Inhalt
Agnès Varda gibt Einblicke in ihr Schaffen und illustriert, eher assoziativ als chronologisch, künstlerische Visionen und Ideen mit Ausschnitten aus ihrem Werk. Es entsteht ein lebendiges und anekdotenreiches Selbstporträt der Regisseurin, die auch im Fiktionalen immer offen für den Zufall und dokumentarische Momente ist.
Kritik
Film ist ihr Zuhause, das allen anderen offen steht. Ein Konstrukt aus Aufnahme, zugleich fest und transparent, bewegt und starr, naturalistischen und abstrakt. Das Bild ist kein rein gedankliches, sondern greif- und begehbar, eine der brillanten Installationen der Künstlerin, für die der Begriff Filmemacherin nicht weit genug greift. Agnès Vardas Schaffen begann mit der Fotografie und erstreckte sich bald über Film auf digitale Kunst und Installationen. Wie ihre Patatutopia, eine lange vor dem Bio-Trend zur Verwertung "hässlichen" Gemüses entwickelte Öko-Vision, aus auf- und angesammelten herzigen Kartoffeln, die auf den Feldern ausgelesen wurden.
Die Kartoffeln passten nicht in die rigiden Verkaufsvorgaben, doch gerade in ihren eigenwilligen Auswüchsen liegt ihre Besonderheit und Schönheit. So stapeln sich in dieser 2003 auf der Viennale vorgestellten Installation die Allegorien zu einem Berg, in den sich die Schöpferin selbst für ein Foto einschaufelt, und somit eine weitere Metapher schafft. Varda steht nicht über ihren Werken oder den Menschen und Objekten, die diese ausmachen, sondern sitzt mittendrin, ist integraler Teil davon. Nicht zuletzt deshalb liegt nie etwas Einschüchterndes in ihrer Präsenz, sei es auf der Leinwand oder im Anschluss auf der Pressekonferenz der Berlinale.
Hier läuft ihr hinreißendes Alterswerk außer Konkurrenz, obwohl doch kein Beitrag den Bären mehr verdient als die farben- und lebensfrohe Chronik. Deren Regisseurin kümmern mehr die Mitwirkenden ihres Lebens und Wirkens. Wenn ihr jüngster Film eine Hommage ist, dann keineswegs an seine Autorin, sondern Wegbegleiter_innen. Außenseiter wie Die Sammler, Aussteiger wie die 17-jährige Sandrine Bonnaire in Vogelfrei, Außenstehende, die sie in Visages Villages überlebensgroß auf Bauten plakatierte, wecken besonders ihre Neugier, die mit 93 Jahren ungebändigt ist. Famoses Zeugnis davon legt die gleichermaßen warmherzige, feinsinnige und anregende Dokumentation „Inspiration, Kreation, Teilen“.
Fazit
Mit der ihr eigenen spielerischen Leichtigkeit fügt die Mutter der Nouvelle Vague aus dem überreichen Fundus ihrer über 60-jährigen (Lebens)Laufbahn ein schillerndes Mosaik aus Lebenschronik, Werkschau und Arbeitsanalyse zusammen. Immer wieder tritt sie dabei in Dialog mit dem Publikum im (Kino)Saal, teil Kunst- und Lebensphilosophie, Werte und Einsichten. Die bewegende Reise zu wichtigen Stationen ihres Weges ist eine passgenaue Ergänzung zu "Die Strände von Agnès", funktioniert jedoch zugleich als eigenständiges Projekt. Voll zärtlichen Humors, scharfsichtiger Beobachtungen und spannender Konzepte, vereint die Doku vertraute mit unbekannte Facetten zu einem organischen Selbstportrait.
Autor: Lida Bach