Inhalt
Im 19.Jahrhundert wird das Kindermädchen Miss Giddens (Deborah Kerr) beauftragt, sich um zwei Kinder, Miles und Flora zu kümmern, die auf einem weitläufigen Landsitz leben, weil ihr Vormund sich nicht um sie kümmern will. Flora ist noch klein, doch Miles geht bereits auf eine Privatschule, wird aber überraschend verfrüht nach Hause geschickt. Miss Giddens bemerkt eine seltsame Aufgewecktheit des Knaben, der zunehmend herausfordender, hinterhältiger wird, bis sie glaubt, in ihm eine stille Bösartigkeit zu entdecken. Als sie sich nach dem früheren Kindermädchen Miss Jessel erkundigt, erfährt sie von einer Tragödie, in die der Gärtner Quint verwickelt war. Beide seien jedoch tot. Trotzdem sieht Miss Giddens immer wieder in Haus und Park eine Frauenfigur oder ein Männergesicht, das sonst angeblich niemand sieht. Allmählich glaubt sie, daß die Phantome von Jessel und Quint gekommen sind, um sich der Kinder zu bemächtigen...
Kritik
Der Moviebreak Horroctober: 09.10.2015 (Haunted House)
Tag 9 des Horroctobers führt uns das zweite Mal in das Genre des Haunted-House. Nach „Beetlejuice“ zum ersten (aber nicht letzten) Mal in die frühen 60er Jahre und damit in eines der bis heute stimmungsvollsten, schaurigsten und intelligentesten Spukhäuser der Filmgeschichte. Die Rede ist von „Schloss des Schreckens“ - im Original mit dem weitaus besseren Titel „The Innocents“ versehen – von Jack Clayton („Der große Gatsby“), beruhend auf der Erzählung „The Turn of the Screw“ von Henry James (1843-1916).
Deborah Kerr („L.A. Confidential“) glänzt in der Rolle der gutherzigen Gouvernante Miss Giddens, die im 19. Jahrhundert von einem wohlhabenden Geschäftsmann beauftragt wird, sich um seine Nicht und seinen Neffen zu kümmern, die sich nach dem Tod ihrer Eltern in seiner Obhut befinden. Er selbst legt keinen großen Wert auf Familienleben und vertraut ihr somit jede Verantwortung an, die Kinder auf seinem großzügigen Herrenhaus nach bestem Gewissen zu erziehen und zu betreuen. Sofort nach ihrer Ankunft gewinnt sie das Vertrauen der zuckersüßen Flora (Pamela Franklin, „Tanz der Totenköpfe“) und fühlt sich wohl in der Rolle des liebevollen Kindermädchens, bis Flora’s Bruder Miles (Martin Stephens, „Der Teufel tanzt um Mitternacht“) überraschend von seinem Internat verwiesen wird und ebenfalls auf dem mit nur wenig Personal geführten Landsitz aufschlägt. Den offenbar wohlerzogenen und verblüffend altklugen Jungen umgibt eine befremdliche Aura, die er zunächst hinter seinem kindlichen Charme verstecken kann, aber nach und nach bedrohliche Formen annimmt, ohne es konkret benennen zu können. Irgendwas geschieht nach seiner Ankunft auf der abseits gelegenen Villa und Miss Giddens verfällt immer mehr dem Gedanken, dass hinter der unschuldigen Fassade der Kinder ein dunkles Geheimnis schlummert, das mit der Geschichte des Hauses verknüpft ist.
Allein auf technischer Ebene gelingt Jack Clayton ein herausragendes Stück altmodisch-filmischer Schauerlyrik, welches sich auf ganz klassische Methoden des Genres beruft, diese dafür exzellent und niemals hilflos als rein plakatives Gerüst nutzt. Wehende Vorhänge im pfeifenden Wind, flackerndes Kerzenlicht und knarrende Türen gehören zum und bestimmen den guten Ton, sorgen jedoch nicht ausschließlich für die angestrebte Stimmung, unterstützen viel mehr das, was sich schon früh unter der augenscheinlichen Idylle seinen Weg an die Oberfläche gräbt. Großen Anteil daran hat nicht nur die grandiose Fotographie von Freddie Francis, der sowohl als Stammregisseur für die Hammer-Studios („Frankensteins Ungeheuer“) wie in seinem eigentlich erlernte Job als Kameramann („Kap der Angst“) auf eine große Karriere zurückblicken kann, aber selten dementsprechend gewürdigt wurde, sondern auch das erstklassige Skript, dem niemand anderes als der legendäre Truman Capote („Kaltblütig“) den notwendigen Feinschliff beisteuerte. Aus diesen professionellen Faktoren ergibt sich eine zeitlos-unheimliche Poesie des Grauens, die weitaus hintergründiger und subtiler agiert, als man es generell erwarten könnte. „Schloss des Schreckens“ ist nicht nur ein sehr gut gemachter Geisterfilm, er ist extrem mutig, greift im Subtext gar leicht Tabuthemen (besonders in seinem Zeitbezug) wie sexuellen Missbrauch auf und ist in letzter Konsequenz clever genug, sich nicht gänzlich zu erklären.
Clayton spielt durchgehend mit dem Erleben und der Erwartung seines Publikums, wie gleichzeitig mit der seiner Protagonistin. Sehen und glauben wir und sie wirklich das, was wir/sie vermuten? Und was ist das? Die Präsenz des Übernatürlichen, eines unsterblichen Fluchs, oder doch nur die paranoide Illusion einer verängstigten und irritierten Frau, die durch Isolation und verstörte Wahrnehmung an den Rand des Wahnsinns getrieben wird? Möglich ist alles, sicher ist nichts. „The Innocents“ – um jetzt ganz bewusst den Originaltitel einzubeziehen – erzählt nämlich nicht nur eine typische Geschichte von Geistern, viel mehr eine tragische von traumatisierten Kindern, die nicht nur einmal ihre Bezugspersonen verloren haben und nun damit umgehen müssen. Wie sie das kanalisieren und ob das im Einklang mit einer dämonischen Macht steht, ist eigentlich nur Auslegungssache. Das kann ein geschickt inszenierter und in seiner hier dargebotenen Konsequenz grausamer Akt von unglücklichen Umständen sein, vielleicht aber auch die unerschütterliche Wahrheit, die kein anderes Ende zulässt. „Schloss des Schreckens“ ist deshalb so brillant, da er seine Karten bis zum Ende nicht einfach so auf den Tisch legt, sondern die Eier hat, beide Varianten als gegeben zuzulassen. Daraus kann sich jeder das ziehen, was ihm lieber ist…oder im Idealfall mit der Ungewissheit nachdenklich ins Bett geschickt zu werden.
Fazit
Was für ein wundervoller, grauenvoller aber nicht grausamer Film, fast mehr Suspense als Haunted-House, obwohl er alle Bedingungen des Geisterhausfilms mehr als nur erfüllt. Er ruht sich nicht nur auf seinen handwerklichen Qualitäten aus, er wagt es darüber hinaus, sich extrem ambivalent zu präsentieren und besonders zu verabschieden, was auch nach über 50 Jahren noch lange nicht selbstverständlich ist. Gehört ohne Zweifel zum Nonplusultra des Genres, seiner Dekade und der Filmgeschichte generell.
Autor: Jacko Kunze