Inhalt
Avanti Planetaros, bislang Seekapitän, startet in einem Raumschiff, das sein Vater, ein Astronom, konstruiert hat, zum Mars. Die Reise verläuft nicht störungsfrei: Der amerikanische »Astronaut« David Dane greift zum Alkohol, dann droht eine Meuterei. Auf dem Mars begegnet der Besatzung der »Excelsior« eine Hochkultur aus Pazifisten und Vegetariern; sogar einen übereilten Schusswaffengebrauch verzeihen die Marsianer den Erdenbürgern. In Marya, der Tochter des regierenden Weisheitsfürsten, findet Avanti Planetaros seinen »Lebensmenschen«. Auf der Heimreise begleitet sie ihn, um die Menschheit zur Vernunft zu bekehren …
Kritik
Holger-Madsens träumerische Weltraumoper ist einer der fast vergessenen Schätze, die wiederzuentdecken die Berlinale Retrospektive alljährlich einlädt. Selbst von jenen, die mit dem Stummfilm vertraut sind, dürften nur die Wenige das selten gezeigte Glanzstück des dänischen Filmemachers gesehen haben. Auf der großen Leinwand ist die obskure Romanze der Anfangsära des Science-Fiction-Kinos eine Entdeckung im doppelten Sinne. Erst hier kommen der verspielte Jugendstilprunk und die aufwendigen Kulissen zur Geltung. Demgegenüber wirkt der Plot bei flüchtiger Betrachtung wie ein naives Lehrstück, das sich besser durch Kenntnis der Vorlage und des historischen Kontexts erschließt.
Drehbuchautor Sophus Michaelis war vorrangig Dichter, seinerzeit einer der populärsten des Landes. Die Symbolebene der Geschichte, deren Protagonisten sprechende Namen tragen, liegt schon im Originaltitel. Er lässt sich mit „Schiff zum Himmel“ übersetzen. Der heldenhafte Captain Avanti Planetaros (Gunnar Tolnas) fliegt im von Papa Professor Planetaros (Nicolai Neiiendam) konstruierten Raumschiff zu einem sinnbildlichen Garten Eden. Dort empfangen ihn und seinen Assistenten Dr. Krafft (Alf Blütecher) extraterrestrische New-Age-Kids in weißen Roben und mit Blumen im Haar. Flower Power! Die menschengleiche Rasse lebt vegetarisch, naturverbunden und friedfertig. Ein mutwillig geschossener Vogel wird hier fast zum Albatros um Avantis Hals.
Die Strafe? Über seine Untat nachdenken! Avanti denkt inzwischen am Liebsten an Marya (Lilly Jacobson), die den Besuchern Kultur und Geschichte ihres Planeten nahebringt. Auf dem Roten Planeten war nicht immer alles Tanz und Tralala. Aber aus Fehlern lässt sich lernen, deshalb besteht sogar für die Dosenfleisch fressenden, verlogenen, versoffenen Erdbewohner Hoffnung. Diese mit der Philosophie der Marsmenschen zu verbreiten ist nicht nur erklärte Absicht Maryas, sondern das elementare Anliegen des gegen Ende des Ersten Weltkriegs entstandenen Films. Die kindliche Vision von harmonischer Eintracht zwischen Mensch und Natur sowie den Bewohnern verschiedener Kulturen ist in einer Gegenwart voller Xenophobie, Hass und Verachtung für Natur und Wissenschaft wieder traurig aktuell.
Fazit
Zwar reicht Holger-Madsens Stummfilm nicht an den Zauber von Méliés Meisterwerken heran, aber das Weltraummärchen besticht dennoch dank innovativer Spannungselemente und Denkanstöße. Die pazifistische Botschaft und die dezidierte Kritik an Obskurantismus bleiben die Ausnahme eines oft auf paranoide Gewalt fixierten Kanon.
Autor: Lida Bach