7.5

MB-Kritik

Facing War 2025

Documentary

7.5

Inhalt

Jens Stoltenberg hatte geplant, nach neun Jahren als NATO-Generalsekretär zurückzutreten. Der 65-jährige Politiker hatte, wie versprochen, seine Koffer gepackt, um zu seiner Frau nach Norwegen zurückzukehren. Doch dann rief Joe Biden an und bat ihn, noch ein Jahr zu bleiben. Denn in einer unruhigen Welt braucht es mehr denn je einen erfahrenen Anführer. Mit beispiellosem Zugang begleiten wir Jens Stoltenberg durch sein letztes Jahr als NATO-Generalsekretär.

"Facing War" gehört zum Programm des 40. DOK.fest München (siehe Info)

Kritik

„We'll stand with Ukraine as long as it takes!“

Jens Stoltenberg

Es sind große Worte eines großen Mannes, der in seiner Funktion als NATO-Generalsekretär die Interessen Europas vertreten hat. Gerade in den letzten Jahren zeigte es sich, dass sein Job mit vielen Herausforderungen verbunden war und die Doku Facing War offenbart, wie Stoltenberg sich Tag für Tag, Jahr für Jahr, diesen Herausforderungen stellte, um für den Frieden in Europa zu sorgen. Als NATO-Generalsekretär hatte er einen wichtigen Posten inne, der ihm täglich viel abverlangte und dem er sein Familienleben geopfert hat. Die Last, die er auf seinen Schultern trug, war enorm und das sah man ihm in der Doku definitiv an. Immer wieder war er nachdenklich und zutiefst berührt von den Ereignissen, die ihn umgaben. In dieser Doku wird er als Held inszeniert, und das, obwohl er der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt ist. Unaufdringlich folgt ihm die Kamera, um seine Erfolge und sein Engagement der ganzen Welt zu zeigen.

In seiner Rolle als Vermittler zwischen den NATO-Mitgliedern konnte Stoltenberg bereits mehrmals große Erfolge für sich verbuchen. Er sorgte beispielsweise für Annäherung zwischen Schweden und der Türkei und ihm verdankt Schweden auch seinen NATO-Beitritt. Dank Facing War hat man einen guten Einblick in die Machtstrukturen der NATO und erkennt, was für eine große Rolle Stoltenberg auf der Bühne der Weltpolitik spielte. Kaum einer wird wissen, was er auf diesem Gebiet alles geleistet hat und wie bemüht und leidenschaftlich er sich für Europa einsetzte. Für diejenigen, die keine Ahnung von der Politik haben, lässt sich die Rolle Jens Stoltenbergs in der Weltpolitik mit der Rolle von Michael J. Fox in Ein Concierge zum Verlieben vergleichen. Jens Stoltenberg war derjenige, der alles permanent am Laufen hielt und von dem jeder ständig irgendetwas wollte. Er selbst spricht in der Doku darüber: „Alle wollen immer ein Stück von einem… Man muss ständig alle glücklich machen.“ Mit dieser Doku zollt man Stoltenberg Tribut und sorgt dafür, dass auch die breite Öffentlichkeit erkennt, was er Tag für Tag getan hatte, um den Frieden in Europa zu bewahren.

„Es kann keinen Frieden und Stabilität in Europa geben, ohne Frieden und Stabilität in der Ukraine“.  (Stoltenberg) Wir sind alle miteinander verbunden und das ist nicht nur ein esoterischer Spruch, sondern die Realität, denn alle europäischen Länder geht der Krieg in der Ukraine etwas an, auch wenn nicht alle diese Strukturen und Verhältnisse in Europa richtig erkennen und deuten können. Wer sich mit der Geschichte auskennt, erinnert sich vielleicht noch, warum NATO überhaupt gegründet wurde und der Zweck der Gründung bestand damals darin, sich vor den Sowjets zu schützen und Putins größter Traum besteht momentan darin, die Sowjetunion zurückzuholen und wieder eine Diktatur zu errichten. Das, wovor sich die Welt bereits vor der NATO-Gründung gefürchtet hatte, könnte bittere Realität werden, wenn man die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russland nicht unterstützt. Putins Erfolg würde die Gefahr für die ganze Welt bedeuten. „Manche glauben, dass die Lieferung der Waffen an die Ukraine unethisch ist, doch daran ist nichts ethisch Unvertretbares, den Ukrainern zu helfen, ihr Land zu verteidigen.“ (Stoltenberg)

