Inhalt
Während der Prohibition war Gangster Roy Earle eine große Nummer: Jetzt wird er aus dem Gefängnis entlassen und muss sich plötzlich in zwei ungewohnten Welten zurechtfinden: in den swingenden 40er-Jahren und im majestätischen Gebirgspanorama der High Sierra. Dieser temporeiche Film ist die faszinierende Studie eines Mannes, an dem die Zeit vorübergegangen ist: Earle versteht die von ihrem Land vertriebenen Bauern aus Oklahoma besser als die halbstarken Grünschnäbel, mit denen er einen Überfall auf ein Hotel wagt. Dann verlässt ihn das blutjunge Mädchen, das er liebt. Nur die abgeklärte Marie, die sich wie er an die alten Zeiten erinnert, hält zu ihm, als die Cops ihn in die Enge treiben.
Kritik
Schon allein das Datum der Erstveröffentlichung macht Entscheidung in der Sierra zu einem außergewöhnlichen Film Noir, denn tatsächlich ist der Kriminalfilm von Raoul Walsh (Die wilden Zwanziger) kurz vor Die Spur des Falken erschienen. Jenem Film, der weitläufig als Beginn der schwarzen Serie anerkannt wird und Humphrey Bogart in ein Aushängeschild der Strömung verwandelt hat. Wie Entscheidung in der Sierra beweist, war er jedoch bereits eine Ikone, bevor er eine Ikone wurde. Mit griesgrämigen Blick und einer leicht naiven Ehrlichkeit mimt er einen ambivalenten Bankräuber, der nach Jahren aus dem Gefängnis freikommt und mit dem modernen Leben nicht mehr wirklich Schritt halten kann. Statt einen Raubüberfall mit zwei Grünschnäbeln durchzuziehen, sehnt er sich nach einer bürgerlichen Familie und einem unschuldigen Mädchen. Eine Sehnsucht, die nicht aufgehen sollte.
Wie auch? Schließlich befinden wir uns bereits in den destruktiven Gefilden des Films Noirs und mit einem Happy End ist daher ohnehin nicht zu retten. Von seinen Komplizen enttäuscht und verraten, abgewandt von Freunden und Familie muss er sich letztlich geschlagen geben. In einer gar majestätischen Kulisse hat sein letztes Stündchen geschlagen, sobald der Unglückshund bellt, ist sein Schicksal besiegelt. Dabei scheinen die Berge gar nicht zu ihm zu passen, denn sonderlich erhaben ist Roy Earles Auftritt nie gewesen. Vielleicht war er es vor seinem Gefängnisaufenthalt, wir wissen es nicht. Von einer unterschwelligen Coolness und Lethargie geprägt, ja, darüber hinaus aber auch nur ein Gesicht in der Masse. Ein charismatisches ohne Zweifel, aber dennoch gelingt es Bogart ausgezeichnet einen verurteilten Bankräuber als liebenswerten Mann von nebenan zu verkaufen.
So ganz will der restliche Film aber nicht mit der Tiefe seiner Hauptfigur mithalten. Mitunter zu viel Herumgeplänkel und plattgetretene Allüren verhindern den vollen Anschlag der Spannungsschraube und so ist Entscheidung in der Sierra nie vollends auf seinem bestmöglichen Niveau. Stimmungsvoll und elegant eingefangen, inhaltlich aber schlichtweg erwartungsgetreu. Vielleicht macht diese Unregelmäßigkeit aber auch erst den Film aus. Schließlich ist Entscheidung in der Sierra selbst eine Abweichung von der Norm, ein Film Noir außerhalb des Rasters. Ein Beweis dafür, dass man gerade zeitliche Grenzen gerne ausreizen, überdehnen und großzügig auslegen sollte, denn im Gegenteil zu den Filmrollen auf die er gebannt wird, lässt sich ein guter Film selbst kaum in ein Schema pressen.
Fazit
„Entscheidung in der Sierra“ ist ein – nicht nur für seine Entstehungszeit – überraschend vielschichtiger Film Noir, der neben seinem erwartungsgerechten Kriminalmilieu vor allem die Frage verhandelt, was passiert, wenn die Welt sich weiterbewegt hat, aber man selbst dabei stehen geblieben ist. Griesgrämig aber stilvoll mimt Humphrey Bogart einen Mann zwischen zwei Fronten.
Autor: Dominic Hochholzer