Inhalt
"Sightseers" folgt dem frisch verliebten Paar Chris und Tina auf einem Campingtrip durch das karge Yorkshire. Pure Romantik folgt schnell exszessivem Serienmord und wildem Sex im schnuckeligen Wohnwagen...
Kritik
Endlich Urlaub! Im Alter von 34 Jahren ist es der scheuen Tina (Alice Lowe) mehr als gegönnt, die spießige Wohngemeinschaft ihrer Mutter für einen kurzen Urlaub zu verlassen. Das ländliche Yorkshire soll es sein – nicht weniger spießig, in Begleitung ihrer neuen Flamme Chris (Steve Oram) aber dennoch verlockend. Für den heißersehnten Ausbruch aus dem trüben Alltag zwischen mütterlicherseits gespieltem Schlaganfall und verstorbenem Hund nimmt Tina etwas mehr als die üblichen Urlaubsmängel in Kauf: Chris ist ein cholerischer Serienmörder.
Der vom „Kill List“- Regisseur Ben Wheatley abgedrehte und von den beiden Hauptdarstellern geschriebene „Sightseers“ fühlt sich an wie eine Mischung aus „Bonnie & Clide“, „Schultze get's the Blues“ und dem „Supertime“-Musikvideo des isländischen Sängers Berndsen (zumal Chris optisch auch an diesen erinnert). Die Mischung deutet bereits auf den schwarzen Humor hin, welchen es auf der Reise der mordenden Turteltauben in britischster Reinkultur zu genießen gilt. Chris eskaliert aufgrund einer achtlos fallengelassenen Eisverpackung, während sich Tina in selbstgehäkelter Reizwäsche durch seine Taten erotisiert fühlt. Begleiter der beiden ist der schnuckelige Hund Banjo, durch Mord erbeutet und beim Liebesakt versehentlich mit eingebunden.
Improvisierte Dialoge, audiovisuell aberwitzig überspitzte Mordszenen und die schmachtenden Blicke des gruselig entspannten Chris sowie der treudoofen Tina sorgen für kleine und große Lacher im Minutentakt – eine oft gebrauchte Floskel, die im Falle von „Sightseers“ jedoch wörtlich zu nehmen ist. Auf den Campingplätzen der Insel wirkt nach wenigen Minuten jeder Gast wie ein potentielles Opfer und wortlose Konversationen besprechen den eventuellen Tod einer Urlaubsbekanntschaft, welche praktischerweise direkt mit am Esstisch des trauten Wohnwagens sitzt. Neben gelungenem Wortwitz leistet sich die kleinbudgierte Produktion eine großartige Schnittarbeit und feinfühlige Charakterportraits. Alice Lowe und Steve Oram verkörpern den Querschnitt der Mittelschicht auf der Suche nach Ruhe sowie dem blutigen Kick erschreckend vertraut und sind der Garant für die subtile aber zu keinem Zeitpunkt stillstehende Dramaturgie.
Fazit
„Sightseers“ bewegt sich geschickt zwischen Dorfkrimi, Trash und britischer Impro-Comedy. Alice Lowe und Steve Oram werden binnen Minuten zu herzerwärmenden Antihelden inmitten trister Campingplätze und langweiligem Bleistiftmuseum. Herrlich verbittert und zugleich zuckersüß.
Autor: d kr