Inhalt
Nach der Lektüre eines Buches über Alchemie stellt Rose erschrocken fest, daß ihr Wohnhaus eine der drei Brutstätten der Hölle beherbergt. Zutiefst beunruhigt schreibt sie sofort an ihren Bruder Mark. Anschließend macht sie sich auf die Suche nach Indizien, die die Thesen des Buches untermauern. Doch noch bevor Mark den Brief lesen kann, müssen deswegen zwei Menschen sterben. Als er dann in New York eintrifft ist auch seine Schwester nicht mehr am Leben. Da Rose zu diesem Zeitpunkt aber lediglich vermißt wird, ahnt Mark nicht, welche Schrecken ihm noch bevorstehen...
Kritik
Wie setzt man sein persönliches Schaffen nach einem so einzigartigen und alles verändernden Meilenstein wie Suspiria fort? Diese undankbare, aber gleichwohl spannende Frage musste sich Dario Argento (Phenomena) seinerzeit stellen und stürzte sich sofort in die Produktion des zweiten Teils seiner Mütter-Trilogien namens Inferno. Drei Jahre gingen dafür ins Land und zugleich wurde es zur letzten Arbeit seines Vorbilds Mario Bava (Blutige Seide), der an den Special Effects mitwirkte und im Jahr der Premiere verstarb. Ein tragisches, ein sonderbares Omen für einen Film, der in seiner deutlich vorhandenen Abnormität einen Höhepunkt im Schaffen seines seinerzeit genialen Schöpfers darstellte. Weil er dessen einzigartigen Fähigkeiten unnachahmlich bündelte und sich im Gleichschritt einen Dreck darum scherte, wie das eventuell auf das eh schon nicht anvisierte Massen-Publikum wirken könnte. Inferno ist ein Argento zwischen Genie und Wahnsinn, aber jederzeit im positiven Bereich, was ihn so bedeutsam wie wichtig; kompliziert und konsequent erst als herausstechenden Beitrag seines Lebenswerks betitelt. Wenn sich ein Unikat wie Suspiria fortsetzen lässt, dann vermutlich nur so.
Bot Suspiria noch einen Entwicklungsprozess an, indem er eine wenigstens noch grob am klassischen Narrativ interessierte Geschichte um ein altes Hexenhaus stückweise zu einem surrealen Albtraum heraufbeschwor, fordert Inferno sofort daraus erworbenen Erkenntnisse, Sehgewohnheiten oder generell etwaige Aufgeschlossenheit ein. Hier wollen nicht unbedingt Neu- oder Quereinsteiger erreicht oder abgeholt werden, dafür ist das Ganze zu fokussiert auf seinen surrealen Rauschzustand. Suspiria führte in die bizarre Sage um die drei Mütter ein, Inferno taucht bis auf ihren Grund um mit ihr bedingungslos, mit Haut, Haar und Seele zu verschmelzen. Der Vorgänger erlaubte es noch rudimentär sich darauf auch aus einem konservativeren Blickwinkel wenigstens versuchsweise einzulassen, wohingegen hier nur noch das Erlebnis als solches das Ticket zur Hölle entwertet. Dario Argento scheint ausschließlich darauf erpicht, sein Publikum mit seinen damals noch brillanten Fähigkeiten in eine Parallelwelt zu entführen, in der ein New Yorker Appartementhaus zum schillernd-morbiden Labyrinth tief in die Abgründe des Wahnsinns wird.
Die vielen Parallelen zu Suspiria sind natürlich unübersehbar (allein die Taxi-Fahrt zum Hexenhaus zu Beginn) und selbst ästhetisch gelingt Argento eine vergleichbare Meisterleistung wie bei seinem Opus magnum. Die Aura des Todes erstrahlt in kraftvolle Blau- und Rottöne getaucht; den bitter-süßen Duft der Verdammnis, man kann ihn beinah selber riechen. Goblin verzerrte, verstörende Albraumsymphonien kommen leider nicht mehr zum Einsatz, dafür setzen Keith Emerson’s nicht minder abgründigen Komposition in Kombination mit klassischer Musik einen neuen akustischen Reizpunkt. Alles (nicht über Stimmung und Präsentation) Erzählerische ist von Anfang an höchstens sekundär, obwohl die Geschichte mit mehr Interesse daran auch einiges anbieten könnte. Erinnert teilweise an Polanski’s Wohnhaus-Trilogie (insbesondere Der Mieter), nur in keiner Weise ausformuliert. In fieberhaften Wahnvorstellungen treibt Inferno den Zuschauer vor sich her, heult mit gelegentlich erbarmungslosen Gore-Einlagen den Mond an und beschwört bei der Suche nach der Mater Tenebrarum ein faszinierendes Unbehagen herauf, mündend in einem lodernden Feuertanz, der den zweiten wie schon den ersten Akt von Argento’s Hexensabbat beschließt. Wie beschämend ist es angesichts dieser Werke, dass das „große Finale“ The Mother of Tears erst dann realisiert wurde, als der gute Dario schon leicht verwirrt sein Mojo offenbar gegen vergammelte Zauberbohnen eingetauscht hatte.
Fazit
Die grausamste der Mütter bittet zum Tanz. „Inferno“ ist eine so gnadenlos konsequente Fortsetzung zu „Suspiria“, dass sie dafür eine gewisse Opferbereitschaft bewusst in Kauf nimmt. Reduziert auf das Künstlerische, isoliert von narrativem Ballast (den Argento ja eh nie wirklich beherrschte). Ein purer, reiner Albtraum ohne Haltegriffe oder Führungsleine. Ein Strudel, in dem man sich entweder mittreissen lässt oder hoffnungslos absäuft. Bis alles wieder in Flammen aufgeht.
Autor: Jacko Kunze