Inhalt
Nach einem Treffen mit dem neu gewählten US-Präsidenten Thaddeus Ross, gespielt von Harrison Ford, der in diesem Film sein MCU-Debüt gibt, findet sich Sam Wilson plötzlich inmitten eines internationalen Konflikts wieder. Er muss die Hintergründe eines skrupellosen, globalen Komplotts aufdecken, bevor der wahre Strippenzieher die gesamte Welt ins Chaos stürzen kann. Ein atemloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt...
Kritik
„Wunder“ ist vermutlich nicht die treffendste Beschreibung, doch eine handfeste Überraschung war The Return of the First Avenger, der vielen eher unter dem Titel The Winter Soldier bekannt ist, zweifellos. Als er 2014 in die Kinos kam, erregte er weit mehr Aufmerksamkeit als der eher müde belächelte Vorgänger The First Avenger von 2011. Das Sequel entwickelte sich zu einem der erwachsensten Filme des Marvel Cinematic Universe seiner Zeit. Ein Werk, das neben dem gewohnten Spektakel besonders durch seine ruppigere Action sowie einen politischen Thriller-Plot herausstach, der nicht nur durch die Beteiligung vom legendären Robert Redford an eine Reihe von Klassikern erinnerte. Rückblickend mag The Return of the First Avenger nicht mehr ganz so bahnbrechend erscheinen wie damals, doch er bleibt zusammen mit The First Avenger: Civil War (2016), einem Film, der de facto Avengers 2.5 war, einer der besten Titel des MCU.
Mittlerweile liegt einige Zeit hinter diesen Entwicklungen. Auch wenn das MCU bereits damals mit Anzeichen von Ermüdung kämpfte, wurde es im Vergleich zu heute immer noch als frisch und vereinzelt sogar couragiert wahrgenommen. Diese Frische ist mittlerweile nahezu gänzlich verschwunden. Seit The Marvels (2023) ist es im Kino eine Pause eingetreten – die Sonderstellung vom letztjährigen Deadpool & Wolverine mag hier außen vor bleiben.
Mit Brave New World kehrt das MCU nun jedoch zurück. Verantwortliche und Fans hoffen darauf, dass der vierte Captain America-Film an die Glanzzeiten früherer Werke anknüpft und nicht nur als Futter für die Disney+-Plattform dient. Die Besetzung könnte dabei nicht stimmiger sein: Harrison Ford ersetzt den verstorbenen William Hurt als Thaddeus Ross und bringt damit einen Hauch von Hollywood-Ruhm zurück in den Film. Diesmal steht Anthony Mackie, der die Rolle von Chris Evans als Captain America im Avengers-Finale Endgame übernommen hat, im Mittelpunkt. Bereits in der Serie The Falcon and the Winter Soldier durfte Mackie das ikonische Schild tragen – wenn auch nicht ohne dass viele Zuschauer Evans zurückwünschten. Mit Brave New World soll er nun endgültig beweisen, dass er das Zeug hat, zu einer der prägenden Figuren des modernen MCU zu gehören.
Doch das ist bei weitem nicht die spannendste Frage, die der Blockbuster aufwirft. Viel interessanter ist, inwieweit der Film tatsächlich politisch ist. In einer Zeit, in der Disney zunehmend Kompromisse eingeht – wie etwa bei der Entfernung einer Transfigur in der Pixar-Serie Win or Lose – stellt sich die Frage, wie mutig der Film in seiner politischen Haltung wirklich ist. Es mag naiv erscheinen, zu glauben, dass ein Film wie Brave New World tatsächlich bahnbrechende politische Erschütterungen auslösen könnte. Dennoch ist es aufschlussreich, welche Themen Disney im ersten großen MCU-Film des Jahres 2025 seinem Publikum und seinen Aktionären präsentiert – und welche Themen es möglicherweise bewusst meidet.
Wie politisch ist Brave New World wirklich? Der Film lässt sich unverkennbar von den Werken des politischen Paranoia-Kinos inspirieren, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Hollywood prägten. Don Siegels Telefon (1977) oder John Frankenheimers Botschafter der Angst (1962) dienten spürbar als Blaupause, wenn Captain America nicht gegen außerirdische Bedrohungen kämpft, sondern gegen Strategen, die den Lauf der Welt durch ihre Manipulationen bestimmen wollen. Doch was auf den ersten Blick nach einem ambitionierten Unterfangen klingt, offenbart bei genauerer Betrachtung eine gewisse Berechenbarkeit. Die Erzählstruktur bewegt sich innerhalb vertrauter Muster und verzichtet weitgehend auf genuine Akzente. Dennoch funktioniert das Konstrukt solide genug, um Spannung zu erzeugen.
