Inhalt
Katsushika Hokusai ist einer der bedeutendsten Künstler Japans. Seine Holzschnitte sind in der ganzen Welt berühmt und beeinflussten europäische Meister wie van Gogh und Monet. Was jedoch kaum bekannt ist: Hokusai schuf seine Werke gemeinsam mit seiner Tochter... Edo im Jahre 1814: Lange bevor er unter seinem Pseudonym Hokusai in die Kunstgeschichte einging, lebt der etablierte Künstler Tetsuzo in dem Großstadtchaos des späteren Tokyos und empfängt Klienten aus dem ganzen Land. Mal pinselt er einen riesigen Dharma auf einen 180 Quadratmeter großen Papierbogen, mal zwei Spatzen auf ein winziges Reiskorn. Der launige Mittfünfziger ist allerdings eher für die Qualität seiner Werke als für die Höflichkeit gegenüber seinen Kunden bekannt. Tetsuzos dritte Tochter O-Ei steht ihrem Vater dabei weder an Temperament noch an Talent nach. Ihr ganzes Leben lang assistiert sie ihm in dessen Studio, und oft ist sie es, die die Bilder an seiner Stelle malt - ohne dabei jemals genannt zu werden.
Kritik
Für viele westliche Zuschauer war das Studio Ghibli der erste beziehungsweise einzige Kontakt zum Medium Anime. Dementsprechend groß ist für viele die Leere nach dem Ende des beliebten Animationsstudios, doch Anime ist und war schon immer mehr als nur Ghibli. Die in Japan längst zum Kulturgut avancierte Kunstform ist überaus vielfältig, bedient beinahe alle Genres und Altersgruppen und wird in ihrem Stellenwert oftmals unterschätzt. Gerade die Möglichkeiten, die ein gezeichnetes Medium im Vergleich zum Realfilm aufweist, werden in Animes oftmals besser ausgenutzt als in westlichen Animationsfilmen. Mit Miss Hokusai hat es ein Film auf den deutschen Markt geschafft, der die biografische Geschichte von O-Ei, einer Tochter des bekannten Malers Katsushika Hokusai erzählt. Sie ist nicht minder begabt wie ihr Vater, steht jedoch immer in dessen Schatten.
Vornehmlich erzählt Miss Hokusai Abschnitte aus dem Leben der jungen O-Ei. Besuche und Ausflüge mit ihrer blinden Schwester, ein Abendessen mit der Mutter, ein Feiergelage mit Kollegen oder der Besuch in einem Bordell. Dadurch zeichnet der Film im wahrsten Sinne des Wortes ein schönes Bild von Edo (heute Tokio) um das Jahr 1814. Es gilt kleine Stände, belebte Straßen und Brücken sowie manches Original zu entdecken. Im Umkehrschluss kommt leider die dramaturgische Ebene des Films zu kurz, einen Spannungsaufbau oder eine Charakterentwicklung scheint es nicht zu geben und so kann man sich zwar im atmosphärisch dichten Bild des historischen Japans verlieren, bekommt aber darüber hinaus wenig geboten.
Miss Hokusai ist in den seltenen Momenten am stärksten, wenn der Film selbstreflexiv mit seiner Beschaffenheit als gezeichnetes Medium spielt und so die Grenzen zwischen den Zeichnungen im Film und der filmischen Realität des Werkes aufhebt. Denn bei aller Authentizität und Realitätstreue darf auch ein Funken Mystik und Magie nicht fehlen. Japanische Legenden werden als fester Bestandteil in die Handlung verwebt und erzeugen einen angenehm neckischen Eindruck. Überhaupt scheint der Film mit O-Ei eine außergewöhnlich starke Frauenfigur zu haben, die im Kontext der damaligen Rolle der Frau überaus selbstbewusst und eigenständig auftritt. Ja, letztlich scheint der Film also doch eine Thematik gefunden zu haben.
Fazit
„Miss Hokusai“ ist ein elliptisch erzähltes Biopic und schon allein deshalb ein relativ untypischer Anime. Das neueste Werk von Keiichi Hara vereint einige kreative Ideen und visuelle Spielerein, die intelligent mit dem gezeichneten Medium spielen. Abgesehen davon kommt es jedoch gerade gegen Ende zu erzählerischen Schwächen, vornehmlich deswegen, weil zu viele Themen zu oberflächlich angeschnitten werden.
Autor: Dominic Hochholzer