Inhalt
Psychiater Isaac Barr lernt über seine Patienten Diana deren Schwester Heather kennen und beginnt eine Affäre mit ihr, obwohl sie verheiratet ist. Die Ehe mit dem Ganoven Jimmy ist gezeichnet von Gewalt und Demütigungen. Als Heather Jimmy erschlägt, übernimmt Isaacs Freund die Verteidigung und gemeinsam entwickeln sie eine Strategie, um Heather vor dem Gefängnis zu bewahren. Diese scheint aufzugehen, bis Isaac über Ungereimtheiten stolpert.
Kritik
In den frühen 90ern kam es im US-Mainstreamkino zu einem wahren Boom des Erotikthrillers (für US-Verhältnisse, sprich alles noch sehr zugeknüpft, trotzdem automatisch so was wie verrucht) und sogar noch einen Monat vor DEM diesbezüglichen Straßenfeger und Hosenstallöffner Basic Instinct feierte Eiskalte Leidenschaft seine Premiere. Im Prinzip zum perfekten Zeitpunkt und mit einer absoluten Idealbesetzung, schließlich waren Richard Gere (Ein Offizier und Gentleman) und Kim Basinger (9 ½ Wochen) die Hottis des ausgegangenen Jahrzehnts, die zudem schon ihre gemeinsame Chemie auf der Leinwand erfolgreich bewiesen hatten (Gnadenlos, 1986). Richard Gere war offensichtlich sehr von diesem Projekt überzeugt und produzierte es direkt mit und als Regisseur konnte Phil Joanou gewonnen werden, der unmittelbar zuvor mit dem starbesetzten Gangsterfilm Im Vorhof der Hölle einen Achtungserfolg hingelegt hatte. Auf dem Papier eine potenziell sichere Sache, in der Realität eine Ernüchterung. Am Boxoffice enttäuschend (im Vergleich zu Basic Instinct gar ein Witz), bei der Kritik sehr gemischt aufgenommen und bei den Razzi-Awards gleich dreimal nominiert (für Kim Basinger, die Fotografie und das Drehbuch). Für Joanou zugleich der Todesstoß seiner Karriere, zumindest als Filmregisseur, dass wenige Folgende war dann auch noch kaum der Rede wert.
Dabei ist Eiskalte Leidenschaft in vielerlei Hinsicht gar nicht so schlecht und unbestreitbar zumindest halbwegs unterhaltsam, er übernimmt sich nur ganz gewaltig in seinem Vorhaben. Anspruch und Wirklichkeit prallen hier ab etwa der Hälfte ziemlich ungefiltert aufeinander und die zahlreichen Stolperfallen des überkonstruierten Scripts lassen leider auch den als durchaus gelungen abgestempelten Vorlauf rückwirkend in keinem guten Licht dastehen. Im Mittelpunkt steht Psychiater Isaac Barr (Richard Gere), der die durch frühkindlichen Missbrauch traumatisierte Diana (Uma Thurman, Pulp Fiction) therapiert. Um mehr über die familiären Verhältnisse zu erfahren, sucht er den Kontakt zu ihrer älteren Schwester Heather (Kim Basinger) und statt professioneller Distanz kommt es schnell zu ziemlich intimer Nähe zwischen ihnen. Doch Heather ist mit dem skrupellosen und bei der Justiz nicht unbekannten Bauunternehmer Jimmy Evans (großartig widerwärtig: Eric Roberts, Express in die Hölle) verheiratet, der sie nicht aus seinen brutalen Fängen lässt. Es wird eine Ereigniskette in Gang gebracht, die das Leben aller Beteiligten kräftig aus der Bahn wirft und am Ende die Frage stellt, wer hier wen wegen was über die Klinge springen lassen will…oder auch nicht?!
