Inhalt
High Noon auf den Straßen von Paris: Yann Lepentrenc alias "Dobermann" plant mit seiner Gang einen großen Coup: mehrere Banken sollen nacheinander ausgeraubt werden. An seiner Seite: Freundin Nat, taube Spezialistin für Explosives, Moustique, auch auf dem Tennisplatz nie ohne Waffe, Pitbull, Kindskopf und Killermaschine und der Priester Lefèvre, mit Handgranaten unter der Soutane und einem frommen Spruch auf den Lippen. Ihr Gegenspieler: der Teufel mit Polizeimarke, Inspektor Christini...
Kritik
Auf der Suche nach einem Drehbuch für sein Spielfilmdebüt stieß der Regisseur Jan Kounen Mitte der 1990er Jahre auf die Buchserie Le Dobermann von Joël Houssin. Einige Jahre später wurde der Gangsterfilm mit Vincent Cassel (Hass) als Yann le Pentrec alias Dobermann veröffentlicht. In Deutschland erschien Dobermann Direct-to-Video als VHS auf dem Heimvideomarkt. Doch die Auswertung sollte nur von kurzer Dauer sein, denn die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierte Dobermann am 31.07.1999 und nahm den Film vom Markt. Im Jahr 2011 erfolgte die Listenstreichung und Dobermann erschien als ungeschnittene Version.
Die Indizierung sorgte damals für reichlich Unverständnis. Denn Dobermann hat zwar einige brutale Gewalteinlagen zu bieten doch waren auch diese bereits im Jahr 1999, dem Jahr der Indizierung, schon teilweise überholt bzw. war man durchaus härteres Material gewohnt. Vielmehr dürfte sich die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien an den moralischen Wertvorstellungen gestoßen haben. Es ist eine berechtigte Kritik, denn die Grenzen des Guten und Bösen verschwimmen in Dobermann. Es ist die Bereitschaft zur Gewalt, die sowohl die Polizei als auch die Gangster an den Tag legen. Und gerade das Handeln der exekutiven Gewalt in Dobermann widerstrebt den gängigen Normen und Werten ungemein. Sie setzt Regeln außer Kraft, mordet und foltert ohne Bedenken und vor allem ohne Konsequenzen. Allen voran Inspecteur Sauveur Christini (Tchéky Karyo; Nikita), der hemmungslos seinen Trieben folgt und die Bande um jeden Preis stellen möchte.
Jan Kounen dreht in Dobermann bewusst voll auf und bewegt sich inszenatorisch Abseits der gängigen Sehgewohnheiten. Und auch mit den schwarzhumorigen Einlagen balanciert Kounen scharf auf der Grenze des guten Geschmacks. Kounen zeigt in Dobermann, dass er ähnlich transzendent, wie sein Freund und Kollege Gaspar Noé (Irreversible), der in Dobermann sogar einen Cameo-Auftritt hat, auftreten kann. Während Noé die Grenzüberschreitung und seinen eigenen Stil schon damals konsequent durchgezogen hat, schafft es der in den Niederlanden geborene Kounen in Dobermann nicht immer seinen Fokus zu finden. Seine vorherigen Arbeiten im Musikvideo-Bereich erahnt man hier schon sehr. Hat Dobermann doch oft eine Musikvideo-Ästhetik, die es nie ablegen kann. Die Kamera ist immer dicht an den Protagonisten, wackelt herum und zieht von rechts nach links, von unten nach oben. Es ist ein Stil, der die raue Tonalität des eigentlichen Films nicht immer gerecht wird.
Dobermann ist ein sehr ambivalentes Seherlebnis. Viele Szenen oder Situationen lassen einen kopfschüttelnd zurück. Ob der politisch unkorrekten Textpassagen, der übertriebenen Gewalt, der fehlenden Motivation einzelner Figuren oder auch einfach der fehlenden Handlung. Und doch macht Dobermann zeitweise einfach Spaß und unterhält. Man sieht diesen überzeichneten Figuren stirnrunzelnd gerne zu. Es sind die Figuren von Vincent Cassel, der mit seiner Coolness, seinem messerscharfen Blick und seiner Lockenpracht alles vereinnahmt. Oder auch Monica Bellucci (Der Zauber von Maèna) als Nathalie, die die Männer in ihrer Umgebung immer wieder verunsichert. Es ist der nervöse Moustique, der ständig einen Finger am Abzug seiner Knarre hat. Man fühlt mit ihnen, wenn sie gegen den faschistoiden Cop Christini bestehen müssen. Dobermann entwickelte sich nicht zuletzt auch deshalb zu einem Film, der einen gewissen Kultstatus hat. Einen Status den der Film aus meiner Sicht nicht immer gerecht wird. Denn hinter der kurzweiligen Unterhaltung ist Dobermann dann doch sehr aus der Zeit gefallen - ob nun visuell oder auch auf moralischer Ebene.
Fazit
Jan Kounen hat mit "Dobermann" einen brutalen, politisch unkorrekten und überzeichneten Gangsterfilm gedreht, der leider nur im Ansatz durch seine überdrehten Figuren einen Unterhaltungswert erzeugen kann. Eine spannende Handlung oder gar einen Tiefgang sollte man nicht erwarten.
Autor: Marco Schilke