Inhalt
Ein gemütlich verschneites Cottage auf dem Land: Der Baum ist liebevoll geschmückt, ein Festmahl opulent vorbereitet und nostalgische Evergreens erfüllen die Räume. Als Nell, Simon und ihr Sohn Art Familie und Freunde willkommen heißen, scheint alles bereit für ein perfektes Weihnachtsfest. Perfekt, bis auf die Tatsache, dass alle sterben werden …
Kritik
Die Kartoffeln werden nie im Leben reichen. Das ist das erste Mal, dass Silent Night einen stutzig macht. Weitere kleinere Dinge passieren, bei der Vorbereitung zum Weihnachtsfest im Cottage von Nell (Keira Knightley, Alles, was wir geben mussten) und Simon (Matthew Goode, Downton Abbey) ihren drei Kindern, die einem merkwürdig vorkommen. Warum darf der Nachwuchs ausgerechnet an Weihnachten fluchen und warum wird hin und wieder eine ominöse Tablette erwähnt? Nun, wer weder Trailer noch den vollen deutschen Titel kennt, wird ordentlich überrascht oder vielleicht vor den Kopf gestoßen. Was als typischer Weihnachtsfilm über ein Familienfest beginnt wandelt sich immer mehr zu einer tragikomischen Todesballade.
Wie der junge Art (Roman Griffin Davis, Jojo Rabbit) beim Abendessen feststellt, haben die Erwachsenen den Planeten kaputt gemacht. Der aufgeweckte Junge will, dass sich seine Eltern und alle anderen anwesenden älteren Semester schämen. Ungefilterter und direkt geht‘s kaum, sogar Greta Thunberg wird erwähnt. Arts Zorn ist verständlich. Der zerstörte Planet rächt sich mit tödlichem Giftgas. Heute wird jeder sterben. Entweder durch Mutter Natur, oder durch die Suizidpillen, die der Staat ausgehändigt hat - aber nicht an alle. Schmerzlos sterben bleibt der Unterschicht verwehrt. Selbst beim Ende obsiegt die Dekadenz. Na dann, Frohes Fest.
Es ist vor allem diese Melange aus stilistisch atbekannter Festtagserzählung und der der fatalistischen Ausweglosigkeit, die Autorin und Regisseurin Camille Griffin in ihrem Spielfilmdebüt äußerst überzeugend hinbekommt. Je länger die Stille Nacht andauert, desto mehr verschwindet das weihnachtliche. Es kristallisiert sich nach und nach Furcht gegenüber der eigenen Endlichkeit heraus. Im Windschatten davon lauern Anschuldigungen, halbgare Ausflüchte und Leugnungen. Ziemlich dramatisch, aber stellenweise auch durchaus amüsant. Vor allem weil sich einige Sticheleien und Erklärungen problemlos auf unsere Welt ummünzen lassen. Anders als etwa Adam McKays Don't Look Up ist der Humor bei Griffin weitaus weniger burschikos. Der Witz von Silent Night - Und morgen sind wir tot gleicht mehr einem Skalpell. Nicht immer scharf, aber oft genug.
Die reine Masse von Figuren, die zur weihnachtlichen Henkersmahlzeit erscheint, steht der schwarzhumorigen Tragikomödie bedauerlicherweise im Weg. Hätte sich Camille Griffin mehr auf die Familie von Art konzentriert, ihre wäre der Spagat aus Humor und Tod wahrscheinlich besser gelungen. So werden einprägsame Momente immer wieder durchbrochen von zweitklassigen Zwistigkeiten, die weder die Geschichte noch die Figuren voran bringen. Auch wenn alle im Film der Tod erwartet, so wäre weniger charakterlicher Stillstand doch schön gewesen.
Aber dieser Schwachpunkt lässt sich mehr als gut aushalten. Silent Night - Und morgen sind wir tot ist im Großen und Ganzen ein böser Spaß, der aber auch eine gehörige Schippe Emotionalität in die Waagschale wirft. Ein wenig so, als ob man Michael Hanekes Der siebente Kontinent mit Schöne Bescherung und The Invitation vermischt. So was sieht man auch nicht alle Tage. Na dann, Frohen Weltuntergang.
Fazit
Bitterböse Mischung aus Generationenkonflikt und Weihnachtskomödie. Stellenweise herrlich fies sowie betäubend fatalistisch, auch wenn sich insgesamt zu viele Figuren um den Tisch der Henkersmahlzeit versammeln.