Einige Politiker glauben offenbar aus irgendeinem Grund, dass sie für Frieden sorgen, indem sie keine Waffen mehr an die Ukraine liefern, doch sie erkennen nicht, wie absurd und naiv ihre Vorstellungen eigentlich sind. Es würde ihnen sicher helfen, wenn sie sich statt Ukraine ihr eigenes Land vorstellen und die Konsequenzen noch einmal überdenken, die die fehlenden Waffenlieferungen hätten, wenn sie in dem Land leben würden, das gerade von Putin angegriffen wird. Ihr Vorschlag lautet also, die Waffen niederzulegen, die eigenen Häuser für Russen zu räumen, die Verwandten von Russen umbringen zu lassen, als Amtssprache Russisch zu akzeptieren und dann „friedlich“ in einer Diktatur zu leben. Das ist die „friedliche, ethisch vertretbare Lösung“, die sich manche wünschen. Die Frage ist nur, ob diejenigen, die die Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen, immer noch an ihre Prinzipien halten, wenn Putin bei Ihnen vor der Tür steht. Wenn sie nicht dafür sorgen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt, dann werden sie womöglich bald am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlt, eine „russische Kolonie“ zu sein und sein Hab und Gut an Russen zu verlieren. Die Ukrainer fechten gerade den Krieg für ganz Europa aus und so viele Menschen sind sich dessen gar nicht richtig bewusst. Stoltenberg gehört zu den Männern, die die Konsequenzen des Nichtstuns überblicken können und genau das zeigt diese informative Dokumentation.

Man enthält den spannenden Einblick hinter die Kulissen der Weltpolitik und erkennt, wie viel jetzt auf dem Spiel steht. Dank Facing War hat man, die Gelegenheit über seinen Tellerrand hinauszuschauen und zu sehen, was den Ukrainern gerade widerfährt,… Man zeigt Stoltenberg vor den endlosen Tafeln mit verstorbenen Soldaten, die für uns gefallen sind, damit die Welt sich weiter drehen kann, damit wir frei sind. Würde es solche Dokumentationen wie Facing War nicht geben, dann würde jeder in seiner eigenen Blase leben und nicht wissen, was in Europa direkt vor unserer Nase passiert. Man neigt oft dazu, die Politiker für ihr Nichtstun und ihre Gleichgültigkeit allem und jedem gegenüber zu verurteilen, doch wenn einer eine Dokumentation über sein Lebenswerk verdient hat, dann ist es Stoltenberg, weil er ganz anders ist, als man sich einen typischen Politiker vorstellt. Er ist ein mitfühlender Mensch, der das Wohl der Menschheit über sein eigenes Glück stellt.

Er traut sich kaum zu sagen, dass er schon länger von seinem Posten zurücktreten wollte, um für seine Frau da zu sein. Doch dieser Gedanke erscheint ihm angesichts der aktuellen politischen Situation zunächst trivial. Facing War schafft es, das Gleichgewicht zwischen seiner Arbeit und seinem Streben nach Ruhestand gekonnt in Szene zu setzen, indem man immer wieder Bilder des Vermittlers bei der Arbeit und Bilder einer nachdenklichen Privatperson zeigt. Fraglich ist jedoch, ob er überhaupt seine Arbeit von seinem Privatleben trennen kann, denn sein größter Wunsch besteht darin, nach dem Krieg mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (Diener des Volkes) in seiner Heimat Norwegen fischen zu gehen.

Fazit

"Facing War" ist eine aufschlussreiche und informative Dokumentation, die sich um den früheren NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg dreht und einen interessanten Einblick hinter die Kulissen der Weltpolitik liefert. Man gelangt an die Orte, die der Öffentlichkeit normalerweise verborgen bleiben und zeigt Kämpfe, die nicht an der Front, sondern im Oval Office ausgefochten werden. Stoltenbergs Aufgabe war es, zwischen den Mitgliedern der NATO zu vermitteln und für Freiheit und Frieden in Europa zu sorgen. Diese Dokumentation zeigt ihn nicht nur in seiner Rolle als Vermittler, sondern in seiner Rolle als mitfühlender Mensch und genau das ist die Stärke von "Facing War".

Autor: Yuliya Mieland