Im Halloween-Monat stehen natürlich die Top Ten im Zeichen gepflegten Grauens. Das erlebte dank einer neuen Generation innovativer Filmemacher*innen in der letzten Dekade auf der Leinwand eine bemerkenswerte Renaissance. Die brachte dem oft geschmähten Genre nicht nur gebührende künstlerische Anerkennung, sondern einen Kanon an zu Kultstatus prädestinierten Werken. Der system-, sozial- und politkritische Subtext kennzeichnet den New Horror, von dem ihr hier zehn Höhepunkte findet.
Heteronormativität ist der Horror. In Michelle Garza Cerveras feministischer Fabel manifestiert sich der assimilative Albtraum der schwangeren Hauptfigur als die titelgebende Mythenfigur. Deren gebrochene Gliedmaßen symbolisieren den sozialen Zwang zur Selbstverrenkung, deren Schmerz und Wut schließlich in monströser Form hervorbrechen.
Die einen greifen zur Axt, die anderen zur Schere. Der flimmernde Bildschirm des Röhrenfernsehers, der in Prano Bailey-Bonds Psycho-Horror die vermeintlich Anständigen von den angeblich Verdorbenen trennt, erweist sich in dem pointierten Mix aus Schocker und Satire als allzu durchlässige Grenze.
Sonne, Sommerrurlaub, Schweden ... Die idyllische Kulisse Ari Asters vielschichtigen Sekten-Horrors steht in diametralem Kontrast zum dunkel-depressiven Seelenzustand der jungen Protagonistin. Sie findet in der zurückgezogenen Gemeinde, die ihr Noch-Freund und seine Clique während der titelgebenden Feierlichkeiten besuchen, unverhofften emotionalen Rückhalt. Was sind dagegen schon ein paar Menschenopfer?
Trey Edward Shults atmosphärisch dichter Endzeitthriller wirkt in Retrospektive fast wie eine Vorahnung der Paranoia und skrupellosen Selbstschutz-Mentalität, die knapp zwei Jahre nach seiner beklemmenden Studie des schleichenden Todes von Mitmenschlichkeit und Gemeinschaft brutale Realität wurde.
Die sardonische Satire über Rassismus, Indoktrination und den spezifischen Schrecken eines weißen Vorstadtviertels katapultierte Jordan Peel in den Oscar-Olymp. Dass von vier Nominierungen nur eine ausgezeichnet wurde, hat wohl auch mit den eben jenen mal mehr, meist weniger verkappten Aggressionen zu tun, die Peeles doppebödiger Genre-Mix seziert.
Ausweglose Angst nährt wortwörtlich den subtilen Schauer Baba Anvaris minimalistischer Mischung aus Geistermärchen und Gesellschaftsdrama. Die äußere Bedrohung durch Krieg und das fundamentalistische Regime sickern durch die Wände des klaustrophobischen Wohnungsschauplatzes, wo sie in Form gespenstischer Gewänder nach der nächsten Generation greifen.
Fünf Jahre, bevor sie in Cannes für ihren zweiten Body-Horror Titane die Goldene Palme erhielt, gab Julia Ducournau mit ihrem radikalen Debüt eine Kostprobe ihres Könnens. Begierde manifestiert sich als buchstäbliche Fleischeslust, die bei der Protagonistin den animalischen Appetit ihrer Schwester weckt. Fatalerweise reicht der auserwählte sexy Snack nicht für beide.
"A New-England Folktale" über die satanischen Versuchungen (es reicht schon ein Butterbrot), die eine puritanische Familie in ihrer Hütte am Rande eines Grimm'schen Hexenwaldes zusetzen, etablierte Robert Eggers quasi über Nacht als einen Spezialisten seines Fachs. Sein religionskritischer Folk-Horror ist angesichts des wachsenden Erfolgs klerikal-konservativer Genre-Vertreter eine düstere Erinnerung daran, wohin die "Wege Gottes" führen.
Stressige kleine Kinder können echte Monster sein. Und der Boogeyman - oder Babadook wie Jennifer Kent den von Werner Krauses Caligari und Lon Chaney in London after Midnight inspirierten Unhold nennt - ist womöglich der beste Freund aller Mütter, die sich wie die überforderte Hauptfigur heimlich wünschen, dass das Monster unterm Bett ihren kleinen Quälgeist frisst.
Vampir-Western gab es schon, doch Ana Lily Amirpours blutsaugende Skaterin im Tschador kam im doppelten Sinne aus einer anderen Welt als die John Carpenters oder Kathryn Bigelows Vampire. In gespenstischen Schwarz-Weiß-Szenen entfaltet sich ein makaber-melancholisches Märchen über gesellschaftliche Monster: die, die als solche stigmatisiert werden, und die, die repressive Dogmen dazu macht.