Inhalt
Eine Gruppe Historiker wurde auf einen fremden Planeten entsandt, der in seiner Entwicklung 800 Jahre hinter der Erde zurückliegt. In der Hoffnung, in dieser mittelalterlichen Zivilisation die Geburt einer Renaissance hautnah miterleben zu können, mischen sich die Forscher unbemerkt als adlige Nachkommen lokaler Gottheiten unters Volk, um die dortigen Ereignisse aufzuzeichnen und zur Erde zu übertragen. Ihre oberste Direktive dabei lautet: Bleibe unerkannt und neutral, greife niemals in das Geschehen ein und töte unter keinen Umständen einen Planetenbewohner. So weit, so gut. Doch als in der Stadt Arkanar graue Truppen plötzlich ein blutiges Pogrom gegen Gelehrte und Bücherfreunde starten, nimmt die Geschichte unvermittelt einen völlig anderen Verlauf. Don Rumata, der vor Ort das Treiben hilflos mit ansehen muss, fällt es dabei zunehmend schwerer, dem brutalen Gemetzel einfach tatenlos zuzuschauen. Doch was tun als ein Gott, dem die Hände gebunden sind?
Kritik
Der russische Film fristet bei uns eher ein Nischendasein, wobei es immerwieder einzelne Werke gibt, die internationale Aufmerksamkeit erregen, wie zuletzt beispielsweise der 2014 veröffentlichte „Leviathan“ von Regisseur Andrei Swjaginzew. Beschäftigt man sich näher mit der russischen Filmgeschichte, findet man viele visionäre Filmemacher, die im eigenen Land einen hohen Status genießen und sich meist mit melancholischen und düsteren Themen auseinandersetzen.
Einer dieser Regie-Visionäre war der 2013 im Alter von 74 Jahren verstorbene Aleksei German, der auch bei Kritikern sehr beliebt war. Er nahm sich in seinen Werken oft gesellschaftskritischen und historischenThemen an und war der russischen Regierung deshalb oft ein Dorn im Auge. So inszenierte er ein Epos über die Belagerung von Stalingrad (Zwanzig Tage ohne Krieg) oder setzte sich mit dem ungeschönten Alltag einer Kleinstadt der 30er-Jahre auseinander (Mein Freund Ivan Lapshin). Germans Markenzeichen war es, jeden seiner Filme in Schwarz-Weiß zu drehen und seine Rollen ausschließlich mit Laiendarstellern zu besetzen. Mit „Es ist schwer ein Gott zu sein“ kommt nun wahrscheinlich sein Magnum Opus in die Kinos. Er selbst arbeitete über zehn Jahre an diesem Werk, starb jedoch während des Filmschnitts. Sein Sohn, ebenfalls Regisseur, legte posthum letzte Hand an und brachte das Werk zur Vollendung.
„Es ist schwer ein Gott zu sein“ ist die Verfilmung des gleichnamigen und auch bei uns erhältlichen Sci-Fi-Bestsellers des Autorenduos Arkadi und Boris Strugazki. Der Inhalt ist schnell zusammengefasst: In einer fernen Zukunft hat die Menschheit mehrere erdähnliche Planeten entdeckt. Auf einemdieser Planeten gibt es eine menschliche Zivilisation, die in ihrer Entwicklung allerdings 800 Jahre hinter der Erde zurückliegt, sprich eine Welt die sich im tiefsten Mittelalter befindet. Es scheint nur eine Stadt zu geben, um die sich alles Leben dreht, ein kleiner spannender Mikrokosmos voller menschlicher Abgründe. Inmitten dieses Chaos wird deshalb eine Gruppe Historiker von der Erde auf den fremden Planeten entsandt. Diese haben die Hoffnung, in dieser mittelalterlichen Zivilisation die Geburt einer Renaissance hautnah miterleben zu können. Sie mischen sich als adlige Nachkommen lokaler Gottheiten unters Volk, um die dortigen Ereignisse aufzuzeichnen und zur Erde zu übertragen. Die Geschichte wird dabei fast ausschließlich aus derSicht des Erdenforschers und selbsternannten Adligen Don Rumata (Leonid Yarmolnik) erzählt.
Die Forscher haben klare Anweisungen, deren Missachtung eine hohe Strafe auf der Erde nach sich zieht: Zeige niemandem Dein wahres Ich, greife nie in die politischen Gegebenheiten ein und töte unter keinen Umständen einenPlanetenbewohner. Als Schutz trägt der ausgewählte Trupp weiße Gewänder, die für Waffen undurchdringbar erscheinen und Schwerter, die selbst Stein mühelos spalten. Als in der Stadt Arkanar Soldaten plötzlich die einzigen Gelehrten ermorden, die Universität niederbrennen und reihenweise Unschuldige hängen, fällt es Don Rumata, der vor Ort das Treiben hilflosmit ansehen muss, zunehmend schwerer, der unbarmherzigen Gewalt einfach tatenlos zuzuschauen. Doch was kann ein Gott tun, der nicht eingreifen darf?
