Inhalt
In diesem computer-animierten Ableger des Spider-Man-Universums wird Miles Morales alias Spider-Man in heftige Schwierigkeiten verwickelt, als es versucht, sein Schulleben und seine Aktivitäten als Superheld unter einen Hut zu bringen.
Kritik
Seit 2002 durften wir Spider-Man sechs Mal in unterschiedlichster Qualität auf der Leinwand sehen. Während die Trilogie von Sam Raimi (Die fantastische Welt von Oz) noch größtenteils sehenswert war, sind die beiden Teile der frühzeitig unterbrochenen The Amazing Spider-Man - Reihe eine öde Rekapitulation des Altbekannten. In Spider-Man: Homecoming hat es dann nur noch für einen mit grauenhaftem MCU-Humor durchzogenen und gänzlich uninteressanten Film gereicht, der jedoch zugegebenermaßen recht sympathisch daherkam. Generell ist die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ein Held, mit dem man sympathisieren möchte, was daran liegt, dass Peter Parker einen typischen Underdog-Charakter darstellt und seine Heldentaten von kleineren Dimensionen sind. Ihm geht es noch um die einfachen Menschen auf den Straßen und nicht um irgendwelche Welten oder Universen. Darum ist Spider-Man einer der wenigen Helden, bei denen es sich noch lohnt, einen Film über sie zu drehen. Schließlich brauchen wir mehr solcher Alltagshelden.
Sony bringt nun mit Spider-Man: A New Universe den siebten Film über Spider-Man heraus, der tatsächlich sehr interessant geraten ist. Schon im Trailer konnte man den besonderen Stil des Filmes bewundern, der eine klare und überlegte Intention verfolgt. Das Comichafte an den Comic-Verfilmungen ist in den letzten Jahren in den Hintergrund geraten. Die Filme beschäftigen sich nicht damit, was das Medium Comic leisten kann, sondern lediglich mit der Ausarbeitung der Geschichten und Referenzen. Das Team rundum den dreiköpfigen Regie-Stab hat einen Cel-Shading-Stil erarbeitet, bei dem zwar moderne Animationen angewendet werden, diese jedoch aussehen, als wären sie per Hand erstellt worden. Die Konturen der Figuren wirken wie gezeichnet, Striche symbolisieren Bewegungen und Comic-Texte werden mit eingebunden. Auch werden Ebenen im Hintergrund unscharf gehalten, so dass sie etwas Skizzenartiges an sich haben, und Objekte haben eine sichtbare Struktur in sich, die den Eindruck erweckt, dass mehrere Bilder übereinander gelegt werden.
Auch die Inszenierung ist nah an dem Comic-Stil orientiert. Bilder werden nebeneinander gezeigt, Bildwechsel wirken rasch und abgehackt, so dass man regelrecht spüren kann, wie man von Kästchen zu Kästchen springt. Es werden Nahaufnahmen und Bewegungsabläufe gewählt, die wunderbar in die Ästhetik passen. Spider-Man: A New Universe hat sich viel damit beschäftigt, wie man einen Comic visualisieren kann, und hat dafür einen unheimlich kreativen, riskanten und dennoch funktionierenden Weg gefunden. Es ergibt sich eine Konsequenz, die dem Medium Comic inne wohnt: Plötzlich scheint alles möglich und die Farbwechsel und Kontraste, die sich ergeben, wirken ebenso wie die ineinander überfließenden Bewegungen, sehr organisch.
Der Film ist sich dabei stets seines Stils und seiner Rolle bewusst und geht ähnlich wie Spider-Man: Homecoming und Deadpool einen selbstironischen Humor, der auch auf Metaebenen funktioniert. Das artet glücklicherweise nicht derartig aus wie bei den genannten Negativbeispielen, sondern hält sich in einem angenehmen Rahmen, der auch weniger willkürlich erscheint. So ist eine wiederkehrende Pointe, dass keiner der Spider-Mans den Satz "Aus großer Macht folgt große Verantwortung" mehr hören kann und möchte. Gerade dieser Satz spielt aber innerhalb des Filmes insofern eine große Rolle, als dass ihm eine etwas andere Bedeutung verliehen wird als in den vorigen Filmen. Es geht nicht mehr darum, dass Peter Parker sich seiner Talente bewusst werden soll und eine Eigenverantwortung daraus ziehen soll, viel mehr geht es darum, dass der in den letzten Minuten sogar direkt angesprochenen Zuschauer sich seiner Macht bewusst werden und Verantwortung übernehmen soll.
