DIE TOP 10 FILME 2019:
1. The Irishman
Altmeister Martin Scorsese zieht ein letztes Mal alle Register seines jahrzehntelangen Schaffens, trommelt die alte Garde seiner Mafiaepen noch einmal zusammen, und doch ist The Irishman so viel mehr als nur ein weiterer Vertreter dieses Genres. In stattlichen 207 Minuten Laufzeit zelebriert Scorsese nicht nur einfach den Mafia-Mythos, er bricht ihn auf, zerlegt ihn, demaskiert die Coolness, die sich spätestens im letzten Drittel bloß noch als leere Pose alter, müder Männer erweist. Wenn am Schluss bloß noch Robert De Niro altersgegrämt und von Schuld geplagt zurückbleibt hinter der halb geschlossenen Tür, ist man beinahe gewillt, sie zu schließen, denn es scheint alles gesagt. Oder um es kurz zu machen: The Irishman, the mob movie to end all mob movies.
2. Once Upon a Time...in Hollywood
Was konnte man doch skeptisch und zugleich erwartungsvoll sein angesichts der Vorzeichen von Quentin Tarantinos (angeblich vorletztem) Film. Nachdem der größte Kinoconnaisseur in Hollywood in The Hateful Eight noch dazu neigte, lieber sich selbst statt seine Vorbilder zu zitieren, schlägt sein aktuelles Werk zwar wieder mehr ins "Was wäre, wenn..?" eines Inglourious Basterds aus, geht dabei aber mit einer gelassenen Unbeschwertheit vor wie zuletzt höchstens Pulp Fiction. Entspannt, regelrecht entschleunigt, entfaltet Tarantino seine Hollywood-Mär der späten 60er und schert sich dabei nur wenig um moderne Sehgewohnheiten. Auf Handlungsebene liefert er damit glatt die Gegenthese zum mit ziellosen Subplots überfrachteten Blockbuster-Einerlei. Und mit Leonardo DiCaprio und Brad Pitt lässt er hier ein Leinwandduo aufspielen, bei dem es schwer zu glauben ist, wieso niemand eher auf die Idee gekommen ist, diese beiden Schwergewichte minutenlang lässig durch ein Stück bewusst verklärte Zeitgeschichte düsen zu lassen. Auch wenn der Film seine Schwächen hat, hat er bei mir das Potenzial zu meinem persönlichen Lieblings-Tarantino.
3. Der Leuchtturm
Mit seinem unglaublich stilsicheren Sensationsdebüt The Witch konnte sich Robert Eggers bereits einen Namen machen und das setzt sich nun mit dem Nachfolgewerk nahtlos fort. Seine Horror-Seemannsmär um zwei ungleiche Leuchtturmwärter, die zusehends an ihrem Verstand zweifeln, bis ihnen und uns Hören und Sehen vergeht, ist in nur jeder erdenklichen Hinsicht meisterhaft altmodisch. Inmitten dieser erhabenen, stürmischen Bildgewalt aus Schwarz und Weiß, entfesselt Eggers mit Willem Dafoe als wettergegerbtem Seebären und Robert Pattinson als Jungspund obendrein ebensolche darstellerische Urgewalt, die trotz des schmalen Bildformats regelrecht aus der großen Leinwand herausschwappt. Und schon allein für das poetisch-morbide Schlussbild wird man Der Leuchtturm bereits im kommenden Kinojahr als angehenden Klassiker bezeichnen können.
4. Midsommar
Gleich dahinter gesellt sich der nächste, geistige Anverwandte im Horrorbereich hinzu, der das Genre augenblicklich neu definiert und nicht weniger eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er kein Einweg-Regisseur ist. Wie Robert Eggers setzt Ari Aster konsequent dort an, wo er bei Hereditary - Das Vermächtnis aufhörte. Rein visuell präsentiert er dabei mit Midsommar auf den ersten Blick zwar das denkbarste Konstrastprogramm und vermutlich auch locker den hellsten Horrorfilm der Filmgeschichte. Doch wie bei so vielem hier trügt der schöne Schein, wenn dem modernen studentischen Relativismus vom rohen, traditionsgeprägten Heidenkult die Hand dargereicht wird. In geradezu betörend schaurig-schönen Bildern, bittet Ari Aster zum Maitanz in diesen gleißend hellen Fiebertraum, knüpft unheilige neue Bande, wo er alte kappt und zwangsverheiratet uns unweigerlich mit diesem grausam idyllischen Alptraum. Midsommar ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein Fest. Für die Sinne, für den Zuschauer, für das Kino.
