Inhalt
Von ihren jeweiligen Partnern enttäuscht, lernen sich Marthe und Ludovic auf einer Hochzeit kennen. Nun Cousin und Cousine, beginnen sie eine leidenschaftliche Affaire.
Kritik
Das arrivierte französische Kino hat uns mit „Cousin, Cousine“ schon vor nunmehr 40 Jahren bewiesen, wie man eine romantische Komödie dementsprechend grundiert, dass eben nicht nur die plumpe Pointe mit larmoyantem Rattenschwanz im Zentrum steht, sondern eine feinfühlige Charakterschilderung, die ihren nicht gerade limitierten Humor aus der vollkommenen Natürlichkeit destilliert – Und darüber hinaus sogar noch einige interessante Hintergedanken pflegt. Aber wenn wir uns auf Frankreich und seine Romanzen beziehen, dann wird man ohnehin schnell feststellen, dass es sich die heimischen Filmemacher in diesem Zweig auf die Agenda geschrieben haben, bloß niemals in obsoleten RomCom-Mustern zu verkehren: Von Jean-Luc Godards „Elf Uhr nachts“ bis hin zu „Die Dinge des Lebens“ von Claude Sautet. Immer wieder wurde die Liebe in ihrem ganzen Überschwang und Unmöglichkeit zum narrativen Ankerpunkt erkoren, um anschließend nach Lust und Laune filmische Grenzen zu sprengen oder jenen schwärmerisch-(selbst-)zerstörerischen Zustand zwischen (in der Regel) zwei Menschen mit Verve und Intellekt zu paraphrasieren.
„Cousin, Cousine“ von Jean-Charles Tacchella passt da auch sehr gut ins Bild: Im Epizentrum der Handlung stehen Marthe (Marie-Christine Barrault, „Stardust Memories“) und Ludovic (Victor Lanoux, „Endstation Schafott“), die sich auf einer Familienfeier kennenlernen und vor Ort schnell feststellen, dass sie doch ganz gut miteinander können. Allerdings sind sie nicht nur Cousin und Cosuine, sondern schlagen sich zudem auch noch durch unglückliche Ehen: Während Karine (Marie-France Pisier, „Barocco“) aufgrund ihrer Depressionen ständig in Behandlung ist, möchte Pascal (Guy Marchand, „Der Saustall“) Giacomo Casanova die Ehre erweisen und noch mehr Frauen ins Bett bekommen, als der berühmte, venezianische Schürzenjäger. Sie treffen daher auch die Entscheidung, eine rein platonische Freundschaft anzugehen, denn wenn es wirklich ernst werden würde, stehen doch nur Kompromisse im Weg und das Ganze endet erneut in einem Scherbenhaufen. Jean-Charles Tacchella, der auch zusammen mit Danièle Thompson das Drehbuch verfasst hat, aber lässt keinen Zweifel daran aufkommen: Die gegenseitige Zuneigung zwischen Marthe und Ludovic giert nach mehr.
Was vordergründig wie die unbeschwerte Romanze zweier Nonkonformisten erscheint, wird hintergründig zum durchaus kritischen Blick auf die festgefahrenen Vorstellungen der Institution Ehe stilisiert: Wieso müssen sich Marthe und Ludovic den gesellschaftlichen Tabus geschlagen geben und sich weiterhin durch ihre offensichtlich gescheiterten Ehen quälen, wenn sie doch einen Partner gefunden haben, der ihnen deutlich besser zur Seite steht; einen Partner, bei dem sie sich fallen lassen und frei fühlen dürfen. Schon beim ersten Aufeinandertreffen wird ersichtlich, dass sich hier zwei Seelen synchronisiert haben, die ihrer Begierde, selbstredend nicht nur physischer Natur, vorerst einen Riegel vorschieben müssen: Sinn und Unsinn des Ehegelübde stehen hier im Raum, um die damit verknüpften Vorsätze von Tacchelle, optimistisch wie er nun mal ist, dekonstruieren und neu anordnen zu lassen. Am Ende rafft sich die Struktur von „Cousin, Cosuine“ gar zur besinnlichen Ellipse auf: Denn wo eine Familienfeier den Beginn ihrer verdeckten Leidenschaft darstellte, ist es letztlich auch eine Familienfeier, die ihr Begehren publik macht.
Fazit
Der für 3 Oscars nominierte „Cousin, Cousine“ ist nicht nur eine mit Leichtigkeit erzählte Romanze zweier Menschen, die sich vorerst einreden, eine platonische Beziehung miteinander führen zu können, sondern auch kritischer Blick auf die Institution Ehe, die mit ihren engmaschigen Vorsätzen einer entflammten Liebe den Riegel vorschieben möchte. Ein schöner, unbeschwerter, aber keinesfalls ohne Hintergedanken arrangierter Film.
Autor: Pascal Reis