DIE TOP 10 FILME 2019:
1. Parasite
Parasite ist ein politisches Meisterwerk: Über jeden Zweifel erhaben demaskiert dieser Film das Theater der habituellen Verstellung, zieht die Grenzen zwischen den sozialen Klassen als das Faktum, das sie sind. Ein wahnsinnig wichtiger Film, der auch noch grandios inszeniert ist.
2. Burning
In eigenartiger Melancholie ist hier eine Gesellschaftsstudie geglückt, die unter die Haut geht: Am Ende ist es der Genügsame, der zur Lust des Reichen alles verliert und das gefühlt mit einem Fingerschnippsen. Wenn man wenig hat, das einem etwas bedeutet, ist der Verlust eben umso schmerzlicher.
3. Wir
Jordan Peele ist vielleicht einer der interessantes Regisseure der letzten Jahre: Nach seinem wunderbaren Erstling hat er es wieder auf die Mitte der Gesellschaft angesehen (und das interessanterweise mit massentauglichen Filmen), diesmal jedoch auf noch latentere und strukturelle Probleme, denen wir uns nicht entziehen können. Vielleicht haben deswegen auch einige weniger Zugang zu diesem Film gefunden. Am Ende bleibt klar: Unser Reichtum bedeutet "deren" Armut.
4. Bildbuch
Godard ist mit Bildbuch erneut ein Meisterwerk geglückt: Diese Montage lässt sich als Termometer des gesellschaftlichen Klimas, als Metakommentar zum Kapitalismus und als sorgevollen Blick auf die globalen Entwicklungen lesen. Politisch, aufwühlend und inspirierend.
Selten unbequem fühlt es sich an, wenn dieses Werk ein Paar porträtiert, dessen Beziehung sich im Umbruch befindet: Nicht mehr verliebt, aber auch noch nicht geschieden, nicht mehr glücklich, aber auch noch nicht verhasst. Die mitschwingende Zärtlichkeit, die an das erinnert, was war, und bereits das verspricht, was kommt, ist vielleicht mit das Härteste, das man 2019 in der Filmwelt sehen konnte.
Frei von Kitsch, empathisch und verständnisvoll zeichnet Beautiful Boy eine Vater-Sohn-Geschichte, die sich sehen lassen kann: Die Drogen-Sucht wird ohne Belehrung in seinen Wurzeln und in seinem Verlauf beleuchtet. Dieser höchst humanistische Zugang ist in einer Zeit der Moralisierungen und der vermeintlichen Eigenverantwortung vielleicht wichtiger denn je.
7. High Life
Ein herausragender Genre-Film, der als Mikrokosmos von Machtstrukturen dient, die das Individuum in seinen Bedürfnissen nach eigenem Gebrauch und Willkür verformen. In einnehmenden Bildern und mit einem wunderbar aufgelegtem Robert Pattinson überzeugt dieser Film auf ganzer Linie.
8. Antiporno
Sono ist ein zutiefst metaphorisches Werk geglückt, das sich als sprunghafter und impulsiver Tanz zwischen Feminismus, Kritik an der Transparenz des Individuums, an der Kulturindustrie und der Gesellschaft als Gefängnis selbst, die die eigene Identität erschafft und verzerrt, verstehen lässt.
9. Mid90s
Mid90s profitiert sicher von der vorherrschenden Retromanie, doch ist viel mehr: Dieser Film ist nicht nur verliebt in platte Oberflächen, sondern schenkt seinen Charakteren ein ernstzunehmendes Porträt und betrachtet ein Jahrzehnt nicht in verstaubter Verliebtheit, sondern auch mit seinen Schwächen. Das ist erfrischend, aber vor allem ehrlich.
10. Systemsprenger
Dieser Film treibt uns in die Verzweiflung: Egal, wie laut Benni schreit, wir können ihre Gefühlslage nie gänzlich nachvollziehen und blicken durch die Augen der Erzieher, die allmählich ratlos werden. Eine intensive Erfahrung, ein Denkmal für den zu wenig beachteten Beruf des Erziehers und eine Erinnerung an das Unergründliche im Menschen.
DIE FLOP 5 FILME 2019:
1. After Passion
Jugendfilme, die die Jugend nicht nur nichternst nehmen und verspotten, sondern auch noch alte, repressive Denkweisen stetig reproduzieren, um sich eine Jugend heranzuziehen, die sich verspotten lässt - das sind mitunterdie schlimmsten Filme. Dieses Werkist repressiv, sexistisch und zu allem Überdruss auch noch handwerklich misslungen.
