes drawing must like movies.”

Autor: Lida Bach
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