8.5

MB-Kritik

Die leisen und die großen Töne 2024

Comedy

8.5

Benjamin Lavernhe
Pierre Lottin
Sarah Suco
Jacques Bonnaffé
Clémence Massart-Weit
Anne Loiret
Mathilde Courcol-Rozès
Yvon Martin
Isabelle Zanotti
Nicolas Ducron
Charlie Nelson
Marie-José Billet
Antonin Lartaud
Rémi Fransot
Johnny Montreuil
Johnny Rasse

Inhalt

Thibaut ist ein berühmter Dirigent, der die Konzertsäle der ganzen Welt bereist. In der Mitte seines Lebens erfährt er, dass er adoptiert wurde und dass er auch einen jüngeren Bruder hat, Jimmy, der in einer Schulküche arbeitet und Posaune in der Blaskapelle einer Arbeiterstadt spielt. Die beiden Brüder könnten unterschiedlicher nicht sein. Nur in einer Sache sind sie sich einig: ihrer Liebe zur Musik.

Kritik

Auf den ersten Blick scheint Emmanuel Courcols (Ein Triumph) konforme Komposition aus Sozialstudie, Familiendrama und Band-Komödie in erster Linie eine gefällige Variation der Kernmotive seines vorherigen Films. Darin begleitet der Regisseur einen Schauspieler in der Krise bei einem Sozialprojekt hinter Gittern, wo er mit den Insassen eine Theateraufführung einstudiert. Auch deren Plot inszenierte die klassische Kunst als Mittel, soziale Grenzen zu überwinden, und einen privilegierten Protagonisten, der durch den Kontakt mit unteren Gesellschaftsschichten neue Hoffnung findet.

Eine noch auffälligere Parallele ist neben der dramaturgischen Devise, Sentiment und seichte Scherze zu verbinden, die heuchlerische Idealismus und scheinliberale Subtext. Dessen elitäre Essenz impliziert der deutsche Verleih-Titel, der mittels musikalischer Metaphorik den sozialstrukturellen Unterschied zwischen den ungleichen Hauptfiguren umreißt. Der in gutbürgerlichem Komfort aufgewachsene Thibaut (Benjamin Lavernhe, Modi) ist ein weltweit erfolgreicher Dirigent, dem der Bedarf einer lebensrettenden Knochenmark-Spende enthüllt, dass er adoptiert ist. Zu seiner Rettung findet er seinen jüngeren Bruder Jimmy (Pierre Lottin, Vivants).

Der in einer Arbeiterfamilie großgezogene Trompeter teilt Thibauts musikalisches Talent, das jedoch nie vergleichbar gefördert wurde. Was nach einer idealen dramatischen Konstruktion aussieht, um meritokratische Narrative zu widerlegen, dient dem genauen Gegenteil. Damit nicht genug, der Regisseur und sein Drehbuchautoren-Quartett suggerieren, Sonderförderung würde Angehörige der unteren Gesellschaftsschichten nur anmaßend machen letztlich frustrieren, da sie einem - vermeintlich fairen - Wettbewerb nicht gewachsen seien. Hierarchische Harmonie gibt es auf der Leinwand nur, wenn alle an ihrem Platz bleiben. 

Fazit

Das überzeugende Schauspiel der beiden Hauptdarsteller stellt Emmanuel Courcol in den Dienst einer fragwürdigen Botschaft gesellschaftlicher Frühprägung. Demnach ist die soziale Herkunft entscheidend für kreativen Erfolg, nicht aufgrund von Chancenungleichheit, sondern weil Begabung nur auf dem fruchtbaren Boden der oberen Schichten gedeiht. Ambition Ärmerer interpretiert die musikalische Milieuschau als Arroganz, ermutigt durch fehlgeleitete Förderung. Instrumentale Symbolik legitimiert strukturelle Diskriminierung als sorgsam orchestrierte Ordnung zum Wohle aller. Diese dramaturgische Dissonanz kann die passable Inszenierung nicht ausgleichen.

Autor: Lida Bach
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