Dieser Film versucht das Bürgertum als prüde zu überführen und ist dabei - im Gegensatz zuseinen Vorlagen - der vielleicht prüdeste Film des Jahres: Sex ist hier noch ein Tabu-Thema, Homosexualität und die Emanzipation der Frau sind anstößig. Dieses Werk zeugt nicht nur von schlechtem Geschmack, sondern entpuppt sich stellenweise sogar als homophob und sexistisch.
Ideologisch schon immer zwischen neoliberaler und faschistoider Latenz schwebend, stellten die MCU-Filme meist zumindest handwerklich solide Events dar, an denen sich Liebhaber erfreuen konnten - und das ist zu respektieren. Das letzte Kapitel jedoch ist so wenig daran interessiert eine auch nur annähernd interessante Geschichte zu erzählen und ist so durchdrungen von teils absurdem Fanservice, dass ich mich selbst als Fan - der ich nicht bin - um mein gutes Kinogeld betrogen fühlen würde.
4. Late Night
Diese langweilige Komödie ist ein Paradebeispiel dafür, wie linke Identitätspolitik, die sich u.a. durch einen Trend der stetigen Repräsentation in Hollywood auszeichnet, scheitert: "Diversity " (als Aushängeschild) und 1%-Feminismus werden stolz ausgestellt, ohne Probleme ernsthaft angehen zu wollen.
5. Glam Girls
Glam Girls ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man mit pseudofeministischer Prämisse einen sexistischen Film drehen kann. Aber auch davon abgesehen erweist sich der Film als eher lustloser Kinogang.
GEHEIMTIPPS aus dem Jahr 2019:
Maquia - Eine unsterbliche Liebesgeschichte
Familie ist kein rein biologisches, sondern auch ein kulturelles Verhätlnis - das macht dieser Film klar, der durch eine aufreibende und menschennahe Fantasy-Geschichte eine kleine und etwas andere Familie vorzeigt.
Ein interessanter Blick in die patriachalen Strukturen einer Sinti und Roma-Gemeinschaft: Stets konventionell inszeniert und dennoch mit einigen tiefer gehenden Beobachtungen
Sicher nicht der ganz große Wurf, aber eine nette Coming-of-Age-Komödie, die viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat - gerade weil dieses Subgenre sich sonst so großer Beliebtheit erfreut.
10 MOST WANTED FILME 2020:
Dune
Tenet
Intrige
Halloween Kills
Little Women
Birds of Prey
James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben
West Side Story
Undine
Artemis Fowl
MEIN SERIENJAHR 2019:
Ich schaue eigentlich nur ungerne Serien und das ist auch gar nicht mehr notwendig, wenn sich die Franchises allmählich selbst zu Serien entwickeln. Ansonsten habe ich versucht, Game of Thrones zu beginnen, bin dann aber am Ende der zweiten Staffel gescheitert. Vielleicht sind Serien einfach nicht mein Medium, aber was soll´s: So spar ich Zeit und kann mehr Filme sehen. Und eventuell finde ich irgendwann wieder Zugang zu einer Serie, es ist mir ja auch in der Vergangenheit manchmal gelungen (z.B. bei Breaking Bad)
Bester Schauspieler: Robert Pattinson für seine grandiosen Leistungen in Der Leuchtturm und High Life
Pärchen des Jahres: Charlie (Adam Driver) und Nicole (Scarlett Johansson) - für die Liebe, die selbst eine Scheidung übersteht
Unterschätztester Film des Jahres: Brightburn - Als Coming-of-Age Film gedacht entfaltet dieser Anthelden-Film seine volle Wirkung und lässt sich als Antwort auf ältere Generationen verstehen, die jedes Problem der Jugend auf die Pubertät, einen Trend und eine kurzweilige Verstimmung schieben wollen.
FAZIT:
2019 haben inspirationslose Franchises ihren Höhepunkt der mangelnden Originalität gefunden: Sowohl Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers, als auch Avengers 4: Endgame wollen ihren Zuschauern durch reinen Opportunismus jegliche Reflexionsfähigkeiten absprechen - gut, dass sich auch einige Liebhaber dagegen wehren. Ansonsten war 2019 natürlich auch nicht alles schlecht: In den Programm-Kinos war zwar auch viel Pseudointellektuelles zu sehen, dafür aber auch echte (politische) Perlen. Und gerade Netflix hat spätestens dieses Jahr mit Marriage Story und The Irishman gezeigt, dass sie keinesfalls das Ende des Films sind.