Inhalt
„Avatar: The Way of Water“ spielt mehr als ein Jahrzehnt nach den Ereignissen des ersten Films und beginnt, die Geschichte der Familie Sully (Jake, Neytiri und ihre Kinder) zu erzählen, die Probleme, die ihnen folgen, die Längen, die sie gehen um sich gegenseitig zu beschützen, die Kämpfe, die sie kämpfen, um am Leben zu bleiben, und die Tragödien, die sie ertragen müssen.
Kritik
James Cameron hat Eier aus Stahl. Bei den meisten anderen Filmemachern*innen wäre es wahrscheinlich passiert, dass das Sequel zu Avatar - Aufbruch nach Pandora entweder viel früher gekommen wäre und sich enorm dem Zeitgeist angepasst hätte. Doch der selbst erklärte König der Welt hat dafür nichts übrig. Sein Avatar: The Way of Water pfeift auf ironische Brechungen und zynische Meta-Kommentare. Was er in der Fortsetzung erzählt, meint er ernst. Wer also schon beim Vorgänger mit den Augen hinter den Gläsern der 3D-Brille rollte, wird auch 13 Jahre später viel finden, was ihm oder ihr nicht gefällt. Der kanadische Regisseur zelebriert erneut Kitsch und Esoterik, Ökologie und Menschlichkeit, und das in vollem Maße.
War es im ersten Teil vor allem der Wald, bzw. Dschungel, spielt ein Großteil des zweiten Teils im, unter und ums Wasser herum. Ein Urstoff welches der Terminator-Schöpfer nach Filmen wie The Abyss, Aliens der Meere oder Titanic vertraut ist und mit dem er sich auskennt. Nicht nur was die Gewalt des Wassers angeht, sondern auch das Leben im feuchten Nass. Bei Avatar - Aufbruch nach Pandora brachte er Merkmale unsere Ozeane an die Oberfläche. Die Ökologie auf Pandora von 2009 war im Grunde ein Aquarium ohne Wasser. Es gab Korallen, Fische, Quallen. Nur eben alles so modelliert, dass es auch an Land funktionierte. Bei der Fortführung der Geschichte rund um Ex-Mensch Jake Sully (Sam Worthington, Hacksaw Ridge - Die Entscheidung) und seiner neuen Familie taucht Cameron nun aber tief ab in die Meereswelt von Pandora und dort ist er vollkommen in seinem Element.
Es gibt Momente im Film, da scheint er selbst so fasziniert von dieser fremden Welt zu sein, dass er alle Storyfäden für einen kurzen Moment bei Seite legt, einfach nur, um sich an der unter Wellen verborgenen, ausgiebigen Flora und Fauna des Planeten Pandora zu ergötzen. Kann man ihm nicht übel nehmen, denn genau diese ruhigen, fast schon meditativen Szenen, sind mit das schönste, was es im Blockbusterkino des Jahres 2022 zu bewundern gab. Wenn Teenager-Na‘vi Kiri (ja, gespielt von Sigourney Weaver) staunend das exotische Leben unter Wasser erforscht, kann man gut und gerne als Publikum genauso große Augen machen wie sie, aber es wäre nicht James Cameron, wenn er nicht auch Freunde der etwas explosiveren Art zufriedenstellen würde.
Jedoch werden die hart und lange auf die Probe gestellt. Es sei gesagt, dass Cameron in der letzten von insgesamt drei Stunden Netto-Laufzeit wirklich einiges an Action auf die Leinwand zaubert, aber der Weg dahin ist mitunter strapaziös. Die Geschichte von Sully, seiner großen Liebe Neytiri (Zoe Saldaña, Guardians of the Galaxy) und vor allem ihren Kindern, nimmt verständlicherweise viel Platz ein, auch weil das Drehbuch, bei dem neben Cameron auch Rick Jaffa und Amanda Silver, die Autoren der letzten Planet der Affen-Trilogie mitschrieben, wirklich zig Figuren in die Handlung einschiebt, deren Skizzierung eher grob verläuft. Dennoch widmet der Film diesen enorm viel seiner Zeit, verläuft sich dabei aber stellenweise bei erzählerischem Rhythmus.