Der Anfang ist wirklich stimmig und verbindet sehr effektiv den Vibe des hochbudgetierten, Hochglanz-90er-Jahre-Genrekinos mit den ganz klassischen Motiven aus der Hochzeit des Thrillers. Das ist typischer Film Noir Stoff und besonders die Hitchcock-Referenzen werden einem hier links und rechts um die Ohren gehauen. Das ist eine ganze Weile auch gar nicht verkehrt und besonders die Referenzen an Vertigo – Aus dem Reich der Toten sind von Inhalt und Stilistik stellenweise respektvoll und könnten sogar angemessen sein – wenn diese verfluchte zweite Hälfte nicht wäre. Wenn man Eiskalte Leidenschaft irgendetwas nicht vorwerfen kann, dann ist es Langweile oder temporäre Durchhänger. Hier passiert immer etwas und die knapp 120 Minuten vergehen wie im Flug. Die Darsteller sind durchgehend bemüht und speziell die Razzi-Nominierung von Kim Basinger ist schlichtes Bashing, die Dame war oftmals wesentlich schlechter und selbst bei ihrer Oscar-prämierten Performance von L.A. Confidential auch nicht wirklich herausragend. Ihren Part erfüllt sie absolut souverän und wenn hier irgendwas am Pranger steht, dann einzig und allein das Drehbuch. Die angeblich so schlechte Fotografie konnte auch unter größte Bemühungen nicht ausgemacht werden, zumindest um da einen desaströsen Tiefpunkt zu benennen.
Spoiler sollen an dieser Stelle selbstverständlich vermieden werden und somit kann nicht im Detail erläutert werden, warum das Ganze hinten und vorne nicht funktioniert, aber wir handeln es mal etwas allgemeiner ab. Der Film schildert dem Publikum gewisse Szenen, die rückwirkend keinen Sinn ergeben, da sie scheinbar nur für die Zusehenden so inszeniert wurden. Nach der Logik des Plots dürften gewisse Momente so gar nicht stattgefunden haben oder würden normalerweise ganz anders aussehen, aber da das Publikum an der Nase herumgeführt werden muss, wird praktisch so getan, als wüssten die handelnden Personen, dass sie gerade beobachtet werden und bleiben in einer Rolle. Wenn dann am Ende gewisse Twist aus dem Hut geworfen werden, fühlt man sich ein Stückweit für dumm verkauft, denn für wen wurde dieses Kasperletheater in gewissen Situationen vorgetragen? Der Film zeigt zu Beginn viel zu viel, so dass seine eigene Kohärenz irgendwann krachend in sich zusammenfällt und man das Gefühl hat, die Drehbuchautoren hätten jeden Tag ein neues Element hinzugefügt und gar nicht gemerkt, dass das Gesamte dadurch ad absurdum geführt wird.
So mündet Eiskalte Leidenschaft irgendwann in atemlosen Edeltrash, der trotzdem noch getragen wird von einem verblüffend engagierten Cast und einem nimmermüden Plot-Twist-Gewitter, das gar keinen Sinn mehr macht, aber über einen schrulligen Entertainment-Faktor verfügt. Man wollte hier richtig viel und bemerkt in dieser selbstbesoffenen Euphorie gar nicht, wie sehr alles mit Karacho an die Wand gefahren wird, aber auch das hat einen gewissen Reiz. Ein guter Film kommt dabei freilich nicht heraus, aber ein ziemlich interessant gescheiterter, der über ambitionierte Ansätze verfügt und in seinem Carcrash-Auftreten zumindest nicht langweilt.
Fazit
In der Theorie sicherlich gar nicht schlecht, in der handwerklichen Umsetzung auch nicht. In der Praxis allerdings eigentlich nah am narrativen Kollaps, da hier selbst der anfangs solide wirkende Aufbau hinten raus mit dem wild rumfuchtelnden Hinterteil wieder eingerissen wird. Ein mit Hommagen vollgestopfter Möchtegern-Smarty-Thriller, der in seinem überfrachteten Chaos aber trotzdem irgendwie Spaß macht, wenn auch nicht unbedingt aus den angepeilten Gründen. Dem beim Scheitern zuzusehen macht einfach viel mehr Spaß als vielen Filmen in ihrer öden Belanglosigkeit.
Autor: Jacko Kunze