Inhalt
Bart ist ein hochintelligenter junger Mann mit autistischen Zügen. Er arbeitet als Nachtportier in einem Hotel, wo er die Gäste heimlich über Kameras beobachtet, um ihr Verhalten zu studieren. Während seiner Nachtschicht wird eine Frau ermordet und Bart gerät unter dringenden Mordverdacht. Doch dessen ganze Aufmerksamkeit ist bereits bei einem neuen Hotelgast, der schönen und einfühlsamen Andrea, zu der er eine persönliche Bindung aufbaut. Eine Nähe, mit der er nicht umzugehen weiß ...
Kritik
Man kann sie natürlich nicht vergleichen, allerdings bietet es sich dennoch an, The Fanatic und The Night Clerk – Ich kann Dichsehen einer kleinen Gegenüberstellung zu unterziehen, obgleich die Gemeinsamkeiten (auf den ersten Blick) eher überschaubar ausfallen. Neben dem Umstand, dass beide Filme hierzulande ihre Auswertung nur im Heimkino erhalten haben, bildet jeweils ein autistischer Protagonist den Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. War der von John Travolta (Pulp Fiction) verkörperte eine zutiefst tragische Persönlichkeit, die immer weiter fiel, je näher sie ihrem Traum gekommen ist, erweist sich Bart (Tye Sheridan, X-Men: Apocalypse) als jemand, der nicht bemitleidenswert, sondern vor allem einen Ausdruck von unbeholfener Wehmut mit sich bringt. Die Tonalität von The Night Clerk – Ich kann Dichsehen unterscheidet sich damit natürlich grundlegend.
Überraschend an The Night Clerk – Ich kann Dich sehen ist vor allem, dass Original Sin-Regisseur Michael Cristofer kaum Interesse an der Kriminalhandlung aufbringt, die er recht zügig etabliert. Stattdessen geht es dem Film vielmehr darum, sich seit mit seinem am Asperger-Syndrom leidenden Hauptakteurs zu nehmen und dem Zuschauer dadurch einen Einblick in die Lebensrealität des jungen Nachtportiers zu geben. Tye Sheridan, ein ohnehin hochinteressanter, immer wieder übergangener Schauspieler, der längst schon mit Mud seine wahnsinnige darstellerische Qualität unter Beweis gestellt hat, schafft es in diesem Fall sogar recht gut, seine Figur vor dem wilden Chargieren zu bewahren. Gerade durch das Zusammenspiel zwischen ihm und Ana de Armas (Knock Knock) gewinnt der Film eine angenehm zutrauliche Sanftmütigkeit, die die Zeit ein wenig still stehen lässt.
Fraglos aber bleibt The Night Clerk – Ich kann Dich sehen nehmen dem ausgiebigen Beobachten jener Annäherungen zwischen Tye Sheridan und Ana de Armas auch ein unausgewogener Thriller. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Bart sein Leben nicht nur für Bildschirmen verbringt, sondern auch, dass er durch die versteckten Kameras, die seine Bildschirme füllen, am Leben auf seine Art und Weise teilnimmt. Martin Cristofer aber lässt dieses Element irgendwann vollkommen fallen, um gegen Ende ein relativ reißerisches Finale in die Wege zu leiten, in denen eben diese Kamera respektive deren Festplatten dann doch noch eine Rolle spielen dürfen (oder eben müssen). Hätte sich The Night Clerk – Ich kann Dich sehen über die volle Laufzeit darauf konzentriert, sich als Porträt zweier einsamer Seelen zu begreifen, hätte Michael Cristofer einen wirklich sehenswerten Film in Szene setzen können.
Fazit
Definitiv eine angenehme Überraschung, wenn auch wie für den DTV-Sektor üblich recht unausgewogen. Anstatt einen drögen Thriller in Szene setzen zu wollen, funktioniert der größtenteils entschleunigt erzählte "The Night Clerk – Ich kann Dich sehen" als Porträt sanfter Annäherungen zweier verlorener Seelen. Irgendwann aber wird sich Regisseur Michael Cirstofer gewahr, dass er hier auch einen Krimiplot umsetzen muss – und steht seinen eigentlichen Stärken damit etwa zu klar im Weg.
Autor: Pascal Reis