Inhalt
Über drei Jahre begleitete Lisa Weber ihre Protagonistin Claudia, die mit 15 ihren Sohn bekam und nun mit ihm bei ihrer Mutter und ihrem Bruder lebt. Die Kamera beobachtet Claudia hautnah beim Aufwachen und Zubettgehen, beim ritualisierten Zähneputzen, beim rauchend aufs Handy starren und beim sinnlos erscheinenden Bewerbungen schreiben, hat sie doch keinen Schulabschluss.
Kritik
"Was würdest du jetzt gerne machen?", fragt Lisa Weber (Sitzfleisch) einmal die zentrale Protagonistin ihrer deprimierenden Milieubeschau. Die Antwort: "Heulen" Es ist tatsächlich zum Heulen. Die jämmerliche Existenz der Teenie-Mom Claudia, die mit ihrem mittlerweile 4-jährigen Sohn Daniel, Bruder Gerhard und der Mutter in einer Wiener Sozialwohnung haust, und Webers Film, der Lethargie, Faulheit, Geistlosigkeit und Aggressivität der abgebildeten Personen teilt. Die Regisseurin observiert nicht, sie führt vor. Sozialporno als kulturelle Belustigung des Bildungsbürgertums.
Manchmal fragt Weber Belangloses oder verrückt ein Möbelstück. Spektakulärere Umwälzungen beleben den Familienalltag nicht. Das ist scheinbar gewollt - von den lebenden Assi-Stereotypen, die „Initiative“ weder als Begriff noch als Aktion kennen, und der Filmemacherin. Sie untersucht keine sozialen Mechanismen oder Familienstrukturen, beleuchtet weder Hintergründe noch kausale Zusammenhänge, sondern bedient Negativklischees von Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Claudia & Co. sind ungebildet, selbstmitleidig, verbohrt, verfettet, unordentlich, faul und rechts. Ja, solche gibt es. Aber sind sie die Norm?
Das Publikum soll es jedenfalls annehmen und sich ordentlich ekeln vor den Junk-Food- und Zigaretten-Junkies, die haufenweise Ramsch kaufen, aber über Schulden jammern. Nervbratze Daniel kommt in Sachen Intelligenzmangel und Lernfaulheit offenbar nach seinem Umfeld. Das sitzt den Großteil der Laufzeit rum, qualmt vor Kindern, glotzt TV, aufs Handy oder ins Leere, zockt PC-Spiele, wobei Gerhard kommentiert: "Ich habe so viel Zeit und kein Leben." Dafür kläglichen Ruhm und vielleicht etwas Gage.
Fazit
Für eine Reportage braucht es mehr als eine Kamera, die drei Jahre in der Sozialbude einer Bekannten aufgestellt wird. Lisa Webers distanzloses Debüt führt Verkörperungen einer asozialen, arbeitsscheuen, schmarotzenden Unterschicht als dumpfe Gruselparade vor. Für Weber „Ausflüge in eine andere Welt, die mich fasziniert“. Von weiter oben auf der sozialen Leiter betrachtet ist der filmische Menschenzoo augenscheinlich erhellende Unterhaltung, nach der man die ärgsten Vorurteile übertroffen sieht und noch ein Stück bornierter das Kino verlässt.
Autor: Lida Bach