Man möchte sich zu der Aussage hinreißen lassen, dass Da 5 Bloods von Spike Lee (BlackKklansman) den richtigen Film zur richtigen Zeit darstellt. Jetzt, wo Menschen seit dem qualvollen Tod von George Floyd wieder zu Hunderttausenden auf die Straßen gehen, um gegen institutionellen Rassismus zu protestieren. Jetzt, wo Autos wieder lichterloh brennen, wo Randale zu Plünderungen führen und Menschen sich auf offener Straße gegenseitig erschütternder Brutalität aussetzen. Allerdings gab es nie eine Zeit, in der ein solcher Film wie Da 5 Bloods unpassend gewesen wäre. Spike Lee, ein sicherlich streitbarer Künstler, der mit Do the Right Thing jedoch einen der wichtigsten amerikanischen Filme aller Zeiten gedreht hat, weiß um diesen Umstand ganz genau. So genau, dass er die Zeitlosigkeit von systematischer Unterdrückung geradewegs zum Leitthema seines neuen Werkes erklärt.
Jene verstörende Zeitlosigkeit, die Spike Lee nun seit Jahrzehnten in dem gesellschaftlichen und sozialen Gewaltsystem erkennt, dem sich Afroamerikanern schon immer ausgesetzt sahen, wird in Da 5 Bloods vom Vietnamkrieg gerahmt. Dem Krieg, in dem ein Drittel der amerikanischen Soldaten schwarz gewesen ist. Dem Krieg, der Rechte verheißen ließ, die vor allem Afroamerikaner niemals für sich beanspruchen durften. Dem Krieg, schmutziger als alle anderen, aus dem Amerika letztlich als Verlierer hervorging. In Zentrum der Geschichte stehen dabei vier alternde Veteranen (Delroy Lindo, Isiah Whitlock Jr., Clarke Peters und Norm Lewis), die zurück nach Vietnam reisen, um nicht nur die Gebeine ihres ehemaligen Anführers (Black Panther-Star Chadwick Boseman) ausfindig zu machen und ihm so die letzte Ehre erweisen, sondern auch, um eine Kiste voller Goldbarren zu bergen.
Interessant an Da 5 Bloods ist nicht nur, wie Spike Lee es beherrscht, die Gesetze der Zeit aufzulösen, um aufzuzeigen, dass das Ende des Krieges eine Illusion ist. Es gelingt ihm auch, die Missstände, die Ungerechtigkeit, den Rassismus fortwährend zwischen dem Damals und dem Heute abzugleichen, um letztlich zu einer bitteren Erkenntnis zu kommen: Geändert hat sich rein gar nichts. Nein, in Wahrheit haben sich die Schlachtfelder noch vergrößert, die Fronten sind gewachsen. Das zeigt sich in Da 5 Bloods sowohl in der Rückkehr nach Vietnam, die zuvorderst den Anschein erweckt, als würde hier eine Gruppe Touristen durch die Geisterlandschaft ihrer eigenen Vergangenheit waten. Wird jedoch gleichwohl mit gegenwärtigen, tagesaktuellen Bezügen gespiegelt, wenn in der Heimat die Polizei mal wieder vollkommen unverhältnismäßig zum Knüppel greift.
Um die Überzeitlichkeit noch ein Stück weiter zu akzentuieren, besetzt Spike Lee in den Rückblenden keine jungen Schauspieler für die Szenen aus dem Vietnamkrieg, sondern lässt Delroy Lindo, Isiah Whitlock Jr. und Co. zur Waffe greifen und in die Schlacht gegen den Vietcong ziehen. Da 5 Bloods, der sich natürlich größtenteils als ernstes, eindringliches, profundes Kino versteht, trägt dabei immer wieder eine angenehme satirische Note mit sich, die nicht zuletzt die verspielt-vitalen und ebenso ergreifenden Gestus eines Quentin Tarantino (Once Upon a Time... in Hollywood) erinnert. Lee macht es bisweilen im Genre-Sandkasten gemütlich und zitiert Klassiker wie Apocalypse Now und Der Schatz der Sierra Madre mit einem wohligen Augenzwinkern, um den US-amerikanischen Vietnamfilm zu persiflieren und zu reproduzieren.
Dadurch eignet sich Da 5 Bloods eine so krude wie mitreißende Tonalität an, die diesen eindringlichen Blick in die schwarze US-Seele keinesfalls als subtil gelten lässt, ihn in seinem herausfordernden Anspruch, die Welt aufrütteln zu wollen, aber nach wie vor verlässlich Treffer in Gewissen und Magen landen lässt. Das Band, welches Spike Lee zwischen dem Film und seinem Publikum knüpft, ist ein gewohnt enges und kontinuierlich auf Affekte setzendes. Man kann das – wie schon bei BlackKklansman – durchaus plakativ und manipulativ empfinden. Mit Da 5 Bloods allerdings beweist Spike Lee nicht nur, dass er das Kino und all seine Formen und Formen liebt. Er beweist auch, dass er mit Mitte 60 und unzähligen thematisch ähnlichen Filmen immer noch in der Lage ist, eine neue Perspektive auf das Kernmotiv seines Schaffens und seines Wesens zu finden.