Inhalt
Der filmbegeisterte Mort Rifkin (Wallace Shawn) begleitet seine Frau, die PR-Agentin Sue (Gina Gershon), zum Filmfestival von San Sebastian in der Befürchtung, dass ihre Faszination für ihren jungen Klienten, den Regisseur Philippe (Louis Garrel), mehr als nur beruflicher Natur sein könnte. Genervt von den überschwänglichen Lobeshymnen auf Philippes Film, beschäftigt sich Mort mit den Kinoklassikern, über die er einst als Professor unterrichtet hat, von Meistern wie Bergman, Fellini, Godard, Truffaut und Buñuel.
Kritik
Lange, sehr lange mussten wir auf diesen Film warten. Bereits im September 2020 feierte Woody Allens (Der Stadtneurotiker) neuer Film auf dem San Sebastian Film Festival in Spanien Premiere. Neue Missbrauchsvorwürfe gegen den New Yorker Regisseur und die Pandemie sorgten dafür, dass der Kinostart von Rifkin’s Festival immer wieder verschoben wurde. Nun endlich können wir den Film in den deutschen Kinos sehen. Die große Frage, ob es sich gelohnt habe, zwei Jahren auf diesen Film zu warten, kann man getrost mit „nein“ beantworten, aber dennoch können wir beruhigt sein. Rifkin’s Festival ist wie alle Filme von Woody Allen: unprätentiös, kurzweilig, bestückt mit neurotischen Figuren, voller Ehrfurcht vor dem Kino. Rifkin’s Festival ist vor allen Dingen eine cineastische Verbeugung vor den großen Regisseuren der Kinogeschichte, die leider nur mäßig gelingt.
Da ist Mort Rifkin, Titelfigur, Alter Ego des Regisseurs, der ewige Stadtneurotiker, der von Wallace Shawn (Manhattan) so steif und altersschwach wie in keinem anderen Woody-Allen-Film verkörpert wird. Seine Frau Sue (Gina Gershon, Showgirls) ist PR-Agentin und begleitet den jungen Starregisseur Philippe (Louis Garrel, Little Women) auf das San Sebastian Film Festival, wo er seinen neuen Film präsentiert. Während sich bei Sue und Philippe das Berufliche und das Private immer weiter vermischen, lernt Mort die Ärztin Dr. Jo Rojas (Elena Anaya, Die Haut in der ich wohne) kennen, an der er mehr und mehr Gefallen findet. Sie ist in unglücklicher Ehe mit einem spanischen Maler, für den sie ihr erfülltes Leben in New York einst aufgegeben hat. Es folgen Seitensprünge, lange Spaziergänge in spanischen Innenstädten, ein paar kurze romantische Momente, Abhandlungen über die Bedeutungslosigkeit des Lebens, ein ausgelassenes Abendessen. In einem Woody-Allen-Film geht es eben zu wie in jedem Woody-Allen-Film. Seine Figuren leben ein erstrebenswertes Leben.
Die männliche Hauptfigur ist wieder mal ein neurotischer Tagträume, der mit Charakterstärke und melancholischer Leichtigkeit der Realität entfliehen will. Wenn seine Frau nur vorgibt, mit dem Jungregisseur Philippe auf einer Pressekonferenz zu sein, verbringt Mort Rifkin lieber Zeit mit den Ärztin Jo und stellt sich vor, mit ihr nochmal neu anzufangen. Kernelement des Films sind rückblendenartige Szenen, die an große Werke der Filmgeschichte angelehnt sind. Sie dienen als Traumsequenzen, in denen Rifkin sein Verhältnis zu Sue, aber auch zu Philippe und Jo verarbeitet. Ikonische Szenen aus Filmen wie 8 ½, Jules und Jim, Persona, Der Würgeengel und Citizen Kane stellt Woody Allen detailgetreu nach, bestückt sie mit seinen Hauptdarstellern, die sich dort über ihre Beziehung zueinander austauschen dürfen. Es soll eine Hommage an die großen Meistern der Filmgeschichte sein, die durch das müde Reenactment in reiner Nostalgie endet.
Rifkin’s Festival ist der erste Film von Woody Allen nach seiner Zusammenarbeit mit den Amazon Studios. Erneute Missbrauchsvorwürfe wurden laut und so kündigte der Streamingdienst dem Regisseur kurzerhand. Produziert wurde Rifkin’s Festival nun von Allens jüngerer Schwester Letty Aronson (Vicky Cristina Barcelona), die ihm bereits bei früheren Produktionen zur Seite stand. Nachdem sich zahlreiche Schauspieler von Woody Allen im Zuge der gegen ihn erhobenen Vorwürfe distanzierten, war es vermutlich eine notgedrungene Entscheidung, den B-Riegen-Star Wallace Shawn als Allens Alter Ego zu besetzen. Charmant und unaufgeregt spielt er den Stadtneurotiker, würdevoll gealtert, deutlich langsamer im Gang und ein wenig senil. Mort Rifkin ist ein authentischer Kommentar zu den Missbrauchsvorwürfen gegenüber Woody Allen in den letzten Jahren. Er ist sichtlich erschöpft, müde geworden und doch kann er seine Lebensfreude nicht verheimlichen. Werden Filmemacher wie Clint Eastwood (Cry Macho) in ihrem Spätwerk sichtlich verbittert, flüchtet Woody Allen in die pure Nostalgie. Das ist oft sehr banal – aber tut niemandem weh.
Fazit
"Rifkin’s Festival" ist wie alle anderen Filme von Woody Allen. Ein wenig schlechter, aber genauso beruhigend.
Autor: Kevin Gensheimer