In einer Zeit, in der Superhelden auf der Leinwand von nahezu göttlicher Autorität sind, ist es sehr erfrischend, eben dieses elitäre Heldenbild aufzulösen. Spider-Man: A New Universe versucht dies durch seine Prämisse, dass es in verschiedenen Dimensionen unterschiedliche Spider-Mans gibt, die ähnliche Lebenswege zu bestreiten haben. Der Film zeigt damit deutlich, dass jeder ein Held sein kann und jeder auch einen ähnlichen Weg zu bestreiten hat. Er nimmt dem Heldentum das Elitäre und stellt es verstärkt als eine eigene Entscheidung dar. So wird Miles (Shameik Moore, Dope) Ausbildung zum Helden mit der Pubertät gleichgestellt, also mit einem Zeitraum des gestaltenden Werdens. Dabei lässt er sich jedoch nicht dazu hinreißen, die Existenz von Talenten zu verneinen. Schließlich wurde noch immer jeder Spider-Man von einer radioaktiven Spinnen gebissen, die ihm seine Fähigkeiten verlieh. Diese Talente ähneln sich zwar im Ansatz, haben jedoch verschiedenen Ausprägungen. So ergänzen sich die Spider-Mans und die Mission wäre nicht im Alleingang zu bewältigen.
Auch führt der Film am Rande einige nette Helden ein, die eben nicht von einer solchen Spinne gebissen werden. Der Onkel von Miles begeht im Laufe des Filmes zum Beispiel eine recht prägnante Heldentat und der Vater ist als Polizist stets auf der Suche nach Gerechtigkeit. Auch kritisiert er Spider-Man für seine Selbstjustiz, was leider zum Ende hin ein wenig relativiert wird. Dennoch bleibt auch hier die klare Haltung, dass er nichts von seinen Methoden hält, sie jedoch irgendwie mit einander arrangieren müssen. Schade ist, dass hier nicht der Gedanke explizit gemacht wird, Superkräfte an ein rechtsstaatliches oder demokratisches Prinzip zu binden und als besonderen Bestandteil der Exekutive zu begreifen.
Generell fehlt es dem auf eine kindliche Zielgruppe zugeschnittenen Film an Gegenpolen. Zwar arbeitet er die für Spider-Man typischen Ambivalenzen (Privatleben und Heldenidentität, Familie und Pubertät, etc.) recht gut heraus, räumt jedoch nicht genügend Zeit für möglichen Tiefgang oder Melancholie ein. Viel zu sehr ist er darauf bedacht, hell und spaßig zu sein. Eine ausgeweitete Lauflänge - und das ist heutzutage selten zu fordern - wäre hier förderlich gewesen. In dem Fall hätte er seine düsteren Momente besser ausarbeiten können und einige Spider-Mans nicht so plakativ und uninteressant gestalten müssen. So wirkt die Visualität zwar berauschend, inhaltlich bleibt der Film jedoch hinter seinem Potential zurück. Zwar hat er eine genaue Vorstellung davon, was er aussagen möchte und kommuniziert das im Grundriss auch differenziert, räumt jedoch nicht genug Zeit und Konsequenz ein, mehr daraus zu ziehen. Dennoch bleibt der Appell: Mobilisiert euch und tut etwas für die Werte, für die ihr steht.
Fazit
"Spider-Man: A New Universe" ist alleine für seine großartige und innovative Visualität zu loben. Auch inhaltlich hat man sich für ein cleveres Konzept entschieden, das mit einem wertvollem Appell aufwartet, jedoch nicht zu Genüge ausgearbeitet wird. Dennoch bleibt ein sehenswerter und seit langem endlich wieder guter Superhelden-Film.
Autor: Maximilian Knade