Inhalt
Die 22jährige Tish (KiKi Layne) und der Bildhauer Fonny (Stephan James) sind ein junges Paar im ärmlichen Viertel Harlem. Fonny wird fälschlicherweise der Vergewaltigung an einer Puerto-Ricanerin beschuldigt und kommt ohne Prozess unschuldig ins Gefängnis. Kurze Zeit später erfährt Tish, dass sie von Fonny ein Kind erwartet. Mit Zuversicht versichert sie ihm, ihn noch vor der Geburt aus dem Gefängnis zu holen. Mit Hilfe der Familie versucht sie mit allen Mitteln seine Unschuld zu beweisen....
Kritik
Mit seinem oscarprämierten Drama Moonlight, in welchem ein Farbiger von seiner Kindheit bis ins Erwachsenenalter für einen Platz in der Welt kämpft, wusste Regisseur Barry Jenkis bereits, mit den Emotionen der Zuschauer zu spielen und gleichzeitig auf wichtige Themenkomplexe hinzuweisen. Für sein Nachfolgewerk wählte er mit der Adaption des Romans If Beale Street Could Talk (bei uns erschienen unter dem Titel: Beale Street Blues) von James Baldwin aus dem Jahr 1974 nicht minder interessanten Stoff aus, der sich ebenfalls bestens dafür eignet, Gesellschaftskritik smart in seine Erzählung mit einfließen zu lassen.
Das geschieht in Beale Street, so der deutsche Filmtitel, aber nie auf aufdringliche Weise, sondern durchdacht und eng umwoben mit der im Fokus stehenden Liebesgeschichte, die auf zwei Zeitebenen erzählt wird, sowohl vor, als auch nach der Inhaftierung des Protagonisten. Zwei junge Menschen, die schon als Kleinkinder beste Freunde waren, finden nun die Liebe zueinander, was in Beale Street auf intime, wunderbar zärtliche Weise dargestellt wird. Es bedarf gar nicht vieler Worte, die kraftvollen Blicke des verliebtes Paares sprechen Bände und zerreißen auch das Herz des Zuschauers, wenn ihnen inmitten all dieser Schönheit lauter Ungerechtigkeiten, primär durch ihre Hautfarbe, widerfahren.
Dennoch behält sich der Film stets seinen Optimismus bei und zelebriert die Kraft der Liebe und des Zusammenhalts, unter Partnern, Freunden und auch innerhalb der Familie, womit all die Übel dieser Welt zwar nicht beseitigt werden, womit sie sich aber besser überstehen lassen. Fonny landet unschuldig im Gefängnis, doch die Kraft der Liebe zu seiner Freundin Tish (und seinem zukünftigen Sohn) helfen ihm nicht daran zu zerbrechen. "Trust Love All the Way", so die Tagline des Films, die die zentrale Message des Films bereits auf den Punkt trifft.
Dass die Afroamerikaner des Films überall in der Gesellschaft auf Widerstände und Diskriminierung treffen, stößt inmitten dieser herzerwärmenden Geschichte natürlich böse auf und ist, wenn auch in den 70er Jahren angesiedelt, auch heute noch in der ein oder anderen Form aktuell. In Beale Street ist es dem jungen Paar beispielsweise nicht möglich, eine Wohnung zu finden, niemand möchte an Farbige vermieten. Zudem kommt es zu einer Welle an Inhaftierungen Unschuldiger, hier ließ sich Baldwin beim Schreiben seines Werks durch seinen Freund inspirieren, der für einen Mord angeklagt wurde, den er nicht begangen hat. Baldwin sah im US-Gefängnissystem sogar eine Fortsetzung der Sklaverei, nur eben mit anderen Mitteln.
All das wiegt schwer, gewinnt über die transportierte Schönheit aber nie die Oberhand. Dazu bedient sich Jenkins erneut einer herausragenden Bildsprache, die von der Kamera von James Laxton (oscarnominiert für Moonlight) eindrucksvoll eingefangen wird. Im Zusammenspiel mit den gefühlvollen Klängen von Nicholas Britell (ebenfalls oscarnominiert für Moonlight) und dem fantastischen Schauspiel aller Beteiligten entsteht so ein audio-visuelles Kunstwerk, das zwar etwas zurückhaltender inszeniert ist als Moonlight, aber nicht minder ansprechend.
KiKi Layne (Captive State) und Stephan James (Homecoming) füllen ihre Rollen mit unglaublich viel Leben und Gefühl, die Zärtlichkeit, die sie sich gegenseitig auf der Leinwand schenken, ist jederzeit greifbar und nachvollziehbar. Von beiden wird man sicherlich in Zukunft noch sehr viel mehr hören. Unterstützt werden sie von einem großartigen Nebencast, worin besonders Regina King (Seven Seconds) positiv aufzufallen weiß. Eine Golden Globe Nominierung hat sie sich damit bereits erspielt, es wird sicherlich noch weitere Würdigung geben.
Fazit
Barry Jenkins' Hommage an die Liebe ist äußerst bewegend und trotz all der aufkeimenden Hässlichkeiten stets wunderschön. "Beale Street" ist in vielerlei Hinsicht zurückhaltender inszeniert als "Moonlight", an Kraft büßt der Film dadurch aber zu keiner Zeit ein und markiert so das nächste Glanzstück des Regisseurs.
Autor: Sebastian Stumbek