Inhalt
Die Suche nach einem verschollenen, angeblich wahnsinnig machenden Film führt einen Mann an die Pforten zur Hölle.
Kritik
Mitte der 90er Jahre schien die einst grandiose Karriere von John Carpenter (Das Ding aus einer anderen Welt) endgültig vorbei. Schon in den 80ern erfolgte der erste (künstlerisch völlig unbegründete) Einbruch, den er durch das Backen kleinerer Brötchen noch sehr gut kompensieren konnte. Die Mächte des Wahnsinns war 1994 sein letzter Knaller, bevor er dann Gurken wie Das Dorf der Verdammten, Flucht aus L.A. oder den Offenbarungseid Ghost of Mars verzapfte. Dieses Desaster brach ihm auf der großen Leinwand endgültig das Genick. Seitdem gab es nur mit The Ward im Jahr 2010 einen halbherzigen Comeback-Versuch, der sich kaum über 08/15 DTV-Niveau bewegte. Ergo: Seit mehr als 20 Jahren (Vampires war 1998 noch ganz anständig) warten wir schon auf ein vermutlich letztes, würdiges Lebenszeichen vom guten, alten John. Während der von 2005 bis 2007 stattgefundenen Masters of Horror-Reihe für das US-Fernsehen gab es dieses immerhin im kleinen Rahmen zwei Mal. Neben der Folge Pro-Life im Jahr 2006 auch in der Premierenstaffel, in dieser Cigarette Burns den achten Beitrag darstellte.
Normalerweise gehört so ein Format nicht unbedingt in die Sparte Filmkritik, im diesem speziellen Fall darf aber ruhig mal eine Ausnahme gemacht werden. Einerseits sind die knapp 60minütigen, inhaltlich völlig autonomen Episoden praktisch als Kurzfilme zu beurteilen, andererseits ist bei jeder Folge das (oftmals auch ehemalige) Who-is-Who des Genres am Werk, was es für Fans allein nostalgisch interessant macht. Und besonders dieses Exemplar birgt verdammt viel Potential wie Hoffnungen. John Carpenter gibt sich mal wieder die Ehre das gleich bei einer Geschichte, die an sich auch einen kompletten, abendfüllenden Spielfilm tragen könnte. Zu Beginn sogar genau so aufgebaut wird, nur am Ende der „Last“ bzw. der Eile des Episoden-Formats ihren Tribut zollen muss und schneller beendet werden muss, als es wünschenswert gewesen wäre.
„As you can see, i collect more than movies…“
Kirby (Norman Reedus, The Walking Dead) betreibt seit zwei Jahren ein erfolgloses Genre-Kino. Die Kohle für den Start bekam er einst von dem wohlhabenden Vater seiner Freundin. Allerdings nur als Darlehen und mit der Prämisse, sie von der (gemeinsamen) Nadel wegzuholen. Mit ihrem goldenen Schuss ist auch sein Good Will erloschen und nun braucht der immer noch trauernde Kirby flott 200.000 $, damit ihm nicht alles genommen wird. Der exzentrische Millionär und Filmsammler Bellinger (Udo Kier, Melancholia) stellt ihm diese Summe tatsächlich in Aussicht, dafür muss er aber einen ganz speziellen Job erledigen. Er soll ihm die einzige, angeblich vernichtete, wohl aber doch noch existente Kopie des Films „La Fin Absolue du Monde“ besorgen, bei dessen Uraufführung es zu einem blutigen Massaker innerhalb des wahnsinnig gewordenen Publikums kam. Kirby nimmt die Nachforschungen auf, bemerkt aber schon früh „Brandlöcher“, die die Welt zwischen Wahn und Wirklichkeit immer mehr einreißen. Trotz direkter Warnungen mit dem Film in Berührung Gekommener (und Überlebender) treibt ihn nicht nur die Verzweiflung, sondern besonders die eigene Neugier immer weiter an. Bis Grenzen schon längst überschritten sind, alle Stopp-Schilder bewusst überfahren.
„The only cut is to her.“
Auch wenn Cigarette Burns nicht der einstigen, inszenatorischen Genialität eines John Carpenter entspricht und rein formell nicht unbedingt an sein Schaffen erinnert, es ist schon ein brauchbares Mini-Comeback. Die großen Parallelen finden eher in den Rahmenbedingungen statt. Sein Sohn Cody Carpenter komponiert den deutlich an Papa orientierten Score und die Geschichte erinnert stark an die seines letzten Glanzstücks Die Mächte des Wahnsinns, in der ein Versicherungsagent einen verschollenen Horror-Autor suchen sollte, der seine Leser in einen Blutrausch versetzte. Die Idee ist quasi identisch, hier nur etwas mehr auf das Medium Film angepasst. Mit ein paar netten Querverweisen angereichert, flott und unterhaltsam erzählt, garniert mit einigen garstigen Gore-Spitzen. Das ist nicht groß, nicht wichtig, aber in seinem Mikrokosmus schon ganz stimmungsvoll und geht als morbides Amuse-Gueule mit Genre-Liebe gut durch den Magen.
„Some films are ment to be seen.“
Fazit
Mit mehr Aufwand, Feinschliff oder auch Leidenschaft (bei aller Liebe, Carpenter war hier einfach weit über seinen Höhepunkt und nahm den Job dankend an) sogar zu deutlich mehr fähig, denn „Cigarette Burns“ hat einige schön abartige Ideen und scheut sich nicht vor direkter, plastischer Darstellung. Als reines Serien-Häppchen ohne größeren Zusammenhang absolut sehenswert. Zu mehr reicht es trotz guter Ansätze auch aufgrund der rahmenbedingten Limitierung nun mal nicht.
Autor: Jacko Kunze