5. Marriage Story
Wer hier auf den ersten Blick bloß denkt, dass Black Widow und Kylo Ren wohl in einem Paralleluniversum mal eine Beziehung hatten,der sollte diesen Gedanken zwar so schnell wie nur möglich abschütteln, Marriage Story aber nur umso mehr eine Chance geben. Denn Adam Driver und Scarlett Johansson zeigen in diesem einfühlsamen, reifen und zugleich von Noah Baumbach leichtfüßig geführten Scheidungsdrama nicht nur beide die womöglich besten Leistungen ihrer bisherigen Karrieren, sondern auch die wohl stärkste Szene des gesamten Kinojahres.
6. They Shall Not Grow Old
Vier Jahre nach dem Ende der Hobbit-Trilogie, findet Peter Jackson mit They Shall Not Grow Old zu alter Stärke zurück. Seine Dokumentation über die Erlebnisse von britischen Soldaten im Ersten Weltkrieg, für die Originalaufnahmen aufwendig restauriert,coloriert und sogar in 3D konvertiert wurden, ist dabei aber nicht nur technisch beeindruckend. Jackson gelingt ein, im positiven Sinne, spekulatives Werk und versetzt den Zuschauer mittels cinematischer Mittel mitten hinein in den Schützengraben. Mal melancholisch, mal erstaunlich heiter, erzählt er hier von der drohenden Unmittelbarkeit und Willkür des Krieges ebenso wie von den beschwingten Aktivitäten,mit denen man sich zwischen den eigentlichen Kampfhandlungen die Zeit vertrieb. Wer nicht das Glück hatte, das auf der großen Leinwand zu erleben, sollte es sich spätestens im Heimkino keinesfalls entgehen lassen.
7. Of Fathers and Sons - Kinder des Kalifats
Eine weitere Dokumentation hat den Weg in meine Jahresliste gefunden und mittlerweile sogar schon ins Fernsehen. Und genau da ist die gescheiterte deutsche Oscarhoffnung auch unbedingt nachzuholen. Die erschütternde Doku von Talal Derki, der in seine Heimat Syrien zurückkehrt, die ihm fremder erscheint als je zuvor und zu deren Wurzeln er hier dennoch vorzudringen wagt. Of Fathers and Sons handelt, wie der Name schon sagt, von Vätern und Söhnen. Genauer gesagt von Vätern, die der Terrormiliz Islamischer Staat angehören und darauf bedacht sind, schon ihre jüngsten Schützlinge an den radikalen Islamismus heranzuführen. Derki blickt, unter größter Gefahr für seine eigene Unversehrtheit, hinter den Schleier dessen, was uns sonst verborgen bleibt und schafft es, mit der nüchternen Offenlegung der sektenartigen Strukturen und Hackordnung einen Film abzuliefern, der verstört, aufwühlt, nachwirkt. Und, womöglich das Wichtigste von allem, die Zustände vom kulturellen Kontext löst und universell greifbar macht.
8. Das schönste Paar
Wer immer noch denkt, dass das deutsche Kino nur biedere Dramen oder Wohlfühlkomödien hervorbringen könnte, sollte hier genau hinschauen. Bereits in den ersten Minuten schreitet Sven Taddicken mit der Kompromisslosigkeit eines Michael Haneke voran, ehe sein sensibel erzähltes Drama zu etwas wird, was man wohl als realistische Variante eines Liam-Neeson-Rachestreifens bezeichnen könnte. Luise Heyer und Maximilian Brückner trumpfen dabei ganz groß im Kleinen auf und geben selbst feinsten Gesten eine bestechende Wahrhaftigkeit.