„Es ist schwer ein Gott zu sein“, soviel kann man vorweg nehmen, verlangt dem Zuschauer einiges an Geduld und Durchhaltevermögen ab. Regisseur Aleksei German schert sich recht wenig um die eigentlich spannende Rahmenhandlung und interessiert sich viel mehr für die rückständige Gesellschaft und die Umstände, in der diese agiert. Der rote Faden ist nahezu nicht existent, was es jedem Zuschauer schwer machen dürfte dem Film zu folgen. Es gibt zweiParteien, die Schwarzen und die Grauen, die sich bekriegen, die Gelehrten niedermetzeln und die Stadt für sich beanspruchen. Und mittendrin sind die Erdenforscher, allen voran die Hauptfigur Don Rumata. Dieser ertränkt seine zunehmende Melancholie im erst kürzlich erfundenen Alkohol und sehnt sichnach der Erde zurück. Seine Verachtung für die rückständigen und verdreckten Menschen kann er kaum verbergen, immer wieder entlädt sich seine Wut in impulsiven Handlungen. Aber er weiß auch, dass er die Menschen nicht retten kann. Würde er den Anführer der düsteren Grauen, die immer wieder die Stadt überfallen, töten, würde umgehend ein weiterer Scherge nachrücken und er selbst wäre einer schrecklichen Strafe auf der Erde ausgesetzt. Diese innere Zerrissenheit dieses Hauptcharakters macht die Grundspannung des Films aus, doch die Bilder die der russische Regie-Veteran abliefert und die unglaubliche Ruhe, mit der er sein letztes Werk inszeniert hat, dürften dafür sorgen, dass sich viele Zuschauer mit Grauen abwenden. „Es ist schwer ein Gott zu sein“ ist weniger als Film, sondern viel mehr als Kunstwerk zu verstehen. Und als solches ist es sehr schwer objektiv zu bewerten. Unterhaltung ist das ganz klar nicht.
Schon nach der ersten halben Stunde, die den Alltag in Arkanar zeigt, möchte man sich angewidert abwenden. Der Zuschauer wird direkt in die verdreckte Stadt geworfen, in der gerade eine Hinrichtung bevorsteht. Ein Sänger und Dichter soll in einer Jauchegrube erstickt werden. Es regnet ununterbrochen in Arkanar und wenn es nicht regnet, dann hat es Nebel. Die Menschen waten durch Schlamm, ihre Kleider hängen in Fetzen herab. Sie kotzen, scheißen, rotzen auf den Boden, zeigen ihre verfaulten Zähne und haben Geschwüre im Gesicht. Kein Wunder, dass Don Romata mit seinem Zahnpastalächeln und seinen sauberen Kleidern als Nachkomme einer unverwundbaren Gottheit respektiert wird. Zudem gilt er als herausragenderSchwertkämpfer, der zwar noch nicht einen Menschen getötet, allerdings auch noch keinen Kampf verloren und dafür hunderte von Ohrenabgeschlagen hat. Wahrhaft entführen Germans Schwarz-Weiß-Gebilde in eine sehr unbequeme Welt voller Elend, Dreck und willkürlicher Gewalt. Diese abstoßenden Bilder fängt der Regisseur fast schon in einem dokumentarischen Stil ein. Er liebt die Nahaufnahme und zoomt immer wieder heran, wenn die Menschen sich verschiedener Körperflüssigkeiten entledigen, sich Scheiße ins Gesicht schmieren oder auch mal überraschend von einem Pfeil durchbohrt werden. So kommt man dem Elend unbequem nahe und verliert des Öfteren die Übersicht.
Es gibt nur sehr wenige Aufnahmen aus einer totalen, alles überblickenden Perspektive. Selten hat man auch so wenige Schnitte in einem Film, der sich immerhin über drei Stunden erstreckt, gesehen. Die Kamera schwebt da gerne mal 20 Minuten im selben Raum und behält theaterartig immer dieselbe Einstellung bei. Das auch bei langen und fast schon unverständlichen, weil sehr philosophischen Dialogen. Oft wird der Betrachter im (hoffentlich) bequemen und sauberen Kinosessel wie ein Voyeur vorgeführt, zumal es immer wieder Charaktere gibt, die die vierte Wand durchbrechen. Nämlich indem sie direkt mit ihren braunen Stumpen in die Kamera lächeln, dieser Gegenstände entgegenhalten oder die Kamera sogar beiseiteschieben.
Musik? Auch fehl am Platz. Umso mehr muss man die restlichen Soundeffekt ertragen: Das Prasseln des Regens, das Schmatzen des Schlammes, das Stöhnen der Menschen, die sich gerade gegenseitig zerfleischen.
Eine neue Gesellschaft wollte German mit seiner abstoßenden Welt erschaffen und das ist ihm in der Tat gelungen, denn die düsteren Bilder die er dem Zuschauer präsentiert, wirken noch lange nach. Zu Recht gilt er unter den Kritikern, die sein Gesamtwerk kennen, als einer der größten Visionäre des russischen Kinos.
Fazit
Germans wohl bedeutendstes Werk ist schwierig in Worte zu fassen. Künstlerisch, eigensinnig und über alle Maße kompromisslos malt er in düsteren Schwarz-Weiß-Bildern eine mittelalterliche Welt. Das hat man auf Film gebannt jedenfalls noch nie so grausam, abgründig und obszön gesehen. Man muss sich auf diese Welt einlassen, sonst kommt man mit "Es ist schwer, ein Gott zu sein" nicht zurecht und wird ihn als sterbenslangweiligen Gewaltstreifen abtun. Für alle anderen kann der dreistündige Trip durchaus ein Arthouse-Film mit hypnotischer Wirkung sein, der den Zuschauer aufgrund seiner visuellen Kraft den Dreck, die Krankheiten und die Gewalt einer rückständigen Zeit regelrecht spüren lässt und der noch lange im Gedächtnis haften bleibt. Solche Filme sind eine Seltenheit, soviel ist sicher.