Inhalt
Aus dem Jahre 1969 stammt dieser Klassiker von Federico Fellini. Basierend auf der gleichnahmigen Vorlage von Petronius versetzt Satyricon den Zuschauer zurück in das Alte Rom unter Kaiser Nero. Unter anderem erzählt Fellini die Geschichte zweier Jünglinge, die um die Gunst eines Lustknaben buhlen.
Kritik
Satyricon, lose basierend auf dem Romanfragment des antiken Dichters Petronius Arbiter, möchte als surreale Traumvision des antiken Roms verstanden werden. Frederico Fellini (Die Schwindler) widmete sich nach eher persönlichen Filmen seinem ersten Monumentalfilm, wobei auch dieser aus einer vornehmlich subjektiven Perspektive geschildert wird. So sieht sich der Zuschauer mit einer schwer zugänglichen Erzählung konfrontiert, die schnell surreale Ausmaße annimmt. Die Kulissen wirken künstlich und könnten einer Theaterbühne entsprungen sein. Die aus dem japanischen Raum stammende Filmmusik erzeugt eine abstrakte Stimmung und das Bild wird in Farbgebung und Lichteinflüssen mystisch gehalten. Alles schreit danach, dass es Fellinis persönliche Vorstellungen sind, seine Traumvision vom alten Rom, die er mit den Zuschauern teilen möchte.
Dadurch, dass der Film nie den Anspruch erhebt dokumentarisch und unmittelbar zeigen zu können, wie das antike Rom funktionierte, gelingt ihm ein Gleichnis. Der Traum, auf den uns der Film mitnimmt, erzeugt eine Stimmung, die uns ein abstraktes Verständnis dafür verleiht, wie das Leben der oberen Schichten Roms funktioniert haben muss. Als Zuschauer ist man hin und hergerissen zwischen den schönen Menschen, die sich mit noch schöneren Worten umgarnen, hinter denen sich letztlich nicht mehr als heiße Luft verbirgt, zwischen der Schönheit der Kulissen und ihrer befremdlichen Künstlichkeit, zwischen der Faszination für das hedonistische Leben der Charaktere und ihrer ebenso auffälligen Sittenlosigkeit. Aus der eigenen Ambivalenz schöpft der Zuschauer ein Verständnis für die gespaltene Gesellschaft unter Kaiser Nero, die hier abgebildet wird.
Durch die Charaktere Encolpio (Martin Potter, Tote schlafen besser), Gitone (Max Born) und Ascilto (Hiram Keller, Ein Mädchen) gelang es Fellini die Gesellschaft Roms unserer modernen Gesellschaft gegenüberzustellen. Die jungen Männer verhalten sich, als wären sie in den 70er-Jahren beheimatet, in denen der Film entstand. Satyricon nimmt die Antike als Wurzel jeglicher Zivilisation ernst und verweist darauf, wie viel von diesem nie explizit verurteiltem Lebensstil in der modernen Gesellschaft zu finden ist. Dadurch gelingt dem Film das Meisterstück, zwei Probleme des Historienfilms zu umfahren, der allzu oft einen peniblen Anspruch auf Unmittelbarkeit hegt und gleichzeitig viel zu selten Schlüsse auf die moderne Gesellschaft zieht. Hier wird eine Annäherung durch eine stilisierte Traumvision gefunden, die gleichzeitig Bezüge zum Jetzt hat.
Durch die lückenhafte Kontextualisierung von Szenen und Inhalten, teils sogar in lateinisch vorgetragenen Dialogen, wird der Film bewusst unzugänglich gehalten und dem Zuschauer genug Raum für eigene Imaginationen und Gedankengänge gelassen. So ist man ständig damit beschäftigt, sich die surrealen Szenen zu erschließen, um das Gesehene besser einordnen zu können und in dem Puzzle nach einem Sinn zu suchen, den man oft nicht finden wird. In diesen Momenten kann man die Frustration der Charaktere, die teils an ihrer eigenen Oberflächlichkeit zugrunde gehen, regelrecht nachempfinden. Satyricon ist letztlich nicht nur ein erhaben inszenierter und visuell berauschender Film, sondern auch ein forderndes Werk, das aufgrund seiner surrealen Stimmung abschreckend und überfordernd wirken kann.
Fazit
Mit "Satyricon" ist Frederico Fellini ein Meisterwerk geglückt: Der Film macht alles richtig, wenn er sich dem antiken Rom nicht unmittelbar, sondern in einer Traumvision annähert und gleichzeitig noch Parallelen zur modernen Gesellschaft zieht, womit er nicht nur die Antike als ihre Keimzelle, sondern auch seine Aufgabe als Historienfilm begreift.
Autor: Maximilian Knade