9. Klaus
Der schönste Animationsfilm des Jahres kam dieses Jahr ausnahmsweise mal nicht aus dem Hause Pixar, Disney oder Universal, ja nicht mal ins Kino schaffte er es. Und obendrein vertraute Netflix dabei auch noch auf klassische 2-D Animation, die zunächst ebenso obsolet erscheinen mag wie ein weiterer Weihnachtsfilm. Aber vielleicht gerade deswegen trifft Klaus sowohl erzählerisch als visuell vollauf ins Schwarze. Sergio Pablos, welcher u.a. für die Vorlage zum letztjährigen Smallfoot verantwortlich war, geht hier dem Mythos Weihnachtsmann etwas anders auf den Grund und liefert damit einen nicht nur optisch bezaubernden Film, der vermutlich schon im nächsten Jahr in einigen Haushalten im Traditionsprogramm zum Fest zu finden sein wird.
10. Joker
Viel Lob hatte ich noch übrig in der Kritik zu Joker, in der Jahresbestenliste reicht es dann aber schlussendlich bloß für Platz 10. Doch warum? Weil der Film im Nachgang verloren hat? Möglicherweise. Weil das Zugeständnis an die breite Masse dann doch größer sind als der radikale Einschnitt in derzeitige Sehgewohnheiten? Mit Sicherheit. Dennoch hat mit Todd Philips' todtraurige Charakterstudie über den größten Comicschurken überhaupt seit dem Kinobesuch immer wieder beschäfigt, auf die ein oder andere Weise. Und auch wenn das filmische Drumherum auf Dauer nicht ganz mithalten kann mit der schauspielerischen Meisterschaft, die Joaquin Phoenix hier leistet, so gilt es, diese Ohne Wenn und Aber zu würdigen. Und ebenso diesen Film, an den, wie auch an seine Hauptfigur, zuvor niemand glauben wollte und der sich zum Massenphänomen erheben konnte. Und zum Symbol einer Bewegung, der er überhaupt nicht angehören wollte und will. Vielleicht ist es gerade diese späte Widersprüchlichkeit, die mich an Joker mit am meisten fasziniert hat und es immer noch tut.
Honorable Mentions: Alles außer gewöhnlich, Gelobt sei Gott, Feedback, Shaun das Schaf - Der Film: UFO-Alarm, High Life, Ad Astra - Zu den Sternen, Fahrenheit 11/9, Leaving Neverland
DIE FLOP 5 FILME 2019:
1. Der König der Löwen
Auf dem beispiellosen Zenit des finanziellen Erfolgs kramt Disney ein weiteres Mal kreativfaul in der Nostalgiekiste und verunstaltet damit endgültig einen der größten Klassiker zu einem wahrhaftig paradoxen Bastard des modernen Blockbusterkinos: Der König der Löwen ist technische Revolution und künstlerische Bankrotterklärung zugleich, bahnbrechender Fortschritt und kreativer Stillstand in einem. Dargeboten als sensationelle Technikdemonstration, bei der die reale Savanne kaum noch unterscheidbar scheint von der bis in jeden Grashalm durchdigitalisierten. Wenn aber im Verschlimmbesserungswahn die großen Gesten und Emotionen, der Humor und das Herz des Originals zu einer perfekten, passiv-perversen Löwenmaske erstarren, dann weht durch die künstlich warmen Bilder plötzlich bittere Eiseskälte. Disney legt hier mit einer wahren Nostalgie-Maschinerie die berechnende Mechanik des eigenen Megakonzerns offen, der sich als brüllendes Monster aufbäumt auf dem Königsfelsen des Kinomarkts und in dessen weiter Landschaft alles für sich beansprucht, "was das Licht berührt". Der König der Löwen ist nicht bloß die feige (Re-)kapitulation eines Zeichentrick-Mythos, er ist schlicht ein filmischer Totalausfall. Ein Überflüssigkeitswerk, dass sich aber ohnehin mit der Zeit selbst auslöschen wird. Ob nun durch das nächste Remake oder aber die Tatsache, dass er in 25 Jahren, wenn der zeitlose Zeichentrickklassiker sein 50. Jubiläum feiert, hoffnungslos veraltet sein wird.