Das Pacing von Avatar: The Way of Water ist vor allem im Mittelteil ziemlich mühselig, ja regelrecht schwerfällig. Eben noch scheint der mittlere Sohn von Sully und Neytiri im Zentrum zu stehen, nur um dann recht plötzlich an den Rand gedrängt zu werden. Was die meisten dieser Handlungsparts innehaben, ist, dass sie die Themen Familie sowie Natur durchkauen und dies sehr ausgiebig und klar ausformuliert. Einiges davon kennt man aus dem biblischen Jona und der Wal. Es gibt allerdings aus klare Verweise an Herman Melvilles Moby Dick. So oder so, nicht alle werden damit etwas anfangen können, aber James Cameron wird es egal sein. Nicht nur wegen seiner Eier aus Stahl, sondern auch, weil er eh noch genug zu tun hat. Avatar 3 soll Weihnachten 2024 folgen und leider ist das Ende von The Way of Water ein Opfer davon, dass es nur ein Teilstück eines (anscheinend) größeren Ganzen ist. Wenn der Abspann einsetzt, bleibt nicht das befriedigende Gefühl zurück, einer vollständigen Geschichte beigewohnt zu haben. Für einen wirklich überzeugenden Schluss bleiben zu viele Dinge ungeklärt. Das „Directed by James Cameron“ lässt sich als glasklares „To be continued“ lesen.
Was hingegen schnell geklärt wird ist, wie es sein kann, dass Colonel Miles Quaritch wieder dafür sorgen kann, dass die Na‘vi ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Zwar starb er den Schurkentod im ersten Teil, dank der Avatar-Technik kehrt sein Geist aber im Körper seines Feines zurück. Darsteller Stephen Lang (Don't Breathe) meinte dazu in der Pressekonferenz zum Film, dass er die Ironie mag, dass der hartgesottene, xenophobe Militarist selbst nun eine Art Na‘vi ist. Da hat er recht, wirklich viel daraus machen tut das Drehbuch aber leider nicht. Aber selbst als blauer Klon beherrscht Lang den Film immer dann, wenn er zu sehen ist. Der Mann hat einfach die notwendige Präsenz, die von den High-End-Computern gut auf seine neue Erscheinung übertragen wurde und damit kommen wir zu dem Teil des Films, bei dem eigentlich nicht mehr zu sagen ist als Wow.
Technisch ist Avatar: The Way of Water, genau sie sein Vorgänger, ein Referenzwerk. Seit Avatar - Aufbruch nach Pandora gab es keine Produktion, die 3D so gekonnt, organisch und selbstbewusst einsetzte. James Camerons Traum von 3D im Kino ohne Brille hat sich (bislang) nicht erfüllt, aber auch mit den Gläsern auf der Nase ist die Erfahrung wahrlich einzigartig. Zu Beginn gibt es zwar immer mal wieder Szenen, in denen es auffällt, dass Person A nicht mit Person B im gleichen Raum stand, aber das sind Kinkerlitzchen. Nach gut einer halben Stunden wird technisch wirklich nur noch geprotzt. Dabei fällt auf, dass schon der erste Teil diesbezüglich ein Juwel war, denn der technische Sprung nach vorne ist augenscheinlich gar nicht mal so riesig.
Egal ob 2009 oder jetzt 2022, die Avatar-Filme weisen die meisten Blockbuster der letzten Jahre technisch in ihre Schranken. James Cameron will uns zum Staunen und zum Vergessen bringen, was zum Zeitpunkt der Sichtung um uns herum passiert. Damit tut er der eher zweckmäßigen und nicht sonderlich einfallsreichen Geschichte einen großen Gefallen. Die Schwächen und Stärken von einst, sie sind auch 13 Jahre später immer noch offensichtliche Aspekte. Genau wie die Tatsache, dass den Erstling und die Fortsetzung etwas eint: Wer sich für diese Filme auch nur geringfügig interessiert, muss sie auf einer großen Leinwand in 3D sehen. Beide Avatar-Filme brauchen die Größe der Leinwand und die Tiefe des Raumes, selbst wenn die Geschichte eher zweidimensional und die Figuren austauschbar sind. James Cameron ordnet das meiste dem Erlebnis unter. Das kann man berechtigterweise kritisieren, wie aber auch begeistert hinnehmen. Eure Entscheidung, zu der ihr stehen solltet. Genau wie James Cameron, der hat schließlich Eier aus Stahl.
Fazit
James Cameron hat im Laufe seiner vielseitigen Karriere schon bessere Sequels gedreht. Sein "Way of Water" macht nicht viel anders, als der Vorgänger. Beide Filme teilen sich also die gleichen Schwächen, aber auch Stärken und letztere kommen auf einer großen Leinwand und in 3D mit voller Wucht zur Geltung. Wer schon 2009 immun gegen diese Leinwandpräsenz war, kann das Sequel gerne auslassen. Wer auf der anderen Seite steht, sollte die Fortsetzung auf gar keinen Fall verpassen. Das ist großes Referenz-Kino. Nicht erzählerisch, aber technisch.
Autor: Sebastian Groß