Inhalt
Ein in die Jahre gekommener Ex-Rodeo-Star wird 1978 von seinem ehemaligen Boss beauftragt, seinen minderjährigen Sohn aus den Fängen seiner alkoholkranken Mutter zu befreien und von Mexiko nach Texas zu eskotieren. Eine Geschichte der ganz besonderen Ferundschaft – basierend auf dem gleichnamigen Roman von N. Richard Nash aus dem Jahre 1975.
Kritik
Der Westernheld, der in den Sonnenuntergang reitet, gehört zu den ikonischsten Bildern der amerikanischen Mythologie. Kaum ein anderer Actionheld ist dabei so oft gen Horizont geritten wie Clint Eastwood, der nun in Cry Macho sein edles Ross gegen ein mechanisches Gefährt und das Schießeisen durch seine eloquente sowie spitzzüngige Rhetorik ausgetauscht hat. Denn sein mittlerweile 40. Regiewerk erzählt nicht nur die Geschichte eines stoischen Greises auf der Suche nach einem letzten bedeutsamen Atemzug, sondern reflektiert auch über das Vermächtnis eines Mannes, der seit mehr als einem halben Jahrhundert im Sattel sitzt. In anderen Worten: Cry Macho zeigt in erster Linie, wie ein Westernabenteuer mit einem uralten Helden aussieht.
Die große Last, die ein Westernheld ertragen muss, ist der Mantel der Einsamkeit, den es sich aus einer inneren Tugend selbst auferlegt. In diesen Mantel hat sich auch Mike Milo (Clint Eastwood) gehüllt, nachdem seine Ehefrau sowie seine Tochter bei einem Unfall ums Leben kamen. Seitdem greift der Greis zur Flasche, verleibt sich übermäßig viele Schmerztabletten und verwahrlost als einstiger Rodeo-Star in einem Leben voller alltäglicher Bedeutungslosigkeiten. Doch als ihn ein alter Freund (Dwight Yoakham) um Hilfe bittet und einen Gefallen von ihm einfordert, macht sich der postmoderne Westernheld auf, um den 13-jährigen Sohn (Eduardo Minett) des besagten Freundes von Mexiko nach Texas zu bringen. Ein Unterfangen, das sich natürlich nicht so leicht erweist, wie geplant.
Cry Macho skizziert mit diesem Abenteuer allem voran einen Helden, der seinem Publikum vor Augen führt, dass ein Actionheld irgendwann zu alt für die Action wird, wohingegen heldenhafte Taten keine Altersgrenze kennen. Der hochgelobte amerikanische Individualismus trägt hier keinen Revolver um die Hüfte, sondern humpelt mit gebücktem Rücken und tiefen Falten durchs Bild. Demnach liegt der Fokus nicht auf den wenigen turbulenten Szenen, sondern vielmehr auf der Mentalität, die sich in den dominierenden Momenten der Entschleunigung wiederfindet. Diese Momente sind einfühlsam und behutsam inszeniert und hinterlassen einen Eindruck, allerdings auch aufgrund des exorbitanten Sentimentalitätsanstrichs. Letztendlich ist genau dieser nämlich das große Problem, der dem rund 100-minütige Roadtrip den Wind aus den Segeln nimmt.
Denn neben dem Bruch mit dem eigenen Image sowie der Chemie zwischen dem Griesgram und dem Jüngling – die Eastwood bereits in Gran Torino wesentlich feinfühliger gelungen ist – bleibt an dem archetypischen Konstrukt einer Altherrenreise nicht viel mehr übrig, außer ein paar Schmunzler und kaschierte Wohlfühlmomente. Dass sich Eastwoods jüngster Leinwandheld nicht nur in Nostalgie suhlt, sondern gar in dieser ertrinkt, scheint den zusammengekniffenen Augen des 91-jährigen Westernhelden entgangen zu sein. Was wie ein Abschiedsfilm wirken soll, entpuppt sich wie eine Fingerübung für den alteingesessenen Regisseur. Drum bleibt zu hoffen, dass dies nicht wirklich der finale Ritt in den Sonnenuntergang ist und Eastwoods nächster Film wieder jene Tiefe innewohnt, die seiner Erfahrung als Hollywood-Urgestein gerecht wird.
Fazit
"Cry Macho" ist ein kurzweiliger Roadtrip, der mit seiner Prämisse ein interessantes Fundament legt. Was dem Film jedoch fehlt, ist eine gewisse Tiefe. Abseits der "Ein alter Mann blickt auf sein Leben zurück"-Mentalität hat der Film nur gedämpft seine Sternstunden und bleibt am Ende des Tages neben all den großen Geniestreichen in Eastwoods Filmografie leider auf der Strecke.
Autor: Oliver Koch