Inhalt
Mikolás und sein Bruder Adam rauben im Dienste ihres tyrannischen Vaters Kozlik unschuldige Reisende aus. Bei einem Überfall gelingt einer deutschen Geisel die Flucht. Aus Furcht vor der Rache des deutschen Königs setzt Kozlik seinen Nachbar Lazar unter Druck, damit dieser ihm im drohenden Krieg zur Seite steht. Doch Lazar verweigert sich, und so vergeht sich Mikolás aus Rache an Lazars Tochter Marketa, die eigentlich einem Konvent beitreten soll.
Kritik
Schon in den ersten Minuten nähert sich Frantisek Vlácils (The White Dove) Marketa Lazarová dem Betrachter als außergewöhnliches, avantgardistisches Ungetüm im Gewand eines imposant gekleideten Historienfilms. Zwei Männer, Mikolás und Adam, überfallen eine Gruppe Reisender, töten einen Großteil der Männer und nehmen zwei von ihnen als Gefangene, während einem die Flucht gelingt. Inszeniert ist dieser Auftakt als betörende Abfolge elliptischer Momente, in denen sich die Kamera einen Weg durch Gräser und Gestrüpp bahnt, das Geschehen dicht aus der Nähe verfolgt und dabei förmlich an den Figuren haftet. Dazu ertönen sakrale Chöre, die den Szenen ein episches Gewicht verleihen.
Die Geschichte von Marketa Lazarová ist zu einem nicht genauer definierten Zeitpunkt im Mittelalter angesiedelt, an dem Kozlik, ein barbarischer Clan-Anführer sowie Vater von Mikolás und Adam, einen Konflikt mit dem herrschenden König heraufbeschwört. Da die Männer des Angriffs, der im Auftrag von Kozlik geschah, direkte Anhänger des Königs waren, sinnt dieser auf Rache und sendet seinen Hauptmann und dessen Armee, um die Geiseln zu befreien und Vergeltung gegen Kozliks Clan auszuüben. Dieser erhofft sich wiederum Unterstützung von Lazar, einem benachbarten Clan-Anführer. Da Lazar allerdings nicht daran gelegen ist, in Streitigkeiten mit dem König verwickelt zu werden und das Bündnis ablehnt, entführen Mikolás und Adam Marketa, Lazars Tochter, wodurch sie auch seinen Zorn auf sich ziehen.
Was als grober Handlungsumriss bereits komplex anmutet und verschiedene Verstrickungen zwischen den einzelnen Figuren zur Folge hat, erweist sich im Verlauf des Films als schwierig zu durchdringendes Geflecht aus religiösen Untertönen, vage beleuchteten Motivationen, verheerenden Impulsen sowie tragischen Eskalationen. Die dem Film zugrundeliegende Romanvorlage eignet sich der Regisseur insofern an, als dass Marketa Lazarová aus der konventionellen Struktur eines Historienfilms, welcher Rache, Liebe, Glaube, Eifersucht und Frevel in epischer Bandbreite verhandelt, ausbricht und zu einem meditativen, hypnotischen Rausch verformt wird.
Auch wenn sich der eigentlichen Geschichte nicht immer einfach folgen lässt, ist Vlácils Film ein audiovisuelles Erlebnis, dessen eigenwillige Sogkraft von den wundervoll komponierten Bildern ausgeht, die der Regisseur durch Klänge erweitert, die in den faszinierendsten Momenten eine fast schon transzendentale Kraft erreichen. Beinahe jede Szene in Marketa Lazarová strebt nach gewaltigem Pathos und kraftvoller Epik, während sich immer wieder psychedelische Einschübe von surrealer Natur in die Erzählung einschleichen, die dazu beitragen, dass der Film gelegentlich in mystischen Sphären schwelgt, die dem geerdeten, oftmals schmutzigen Mittelalter-Setting ebenso rätselhafte wie magische Facetten abringen.
Über die stolze Laufzeit von fast 165 Minuten hinweg fordert Marketa Lazarová vollste Aufmerksamkeit, was sich bisweilen als durchaus anstrengend gestaltet. Vlácil leitet zwar alle Passagen seines Films durch einleitende Textstücke ein, in dem nachfolgende Ereignisse knapp erläutert werden, doch die Kombination eines künstlerisch extravaganten Inszenierungsstils mit der sperrig vertrackten Geschichte dürfte viele, die sich auf derart spezielle Filmkunst, zu der sich dieser tschechische Brocken zweifelsohne zählen darf, nicht einlassen können, unangenehm auf die Probe stellen.
Fazit
In seiner Romanverfilmung "Marketa Lazarová" macht Regisseur Frantisek Vlácil keine Gefangenen. Obwohl der 1967 erschienene Film mittlerweile durch eine Umfrage als bester tschechischer Film aller Zeiten gilt, ist der sperrig erzählte, hypnotisierend in Szene gesetzte Historien-Rausch nur etwas für Zuschauer, die avantgardistischen, in epischer Länge zelebrierten Kunstfilmen gegenüber aufgeschlossen sind.
Autor: Patrick Reinbott