Inhalt
Die 16- oder 17-jährige[1] Schülerin Simone schwärmt für einen Star der Neuen Deutschen Welle, der sich mit Künstlernamen „R“ nennt. Obwohl er ihre glühenden Liebesbriefe bisher nicht beantwortet hat, steigert sie sich in den Wahn hinein, R müsse auch sie lieben und warte nur darauf, dass sie zu ihm kommt. Sie schwänzt die Schule und gibt sich in Tagträumen der imaginären Liebesbeziehung mit ihrem Idol hin. Nach einem Streit mit ihren Eltern wegen ihrer Schulprobleme reißt Simone aus und begibt sich per Anhalter nach München, wo R bei einer Fernsehaufzeichnung auftreten soll. Ein älterer Autofahrer mit Hund nimmt sie mit. Als er sie auf einem Rastplatz sexuell belästigt, gelingt es ihr zu fliehen.
Kritik
Zeiten waren das, meine Herren: Die deutsche Filmkultur hat sich nicht nur darauf versteift, romantische Komödien oder oft nicht minder weichgespülte Aufbereitungen des zweiten Weltkrieges respektive der DDR in die Kinos zu spülen, sondern gleichwohl den Mut aufgebracht, dem Publikum auch mal richtig deftige Exploitation zuzumuten. Zeiten, wie zum Beispiel die 1980er Jahre, in denen „Der Fan“ von Eckhart Schmidt emphatisch durch die Lichtspielhäuser geisterte und eine Kontroverse nach der anderen heraufbeschwor. Die damalige „Musicbox“-Moderatorin Desirée Nosbusch galt in jenen Tagen noch selbst als Vorzeigeperson der Jugendkultur, ließ mit ihrer Verkörperung der Simone in „Der Fan“ aber von heute auf morgen deutliche Risse in ihrem sauberen Image aufkommen. Dass sich der „Der Fan“ inzwischen natürlich beinahe ausschließlich wie ein Relikt aus einer Epoche lesen lässt, die nunmehr vollständig der Verschwommenheit anheim gefallen scheint, macht den Film in seinem subversiven Garen letztlich umso wertvoller: Der deutsche Film, er war nicht immer so bieder und philiströs.
Dabei ist es natürlich hochgradiger Unsinn, dem deutschen Film für tot zu erklären, allerdings hat sich schon seit Jahren ein Gefühl der Starre eingeschlichen, auch wenn der Blick unter die Oberfläche des teutonischen Outputs schnell Aufschluss darüber gibt, dass es immer noch Filmemacher in Deutschland gibt, die ambitioniert genug sind, um einen Blick über den Tellerrand des Mainstreams zu wagen. Mit Sicherheit würde ein Film wie „Der Fan“, wäre es eine Produktion dieser Tage, immer noch das Zeug dazu haben, in Windeseile von sich reden zu machen, wenngleich, sich auch um „Der Fan“, und das hat ja auch etwas angenehm Kindliches, nach wie vor unzählige amüsierende Mythen ranken würden. So viel aber sei gesagt: Eckhart Schmidt, ein ehemaliger Schreiberling des Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, hat mit „Der Fan“ definitiv einen Film auf die Beine gestellt, der zu bedrängen weiß, der den Zuschauer direkt in das seelisch-pathologische Gefängnis von Machtverhältnissen zerrt. Die 16-jährige Simone nämlich hegt eine obsessive Leidenschaft für den Neue-Deutsche-Welle-Sänger „R“ (Bodo Steiger). In ihrem Kopf führt sie intime Dialoge mit ihrem Idol, doch auf ihre Briefe möchte der aufgehende Star am Pophimmel einfach nicht antworten.
Und so stellt sie „R“ ein Ultimatum von sieben Tagen: Antwortet er nicht, sieht sich Simone gezwungen, den Sänger persönlich aufzusuchen. „Der Fan“ zeichnet Simone dabei als ein Mädchen, dass in ihrer sozialen Entwicklung vollkommen zurückgebildet scheint, der Blick ist leer, ständig ist sie in Gedanken versuchen, kaum noch in der Lage, mit den Menschen in ihrem Umfeld ein normales Gespräch zu führen: Läuft etwas nicht nach ihren Wünschen, brechen Aggressionen in wenigen Sekunden aus ihr heraus. Eckhart Schmidt gelingt es mit „Der Fan“ außerordentlich gut, den Zuschauer in die Wahnsinn von Simones Traumwelt zu führen und ihre unlängst verselbstständigte Abhängigkeit graduell zu radikalisieren. „Der Fan“ pervertiert und pathologisiert die Fan-Idol-Beziehung bis zum Äußersten: In den letzten tranceartigen 20 Minuten jedenfalls ist der kalte Schauer unvermeidbar. Dass sich der Film allerdings etwas zu affektiert und gestelzt gibt, das Voice Over von Desireé Nosbusch etwas zu monoton und so manche bedeutungsschwangere Geste als theatralisch-selbstbesoffenes Gebaren artikuliert, lässt den ohnehin verkopften Gestus von „Der Fan“ auch ins Prätentiöse ausschlagen.
Fazit
Gerade in der heutigen Zeit ist es interessant zu sehen, in welcher Lage das deutsche Kino einmal war: „Der Fan“ ist ein Exploiter, der die destruktiven Stufen der Abhängigkeit durchspielt und die Fan-Idol-Beziehung bis zum Äußersten radikalisiert. Dass Eckhart Schmidt seinen damaligen Skandalfilm aber nicht davor bewahren kann, ins Überkandidelt-Affektierte auszuschlagen, mag „Der Fan“ eine gewisse unfreiwillige Komik anheften, ein bedrängendes, interessantes Stück deutsche Filmkultur aber bleibt bestehen.
Autor: Pascal Reis