Inhalt
Am Silvestermorgen 2008 entscheidet der ehemalige Sträfling Oscar Grant (Michael B. Jordan), sein Leben nun zum Positiven zu ändern. Vom Drogenhandel will er sich distanzieren und mit einem richtigen Job wieder ein vollwertiger Teil der Gesellschaft werden. Auch widmet er seiner Familie nun wesentlich mehr Aufmerksamkeit, so dass er seiner Freundin Sophia (Melanie Diaz), zu der er nicht immer ehrlich war, ein besserer Partner und seiner 4-jährigen Tochter (Ariana Neal) ein besserer Vater sein will. Doch wie es das Schicksal so will, steuern Oscar und seine Partnerin zusammen mit ihren gemeinsamen Freunden in der Silvesternacht 2009 geradewegs auf eine Tragödie zu...
Kritik
"Fruitvale Station" wurde während seiner Erstaufführung 2013 auf dem Sundance Filmfestival ganz besonders gefeiert und konnte den großen Preis der Jury als auch den Zuschauerpreis für sich gewinnen. Bereits zwei Tage nach seiner Premiere wurde das Independent-Drama von der Weinstein Company für 2,5 Millionen Dollar aufgekauft und erhielt so den nötigen Rückenwind, um es in die Kinos zu schaffen. Ein glanzvoller Karrierestart für den Newcomer Ryan Coogler, der das Projekt als damaliger Filmstudent anging und sich einer wahren Geschichte widmete, die ihn und viele Amerikaner vor wenigen Jahren bewegt und schockiert hat.
Der Film macht auch gar nicht erst ein großes Geheimnis über seinen Ausgang und zeigt bereits zu Beginn reale Videoaufnahmen vom Geschehen an der Fruitvale Station. Danach wird der Zuschauer zeitlich ein Jahr zurück versetzt und folgt nun Hauptcharakter Oscar Grant (Michael B. Jordan) bis zu eben jenem schicksalhaften Tag. Kann ein Drama denn überhaupt noch packen und den Zuschauer interessiert festnageln, wenn der Ausgang bereits bekannt ist? "Fruitvale Station" kann, und nicht nur das, der Film wühlt emotional enorm auf. Verantwortlich dafür sind die Charaktere, allen voran Oscar Grant selbst, zu denen man eine ungeheure starke Bindung aufbaut. Grant hat alles andere als eine reine Weste, wir lernen ihn als gescheiterten Menschen kennen, der auf die schiefe Bahn geraten ist und Dinge getan hat, auf die man nicht stolz sein kann. Doch will er mit diesem Kapitel abschließen und ein besserer Mensch werden: Ein besserer Partner für seine betrogene Freundin Sophia (toll gespielt von Melonie Diaz), ein besserer Vater für seine vernachlässigte junge Tochter Tatiana, ein besserer Sohn für seine enttäuschte Mutter Wanda (ganz stark: Octavia Spencer, bekannt für ihre oscarprämierte Rolle in "The Help") und endlich ein wertvoller Teil der Gesellschaft werden. Der Weg ist nicht leicht, doch der Wille ist da. Und auch das Herz sitzt am rechten Fleck. Coogler widmet seinen Figuren viel Zeit und porträtiert sie sehr intim, so dass jeder Erfolg mitgefeiert und jeder Misserfolg bemitleidet wird. Nun mag manch einer kritisch anmerken, dass der Film bewusst darauf abzielt, Emotionen zu erzeugen, indem die Geschichte einseitig erzählt wird. Tatsächlich lässt sich schwer nachvollziehen, wie viel aus dem Film der Realität entspricht und ob die Charaktere mitsamt ihren Zügen auch wirklich, so wie dargestellt, existierten. Doch darf man nicht vergessen, dass es sich um einen Spielfilm handelt, nicht um eine Dokumentation, und dass die Message, die übermittelt werden soll, weiterhin erhalten bleibt und wirkungsvoll ankommt.
Dass "Fruitvale Station" so gut funktioniert ist unter anderem seinem großartigen Hauptdarsteller Michael B. Jordan ("Chronicle") zu verdanken, der hier eine oscarreife Performance abliefert und dafür sorgt, dass die angestrebte emotionale Verbindung überhaupt erst zustande kommt.
In seiner letzten halben Stunde wird aus dem feinfühligen Drama übrigens eine sehr intensive Tragödie. Die Ereignisse überschlagen sich, als Zuschauer verfolgt man angespannt und entsetzt den angekündigten Ausgang. Hut ab vor Ryan Coogler, der den Vorgang derart packend in Szene gesetzt hat.
Fazit
Fruitvale Station ist intensives, aufwühlendes und wuterzeugendes Independent-Kino, das den Zuschauer durch seine Ereignisse fassungslos zurücklässt. Wunderschön in seinen Momenten, in denen das Leben zelebriert wird, bedrückend und unfair, wenn das Schicksal ein Schnippchen schlägt.
Autor: Sebastian Stumbek