2. 6 Underground
Was passiert, wenn Netflix einem unbelehrbaren Action-Auteur ein üppiges Blockbusterbudget in die Hand drückt und diesem sämtliche Freiheiten gewährt, das sehen wir in 6 Underground. Flankiert von der witzlosen Häme und popkulturellen Zynik eines Deadpool (sowie dessen "wahren Helden" von Drehbuchautoren), dreht Pyrotechnik-Prolet Michael Bay nun endgültig alles auf Elf und erschafft ein mitunter unanschaubares Konzentrat seines Schaffens. 6 Underground ist zwar ebenso gewaltverherrlichend, geschmacklos, rassistisch, sexistisch und verseucht mit Product Placement wie viele andere "Bayhems", doch gibt er sich bei allem Menschenhass dabei ein geradezu widerliches Guter-Samariter-Antlitz, mit dem fiktiven Unglücksdiktaturen durch zerstörerische Selbstjustiz ein Ende gesetzt wird und Markenautos mit der Logik von Selbstmordattentätern durch Florenz brettern. Selten war Netflix eine größere Geldverbrennungsanlage.
3. Das letzte Mahl
"Diesen Film braucht Deutschland jetzt!" titelte die Bild-Zeitung noch vor Erscheinen von Florian Frerichs' Das letzte Mahl. Und dennoch hat dieses Machwerk, dass nur einen Tag in den deutschen Kinos lief, wohl kaum jemand gesehen, sieht man einmal von den Schulklassen ab, die damit gequält wurden oder es in Zukunft noch werden. Dass man dem Film einen größeren Kinorelease verweigerte, ist bezeichnend. Denn bei allen gut gemeinten Ambitionen, ist Das letzte Mahl kaum mehr als ein Fernsehfilm, der sich auf die Leinwand verirrt hat und der trotz vollkommen unabhängiger Finanzierung kaum öffentlich-rechtlicher daherkommen könnte. Dieses letzte Zusammentreffen einer reichen Judenfamilie am Abend der Machtergreifung Hitlers ist ein stocksteif inszeniertes, peinlich auf Bildungsauftrag getrimmtes Lehrstück, das weder auf engem Raum die historische Tragweite erfassen kann, noch daraus irgendeinen Erkenntnisgewinn zu ziehen weiß. Stattdessen verzettelt sich der trotz 83 Minuten unglaublich langatmige Film in zahllosen Subplots, bindet Gestalten wie Max Liebermann für filmisches Name-Dropping und lädt schlussendlich dazu ein, die damaligen Umstände mit dem momentanen Rechtsruck in Deutschland und Europa gleichzusetzen. Das alles in Form alles eines entsetzlich, platten, hölzernen Konsensfilmchens, dass politischen Diskurs am laufenden Band verhandelt, dabei letztlich erschreckend unpolitisch ist und das es bei aller lapidaren Geschichtsrelativierung mit Sicherheit nicht gebraucht hätte.
4. ES - Kapitel 2
Nach dem schon völlig überschätzten (und aus meiner Sicht misslungenen) ersten Teil zwar eine erwartbare, aber dennoch ärgerliche Enttäuschung. ES - Kapitel 2 brüstet sich damit, der längste Horrorfilm überhaupt zu sein, was angesichts des zähen Erzähltempos kaum verwundert. Aufgeblasen, selbstgefällig und lärmig, verfilmt Andy Muschietti die zweite Hälfte des Romans und kommt trotz insgesamt fast doppelter Laufzeit gegenüber dem TV-Zweiteiler der Essenz des Buches sogar noch weniger nah als dieser. Verstanden hat er diese schon zuvor nicht und so wirken die zahllosen Rückblicken, die sein überlanges Machwerk immer wieder unsanft ausbremsen, wie der notdürftig nachgeschobene Extended Cut des Vorgängers, der bislang nie erschienen ist und hier plötzlich dauerhaft in Erklärungsnot gerät. Dem deutlich psychologischer angelegten zweiten Teil der Geschichte weiß Muschietti dann auch in der Gegenwart kaum mehr entgegenzusetzen als sein immergleich ausgespieltes Creature-Feature Kabinett in herantösender Jump Scare Parade. Man kann gespannt sein, wie man im angekündigten Super-Duper-Cut von sechseinhalb (!!) Stunden Laufzeit beide teilweise vollkommen widersprüchlichen Filme zu einer Einheit zusammenschustern will.
5. Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers
Zwei Jahre nach dem popkulturellen Beben, das durch Rian Johnsons Die letzten Jedi verursacht wurde und dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind, ist nun wieder J.J. Abrams der Mann für Alles. Der, der alles richten, das anschlagene Franchise wieder auf Kurs bringen und auf den kleinsten gemeinsamen Publikumsnenner bringen soll. Und noch zusätzlich zum kalkulierten Besänftigen der aufgebrachten Fans, hatte Abrams die Mammutaufgabe, nicht nur die neue Trilogie stimmig abzurunden, sondern den erzählerischen Bogen über die gesamte, nunmehr neunteilige Skywalker-Saga zu spannen. Ob jemand, der sich schon nach seinem Franchise-Einstand Das Erwachen der Macht im Nachhinein selbst eingestand, zu zaghaft und mutlos ans Werk gegangen zu sein, wirklich der richtige Mann für das große Finale war, darf mehr denn je bezweifelt werden. Abrams versucht alles mögliche und vieles, doch nur wenig davon gelingt oder findet ein würdiges Ende. Der Aufstieg Skywalkers wird als Entschuldigung verstanden, dabei ist er eine bedingungslose Kapitulation: vor dem Kommerz des allmächtigen Imperators, vor dem einstigen Popkulturmythos, vor den Fans. Selten, nicht mal in den Prequels, war Star Wars so gefällig, so einfallslos, so faul erzählt, selten so geschwätzig und dabei zugleich so nichtssagend und leer. Wie nie zuvor treten die Probleme dieser neuen Trilogie, die Ziellosigkeit, die mangelnde Struktur und Relevanz für all das zutage in einem Film, der völlig durchzogen ist von Plot Convenience, Deus Ex Machina und einer Pseudokonsequenz, wie man sie allenfalls noch aus dem Marveluniversum kennt. Und auch wenn Abrams in diesem Durcheinander auch dank der guten Darsteller den Film immer mal wieder zu sich finden lässt und sogar in den letzten Momenten zu einer angemessenen Schlussnote, mindert das die stufenweise Enttäuschung nur wenig. Vielleicht aber musste diese neue Trilogie aber auch genau dort enden, wo sie begann: in der Einöde, erzählerisch wie visuell. Und mit einem hell gleißenden Lichtschwert als (trügerischem) Hoffnungsschimmer für eine bessere Zukunft.
Dishonarable Mentions: Polar, Becoming Animal, Little Joe, Making Monsters, Aladdin, Little Monsters, Amundsen, Die Geldwäscherei, Die Kunst des toten Mannes, Brecht, Vice - Der zweite Mann, Die Geiselnahme, El Camino - Ein "Breaking Bad" Film, Light of my Life
GEHEIMTIPPS aus dem Jahr 2019:
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya - Was passieren kann, wenn eine arbeitslose Durchschnittsbürgerin durch das simple Fangen eines Kruzifixes sich gegen das vereinigte Patriarchat von Staat und Kirche auflehnt, zeigt dieser beeindruckende Film aus Mazedonien. Und wirft die Frageauf, wie diese Geschichte sich wohl in unserer vermeintlich so fortschrittlicheren Kultur abspielen würde.
Die Mission der Lifeline - Eine Dokumentation, die einerseits von den Strapazen als Seenotretter der Mission Lifeline auf dem Mittelmeer berichtet, zum Anderen aber auch von der Geringschätzung, der Häme und dem Hass, die diesen aus der eigenen Heimatstadt Dresden entgegenschlägt. Ein Film, der unverstellt einen Blick gewährt auf die verheerenden Zustände und weniger von der Flüchtlingskrise handelt, sondern mehr vom stufenweisen Verlust gesellschaftlicher Werte.
Porno - Ein kleiner, aber feiner Genretipp vom Fantasy Filmfest. Eine Gruppe Kinoangestellter aus einer streng religiös erzogenen Ortschaft stößt auf ein verfluchtes Snuff-Video und erlebt Aufklärung der etwas anderen Art. Witzig, absurd, blutig, trashig...und leider irgendwie geil.