Brave New World könnte vorgeworfen werden, dass er es an Entschlossenheit fehlen lässt, seine Geschichte konsequent auf aktuelle geopolitische Entwicklungen zu beziehen. Zwar werden Themen wie Machtmissbrauch und Korruption angesprochen, doch bleibt die Darstellung weitgehend im Unverbindlichen. Disney traut seinem Publikum offenbar nicht zu, mit komplexeren und unangenehmeren Wahrheiten konfrontiert zu werden. Die kritische Botschaft, dass politische Eliten eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen können, ist keineswegs falsch, bleibt jedoch vage genug, um nicht anzuecken. Dies eröffnet zugleich Raum für populistische Interpretationen, die das Narrativ simplifizieren könnten.
Weitaus ergiebiger ist es, sich den prägenden Elementen des Films zu widmen. Harrison Ford, der bereits in Air Force One (1997) als US-Präsident überzeugte, erhält hier keine besonders herausfordernde Rolle, füllt sie aber mit seiner gewohnten Präsenz aus. Anthony Mackie wiederum, dessen Aufstieg zum neuen Captain America in The Falcon and the Winter Soldier eher zögerlich inszeniert wurde, erhält nun endlich die Gelegenheit, sich als würdiger Nachfolger von Chris Evans zu etablieren. Besonders die Dynamik mit seinem Sidekick Joaquin Torres, gespielt von Danny Ramirez, erweist sich als gelungene Ergänzung. Die emotionalen Spannungen hingegen sind weniger präzise gesetzt und wirken bisweilen wie eine Pflichtübung, die ohne spürbare Leidenschaft absolviert wird.
Narrativ zeigt sich Brave New World als ein Film, der seine Stärken in einem gleichmäßigen Rhythmus entfaltet. MCU-Anhänger dürften sich darüber freuen – oder wahlweise ärgern –, dass offene Fragen aus Der unglaubliche Hulk (2008) und Eternals (2021) aufgegriffen und zumindest teilweise beantwortet werden. Allerdings bleibt es fraglich, ob dies wirklich als dramaturgische Bereicherung oder eher als weiteres Beispiel für die mittlerweile ermüdende Vernetzung des Marvel-Universums dient. Natürlich mangelt es auch nicht an den obligatorischen Cameos und Querverweisen auf zukünftige Produktionen.
Besonders überzeugend ist Brave New World in jenen Momenten, in denen er seine eigene Identität findet. Wenn die Action, die zwar nicht herausragend, aber durchaus ansehnlich ausfällt, sich auf ein bodenständigeres Maß beschränkt und die Protagonisten mehr als Ermittler agieren, statt als übermächtige Helden inszeniert zu werden, entfaltet der Film seinen größten Reiz. Vor allem Giancarlo Esposito gehören mit die besten Szenen, weil seine Figur - trotz aller Leere - mit den meisten Eindruck hinterlässt. Der Red Hulk, der bereits im Marketing vorweg genommen wurde, ist hingegen mehr klassische MCU-Spektakel-Berieselung, ohne wirklichen Mehrwert. Dabei ist es doch eigentlich hochspannend, dass Ross genau zu dem Monster wird, was er solange bekämpft hat. Aber so ergründlich ist das Script, bei dem auch Regisseur Julius Onah mitgewirkt hat, nicht.
Dafür gelingt Onah eine solide Inszenierung, auch wenn in der zweiten Hälfte des Films verstärkt Szenen auftauchen, deren Herkunft aus dem Green-Screen-Studio allzu offensichtlich ist. Möglicherweise sind dies Nachwirkungen der zahlreichen Nachdrehs, von denen im Vorfeld berichtet wurde. Dennoch bleibt Brave New World visuell ansprechend genug, um sich von den schwächeren Vertretern des Franchise abzusetzen.
Letztlich erweist sich der Film als ein Werk, das dem MCU keinen frischen Wind verleiht, es aber auch nicht weiter in die Krise stürzt. Er steht als solides Bindeglied zwischen vergangenen und zukünftigen Erzählsträngen und bestätigt einmal mehr, dass Marvels Kino-Universum mittlerweile mehr als eine in sich geschlossene Reihe von Filmen fungiert – es ist ein unaufhörlicher Teaser für das nächste Projekt, das wiederum auf ein weiteres verweist und so weiter. Ob kommende Titel wie Thunderbolts* oder Fantastic Four: First Steps das Franchise aus seiner kreativen Orientierungslosigkeit befreien können, bleibt abzuwarten.
Fazit
Ein versierter Balanceakt zwischen vertrauter Erzählstruktur und sporadischen Glanzmomenten: Was als politischer Thriller anmutet, bleibt letztlich kalkuliert und risikolos. Handwerklich solide, schauspielerisch routiniert, doch ohne nachhaltige Impulse – ein unterhaltsames Fragment eines endlosen Erzählkonstrukts, das mehr überbrückt als bewegt.