Inhalt
Der alte Okina verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Bambus. Eines Tages findet er eine winzige Prinzessin, gerade mal so groß wie ein Finger. Sie hört auf den Namen Kaguya, und Okina nimmt sie mit zu sich nach Hause, wo er sie mit seiner Frau großzieht. Als sie erwachsen geworden ist, werben fünf Männer aus wohlhabenden Familien um sie.
Kritik
In Japan kennt jedes Kind „Die Geschichte vom Bambussammler“ (jap. „Taketori Monogatari“), welche als ältestes Märchen Japans gilt und etwa um 900 niedergeschrieben worden sein soll. Außerhalb des Landes der aufgehenden Sonne ist die Geschichte wohl nicht vielen bekannt. Höchste Zeit, dass sich das Märchenstudio Ghibli dieser Erzählung annimmt und so auch im Ausland verbreitet. Denn es ist ein wunderschönes Märchen, das keinen Vergleich zu den Geschichten der Gebrüder Grimm, Hans-Christian Andersens oder aus 1001 Nacht zu scheuen braucht.
Ein alter Mann lebt mit seiner Frau an und von einem Bambushain. Dort fällt er die Bambusse, verarbeitet sie weiter und kümmert sich um die neuen Bambussprossen. Sie führen das einfache, aber harte Leben der japanischen ländlichen Bevölkerung. Eines Tages sieht er im Wald einen leuchtenden Bambus und nähert sich diesem voller Vorsicht. Eine Blüte sprießt aus dem Boden und offenbart einen kleinen Menschen, fast wie eine Puppe. In seinen Händen trägt er das winzige Geschöpf mit nach Hause und beschließt zusammen mit seiner Frau, das kleine Mädchen aufzuziehen.
Eine so alte Erzählung von einer derart hohen Reputation wie es „Die Geschichte vom Bambussammler“ ist bedarf einer ganz besonderen und einzigartigen Herangehensweise. Isao Takahata („Die letzten Glühwürmchen“) ist das Urgestein des Studio Ghibli neben Hayao Miyazaki. Der Regisseur wird in diesem Jahr bereits 80, hat aber noch keinen Funken seiner Kreativität verloren. So wurde „Die Legende der Prinzessin Kaguya“ in einer einzigartigen und auch für das Studio Ghibli neuartigen Animationstechnik hergestellt. In visueller Anlehnung an die klassische japanische Malerei hat man unter der Prämisse des Minimalismus nie dagewesene Bilder erschaffen, die einen Zauber entfalten, dem man sich als Zuschauer nur zu gerne hingibt. Es wird auf Ghiblis unverwechselbaren Look verzichtet, ein gewagtes, aber lohnendes Unterfangen.
Obwohl der Film sehr nahe an der ursprünglichen Erzählung gehalten ist, entfalten sich einige liebevolle Details. Die Prinzessin Kaguya mutet oftmals als unantastbare Lichtfigur an, aber hier bewegt sich die Interpretation in weitaus menschlicheren Bahnen. Kaguya ist ein aufgewecktes, verspieltes, junges Mädchen, die viel zu gut für diese Welt scheint. Zwar sind keine tatsächlichen Längen in der Erzählung zu spüren, aber ein paar Minuten weniger hätten es auch getan, denn mit 137 Minuten ist er deutlich länger als die meisten anderen Ghibli-Filme und das macht sich gegen Ende leider bemerkbar.
Ganz besonders muss man die Synchronisation aber hervorheben. Durchweg wird hier eine großartige Leistung abgeliefert. Erst die als Seiyuu vollkommen unerfahrene Aki Asakura verleiht Kaguya solch eine Lebensfreude und Unbeschwertheit. Takeo Chii muss ebenfalls noch erwähnt werden, denn er war in seiner Rolle als Okina, der Bambussammler, unvergesslich. In den Genuss dieser Leistung sind wir nur gekommen, weil der Film bereits synchronisiert wurde, bevor die Bilder fertig gestellt waren. Denn der Schauspieler Takeo Chii, der in diesem Film ebenfalls zum ersten Mal als Seiyuu tätig war, ist im Juni 2012 im Alter von 70 Jahren gestorben.
Fazit
„Die Legende der Prinzessin Kaguya“ ist ein wunderschönes Märchen, das von Isao Takahata in traumhafter Optik aufgelegt wurde und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird. Wer den üblichen Ghibli-Stil nicht mögen sollte (warum auch immer), könnte hier noch einmal einen Versuch wagen, mit Japans Märchenfabrik warm zu werden.
Autor: Tobias Kiwitt