Inhalt
Als der visionäre Architekt László Toth und seine Frau Erzsébet 1947 aus dem Nachkriegseuropa flohen, um ihr Erbe wieder aufzubauen und die Geburt des modernen Amerikas mitzuerleben, wird ihr Leben durch einen mysteriösen und wohlhabenden Kunden für immer verändert.
Kritik
„It’s the most accurate representation of the film as a final product“, beurteilt Brady Corbet (Vox Lux) das filmische Format seines auf 70 mm gefilmten Monumentalwerks. Seine Antwort ähnelt auffällig der des progressiven Protagonisten auf die Frage nach der Wahl seines eigenen Mediums. Die Formgebung sei die absolute Verkörperung einer Sache und zugleich etwas, das tiefere Ideen vermittle und Zerstörung überdauere, erklärt der ungarische Architekt László Tóth (Adrien Brody, Poker Face) sein Schaffen und zugleich auch den inszenatorischen Ansatz.
Jener sieht die innere Kondition seines traumatisierten Titelcharakters abstrahiert in der äußeren Form. Diese ist sowohl die der Inszenierung als auch der Bauten, mit denen der in die USA emigrierte Holocaust-Überlebende zugleich Bewunderung und Zorn auf sich zieht. Seine radikal modernen Konstruktionen, die nach den Idealen des Bauhaus, das Designs, Fotografien und Toths Studienort inspirierte, Funktionalität und Formschönheit vereinen. Glatte Flächen, klare Linien, Naturfarben von Grau, Blau, Weiß und Schwarz, ausgeklügelte Effekte hinter schlichter Fassade.
Genauso verrät Toths gerade in seinen harten Anfangsjahren zwischen Baustellen-Jobs und Armenunterkünften oft heruntergekommene Erscheinung nichts von seinem Können. Das weckt dennoch die Aufmerksamkeit des schwerreichen Harrison Lee van Buren (Guy Pearce, The Convert), eines undurchsichtigen Unternehmers zwischen Jovialität und Jähzorn. Das herrische Ego des mephistophelischen Mäzen ist ein übermächtiger Gegner für das gebrochene Genie, verfolgt von einem Grauen, das weder Bilder, noch Worte beschreiben. Einzig die architektonischen Konstrukte sollen sprechen, als filmische Verlängerung Corbets visuellen Konstrukts.
Das findet dem mehrdeutigen Titel gerechte Bilder für den Schrecken und Schmerz, den selbst Heroin nur vorübergehend betäuben kann. Bereits die Ankunft des euphorischen Emigranten in New York wird als Wiedergeburt aus Metall und Stein visualisiert als der finstere Schiffbauch Toth und seinen Begleiter ausspuckt. Schwindelerregende Szenen rauben gezielt die Orientierung, extreme Nah- und Fernaufnahmen verwanden selbst einfach Grundrisse in ein Labyrinth, Wände und Interieur erwecken beklemmende Enge und über allem liegt eine zwielichtige Düsterkeit.
Diese wird nicht erhellt, sondern vertieft durch die vom durchlittenen Horror versehrte Liebe Laszlos zu seiner Frau Erzsébet (Felicity Jones, Dead Shot) und der verwaisten Nichte Szofia (Raffey Cassidy, Kensuke's Kingdom). Während der jungen Frau das Erlebte physisch die Sprache geraubt hat, fesselt eine Lähmung Erzsébet an den Rollstuhl und quält sie mit implizit psychosomatischen Schmerzen. Die Assoziation körperlicher Handicaps mit historischer Gewalt und pathologischen Geisteszuständen ist indes ebenso problematisch wie die von Queerness als Symptom einer perversen Psyche.
Fazit
Dass einige im Presse-Publikum den fiktiven Hauptcharakter Brady Corbets brachialen Biopics augenscheinlich für historisch halten, gibt einen Eindruck der organischen Authentizität des cineastischen Charakter-Konstrukts. Jenes ächzt unter Überlänge, staubt mit seinem Weiße-Männer-Maximalismus, schwankt zu unfreiwilliger Komik, aber besticht mit hypnotischen Aufnahmen, greifbar plastischen Kulissen, magnetischer Atmosphäre und symbolischen Farben, von warmer Opulenz bis zu gespenstischem Marmorweiß. Das reale Persönlichkeiten evozierende Ensemble überschatten trotz dessen ambitionierter Leistung die grandiosen Szenerien, die den menschlichen Mythos bewusst nie durchdringen.
Autor: Lida Bach