Inhalt
Im exklusiven New Yorker Apartmenthaus, in das Carly einzieht, sollen Mieter brutal ums Leben gekommen sein. Und Carly wird in ihren intimsten Momenten von jemandem gefilmt ... Ist es Zeke, der Besitzer des Gebäudes, mit einer gefährlichen Vorliebe für Voyeurismus? Oder Jack, der geheimnisvolle Schriftsteller mit der dunkeln Fantasie? Carly kommt dem Killer immer näher - und Du magst es, dabei zuzusehen.
Kritik
Nachdem der australische Regisseur Phillip Noyce (Hüter der Erinnerung – The Giver) ein Jahr zuvor mit der (inzwischen reichlich angestaubten) Tom-Clancy-Verfilmung Die Stunde der Patrioten einen Volltreffer am Box Office landen konnte, versuchte er sich mit Sliver 1993 an einem Genre, welches in jener Dekade Hochkonjunktur feierte: Dem Erotik-Thriller. In der Hauptrolle konnte er sich dafür das Engagement von Sharon Stone (Casino) sichern, DIE Sexbombe der (frühen) 1990er Jahre. In Paul Verhoevens inzwischen zum Klassiker avancierten Basic Instinct erarbeitete sie sich diesen Ruf, indem sie ihre Catherine Tramell als gleichermaßen verführerisch wie bedrohlich porträtiert. Eine berauschende Performance, die sie als männerfressender Vamp für unsterblich erklärte. Kein Wunder also, dass Sliver fast das Dreifache seines Budgets von 40 Millionen US-Dollar in die Kinokassen spülen konnte.
Mag Sliver kommerziell auch erfolgreich gewesen sein, gelungen ist er deswegen noch lange nicht – und Basic Instinct spielt nicht nur eine, sondern mindestens drei Klassen über den voyeuristischen Machtspielen von Phillip Noyce, die auf den gleichnamigen Roman von Ira Levin zurückgehen. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist Carly Norris (Stone), die gerade einen Schlussstrich unter die Beziehung mit ihrem gewalttätigen Ex gezogen hat und nun in einem Wohnhochhaus in Manhattan ein neues Leben beginnen möchte. Blöd nur, dass es ausgerechnet in diesem Gebäude zu einer Reihe merkwürdiger Todesfälle gekommen ist. Auch in der Wohnung, in die Carly nun eingezogen ist. Selbst der unerfahrene Filmfreund weiß nun, dass auch unsere Protagonisten längst in Lebensgefahr schwebt, der Mörder allerdings möchte erst noch aufgespürt werden.
Wie man aus diversen Erotik-Thrillern gewohnt ist, geht es auch in Sliver um die Dualität von Eros und Thanatos, dem Lebens- und dem Todestrieb. Carly, eine frustrierte Frau, die sich endlich wieder nach einer körperlichen Nähe sehnt, die ihr Chance gibt, sich vollkommen fallen zu lassen, findet genau das bei Zeke (William Baldwin, Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen). Einem jungen Videospielentwickler, dem das Wohnhochhaus gehört und in einem Hinterzimmer eine Videozentrale versteckt hält, die ihm die Möglichkeit gibt, in jedes Zimmer des über 20-stöckigen Bauwerks zu blicken. Hier wird er Zeuge von den intimsten Momenten seiner Mitmenschen, natürlich auch von Carly, die er zuvor bereits dabei beobachtet hat, wie sie in der Badewanne masturbiert hat. Darüber hinaus aber erzählt der Film selten.
Genau dort liegt auch die Schwierigkeit, Sliver wirklich etwas abgewinnen zu können, weil er den Voyeurismus, die Gier der Augen, immerzu sexualisiert, anstatt sich auch zu einem moralischen Diskurs hinreißen zu lassen, der sich mit der Frage beschäftigt, wie viel Verantwortung ein Einblick in die Privatsphäre Fremder mit sich bringt. Es gibt einen kurzen Augenblick, der das Potenzial von Sliver aufzeigt: Da werden Carly und Zeke Zeuge eines pädophilen Übergriffs und erstarren kurzzeitig regelrecht unter dem Druck, der sich aus dieser Kenntnis ergibt. Vertieft aber wird dieser Aspekt nicht, stattdessen verschwendet sich das Drehbuch an ein trödeliges Whodunit, in dem auch der Schriftsteller Jack Lansford (Tom Berenger, Platoon) eine Rolle spielt. Sinnstiftend ist Sliver im Umgang mit seiner Überwachungsthematik jedenfalls sicherlich nicht – und mutig in Bezug auf seine Fetisch-Anleihen ebenso wenig.
Fazit
Mit "Sliver" hat es Phillip Noyce vollbracht, Sharon Stone nach ihrem atemberaubenden Auftritt in "Basic Instinict" erneut für einen Erotik-Thriller zu begeistern. Erneut geht es um die ständige Verbindung von Sex und Gewalt, allerdings vermag es "Sliver" weder in Sachen Erotik noch hinsichtlich des Thrills wirklich zu überzeugen. Das alles ist handzahm und angesichts des Voyeurismus-Aspekts eine reinrassige Verschwendung von Potenzial. Darüber hinaus ist William Baldwin der wohl ausdrucksloseste Süßholzraspler des 1990er Jahre Kinos. Was für eine Trantüte.
Autor: Pascal Reis