Inhalt
Action-Fans des älteren Semesters dürften noch immer den einsilbigen Cop Harry Callahan anhimmeln, wie er seine 357er Magnum im Anschlag hat und mit schiefem Mund seine markigen Sprüche zum Besten gibt – „Go ahead, make my day“ ging demnach in die Filmannalen ein. Etliche Jahrzehnte später schlüpfte Clint Eastwood wieder in eine dieser Rollen, dieses Mal als rassistisch geprägter Kriegsveteran. Als Regisseur und Hauptdarsteller kämpft er wieder gegen das Verbrechen, nun aber unter anderen Voraussetzungen und mit mehr hintergründigem Inhalt als noch in den zwielichtigen „Dirty Harry“-Originalen.
Kritik
Walt Kowalski, Kriegsveteran, lebt als Rentner in einer Detroiter Vorstadtsiedlung. Ohne seine soeben verstorbene Ehefrau versucht der grimmige Senior, sein Leben zu bestreiten, als er den Nachbarssohn der asiatischen Einwandererfamilie, Thao, beim versuchten Diebstahl an seinem 72er Ford Torino erwischt. Da die Familie sehr traditionell lebt, beschenken sie den Rentner und bitten ihn, dass Thao seine Schuld bei ihm abarbeitet. Der ist anfangs gar nicht davon begeistert, freundet sich aber bald schon mit Thao und seiner Familie an. Die Idylle wird jedoch immer wieder von Straßengangs unterbrochen, die den Einwanderern das Leben schwer machen, doch nicht mit der Beharrlichkeit des zynischen Rentners gerechnet haben.
Es dürfte für Eastwood-Fans wie ein Paukenschlag gewesen sein, ihn stark ergraut und mit hochgezogener Leinenhose auf der Veranda sitzend sein Bier vertilgend zu sehen. Doch gibt er sich zu allem Erstaunen so, wie man ihn in der Vergangenheit lieben gelernt hat, nämlich zynisch, offensiv und vor allem tatkräftig. Dennoch ist „Gran Torino“ keine Rächerstory im Sinne der alten Italo-Western-Hits, sondern eine Rassismusparabel mit tieferem Sinn. Der grummelige Rentner hat deutliche Probleme und ist vom Leben gezeichnet, und die drehbuchtechnisch eingefügten Voraussetzungen versprechen auch nichts Gutes. Seine Frau gestorben, gezeichnet von den Kriegsgräuel in Korea und dadurch mit Vorurteilen behaftet, bemitleidet man schnell die Kowalski-Figur und erlebt mit ihr den fortgeschrittenen Zerfall einer einst blühenden Vorstadtsiedlung. Dies in Verbindung mit den Gang-Aktivitäten bieten viel Stoff zum Diskutieren und die richtigen Zutaten, die doch recht leise Story in Gang zu bringen. Das Essentielle daran ist nicht die Action der 70er, in der reihenweise Gegner umgenietet werden, sondern die Veränderungen, die die Nachbarsparteien menschlich durchmachen. Auch wenn Eastwood hier fast nur durch böse Sprüche auffällt, kann er schnell einige Lacher auf seine Seite ziehen, wenn er beispielsweise die wahren Namen seiner asiatischen Nachbarn mit Absicht verfremdelt.
Um seine aussichtslose Situation noch zu untermauern, fremdelt es gleichzeitig noch innerhalb seiner Familie. Bitterböse alleine die Absicht seines Sohnes und der Schwiegertochter, ihn durch Seniorenutensilien aus dem Haus zu ekeln oder die wenig herzlichen Telefongespräche, die keine Nähe zulassen. Es fällt also auf, dass gerade die alltäglichen Dinge so aussagekräftig sind, dass keine Carcrashs nötig sind, um Intensität zu erzeugen. Einzig die Eingriffe der Gangmitglieder werden etwas dynamischer präsentiert, was aber nicht heißt, dass hier die Wackelkamera nötige Effekte auspacken müsste. Es bleibt zu jeder Zeit ein stilles Werk mit starken Aussagen, die im Drehbuch fast schon wie aus dem Leben gegriffen daher kommen. Diese Authentizität ist auch die große Stärke des Films, die Glaubwürdigkeit ist fast schon erschreckend erhalten geblieben. Dass dann doch noch so etliche Anspielungen auf Eastwoods alte Figuren mit aufgeführt sind, kann man gerne als augenzwinkerndes Statement verstehen – ohne wehleidig alten Zeiten nachzuheulen. Dafür ist Eastwood auch mittlerweile zu sehr zum Charakterdarsteller und anspruchsvollen Regisseur gewandelt.
Und auch hier beweist die Inszenierung mit, dass man keinen Bus voller Stars braucht, um einen anspruchsvollen Film wie diesen gelungen in Szene zu setzen. Neben Eastwoods fast überirdischen Performance sind noch wenige (amerikanische) Darsteller irgendwo schon mal sichtbar gewesen, allen voran Dreama Walker durch ihre Serienauftritte oder John Carroll Lynch, der in einschlägigen Filmen wie „Shutter Island“ oder „Fargo“ präsent gewesen ist. Die können in ihren Parts durchaus überzeugen, bleiben aber aufgrund des Drehbuchs weit im Hintergrund, im Gegensatz zu den beiden Hauptakteuren der Hmong-Familie. Hier konnte sich gerade Ahney Her in den Vordergrund spielen, wenn sie Eastwood mit ihrer Schlagfertigkeit imponiert.
Dieses Drama weiß in leichten Schritten eine Gefühlsachterbahn zu kreieren, die keinerlei übertriebene Epik braucht. Es werden keine Schnittorgien ausgepackt, musikalischen Purzelbäume geschlagen und schon gar nicht durch optische Wackelpuddings die Übersicht geopfert. Das Gesamtbild wirkt echt und geradezu klassich eingefangen, was schon mehr als Milieustudie durchgeht als ein künstlerisch bedeutsames Werk der Marke „American History X“. Außerdem beruft sich die Story auf alltägliche Tugenden, die keine Wunderheilung verspricht und auch bis zum Finale hin keine überdreht präsentierte Allerweltslösung bieten kann – aber eine sehr überraschende.
Fazit
Mit „Gran Torino“ bewies Clint Eastwood endlich einschlägig, dass seine heroische Zeit sowie der überdramatische Kitsch vergangener Tage der Vergangenheit angehören. Das Werk ist ein echter, ehrlicher und eindringlicher Abgesang auf den Hinterhofrassismus geworden, ohne die Probleme von heute unter den Teppich zu kehren. Dabei ist die zynische Figur des resoluten Rentners ebenso hassliebend in die Annalen der Filmwelt eingegangen wie die illusionslosen Westernhelden der Vergangenheit.
Autor: Sascha Wuttke