MB-Kritik

Rebel with a Bow Tie 2024

Documentary

Toomas Hendrik Ilves

Inhalt

Das spielerisch dokumentierte große Finale der zehnjährigen Präsidentschaft von Toomas Hendrik Ilves.

Kritik

Der Rockstar-Politiker der Region”, nennt die PR-Agentur den Mann im Mittelpunkt Jaan Tootsens possierlichen Porträts. Das unterlegt der Regisseur und ehemalige Kulturberater Toomas Hendrik Ilves, dessen zehn Jahre als Estlands Präsident die begeisterte Biografie bejubelt, wie zur Bestätigung mit The Kinks, Kraftwerk und MC5. Deren „High-Scchool“ mit den Zeilen „The kids want a little action/ The kids want a little fun/kids all have to get their kicks“ begleiten Kameraszenen von Hendriks am Steuer eines Panzers.

Bei der Gelegenheit wird auch grinsend geschossen, erst a Steuer des Armeefahrzeugs und später stolz Schnappschüsse mit dem ältesten Sohn in Uniform. Wenn Orban oder gar Putin so posieren würden, wäre das ein Beweis für deren Macho-Militarismus. Aber Ilves ist zumindest in den Augen seines Regisseurs und ehemaligen Vertrauten über jeden Zweifel erhaben, denn war die längste Zeit im Staatsamt Sozialdemokrat. Wer das nicht wusste, erfährt es durch Googeln statt aus den anekdotischen Annalen.

Selbige vermitteln nicht einmal die grundlegendsten Fakten über den nach außen hin stets gutgelaunten Hauptcharakters. Dessen private und politische Haltung vermittelt sich höchstens in Ansätzen, die kaum tiefere Rückschlüsse zulassen. So sympathisiert der Sohn nach Schweden Geflüchteter öffentlich mit geflohenen Menschen, lässt aber nicht erkennen, wie weit sich das praxispolitisch niederschlägt. Stattdessen erscheint der joviale Protagonist als selbstironischer Staatsmann, der im Büro auch mal Bademantel trägt oder im Club auflegt. Pop liegt hier nah bei Propaganda.

Fazit

Entweder ist Jaan Tootsen ausgesprochen schlecht darin, dem menschlichen Mittelpunkt seines filmischen Fan-Bilds nahezukommen, oder er ist außergewöhnlich geschickt darin, den ehemaligen estnischen Präsidenten Toomas Hendrik Ilves als bodenständige Alternative zu einem etikettierten Establishment darzustellen. Vor Kontroversen und Konflikten verschließt die idealisierende Inszenierung die Augen - oder Bürotür. Gerade was Ilvers authentisch machen soll, nimmt ihm jede Authentizität. Ideologisch bleibt der Protagonist letztlich ebenso eine Leerstelle wie psychologisch. Aber wen interessiert das, wenn er lustige Fliegen trägt?

Autor: Lida Bach
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