10 MOST WANTED FILME 2020:
James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben
1917
Chaos Walking
Dune
Knives Out - Mord ist Familiensache
Mulan
Intrige
Tenet
Soul
Mank
MEIN SERIENJAHR 2019:
Auch wenn ich bis vor ein paar Jahren kein allzu aktiver Seriengucker war, so sind auch an mir sowohl Serien- als auch Streamingboom nicht völlig vorübergezogen. Und obwohl ich meist jemand bin, der sich eher die Rosinen rauspickt, so konnte ich mich 2019 absolut nicht beklagen. Insbesondere als ausgewiesener Fantasy-Nerd kam ich mit dem Ende von Game of Thrones (ja, ich mag die finale Staffel trotz ihrer Fehler und Macken) auf meine Kosten, auch wenn das größere Highlight in dem Bereich ganz klar Der Dunkle Kristall: Ära des Widerstands war. Obwohl erst spät über die Weihnachtstage nachgeholt, konnte sich das unglaublich liebevoll gestaltete und erstaunlich erwachsen erzählte Netflix-Prequel zum Jim-Henson-Klassiker augenblicklich und buchstäblich in mein Herz spielen. Im Gegensatz zum hochgejazzten The Witcher, wo ich immer noch in den ersten Folgen festhänge. Meiner Faszination für Serienkiller konnte ich in der grandiosen zweiten Staffel von Mindhunter ausgiebig frönen, und auch wenn sich auf meiner Watchliste nach wie vor noch Vorzeigeformate wie The Boys, Euphoria oder Too Old to Die Young tummeln: Chernobyl, DAS unbestrittene und wichtigste Serienereignis, sollte nicht mehr auf eurer stehen. Oder zumindest. nicht mehr allzu lange, denn sie gehört zum Pflichtprogramm für praktisch...jeden.
Beste schlechteste Schauspielleistung :
Was auch immer Robert Pattinson dazu getrieben haben mag, im Historiendrama The King als französischer Kronprinz (mit absurdem Akzent!) derart aus der Art zuschlagen: Es ist unbedingt sehenswert. Und das im Guten wie im Schlechten.
Entdeckung des Jahres:
Florence Pugh. Seit kaum vier Jahren im Geschäft, im vorigen Jahr noch in einer unbedeutenden Nebenrolle neben Liam Neeson in The Commuter, kommenden Frühling in Black Widow, dort obendrein als heißeste Anwärterin auf Scarlett Johanssons temporär verwaisten Posten im Marveluniversum. Auch wenn sich mein Interesse an Letzterem gelinde gesagt in Grenzen hält, so behalte ich sie lieber in Erinnerung wie in Midsommar: Lachend, weinend, mit einer Krone und bedeckt von einem Berg aus Blumen.
WTF-Moment des Jahres: "Angel of the Morning" in ES-Kapitel 2
Ich weiß gar nicht, an welcher Stelle ich fassungsloser war: Entweder, als in Es - Kapitel 2 in einem Schlüsselmoment der Ekelhorror in die zynische Selbstparodie abgleitet (bezeichenderweise mit demselben Song, der das Intro von Deadpool untermalt) oder aber die völlig verständnislose Erklärung von Regisseur Andy Muschietti für diesen inszenatorischen Totalausfall.
FAZIT: Ich will ehrlich sein: Zu Beginn des Kinojahres erhoffte ich mir angesichts der zahlreichen Disney-Live Realfilm-Remakes, Reboots, Sequels und Prequels nicht wirklich viel von 2019, hielt mich aber dennoch an einigen verheißungsvollen Titeln fest. Am Ende des Jahres muss ich feststellen, dass mich das Blockbusterkino selten so kalt gelassen und desinteressiert hat. Mit Infinity War hatte sich bereits letztes Jahr das letzte bisschen Anteilnahme am Marvelhype buchstäblich in Luft aufgelöst, Avengers: Endgame werde ich zwar irgendwann nachholen, aber rein aus Komplettierungszwang heraus.
Unabhängig vom Blockbusterfrust kann ich allerdings nicht behaupten, dass 2019 ein schlechtes Jahr gewesen wäre. Das liegt zum Einen daran, dass ich durch meine Tätigkeit für den Podcast Tele-Stammtisch, durch die ich ja dann bekanntlich auch über Umwege hier gelandet bin, vieles gesehen habe, dass ich normalerweise gar nicht auf dem Schirm gehabt hätte. Und gerade im letzten Quartal, jagte ein Highlight das nächste, ob nun im Kino oder auf Netflix. Mitunter so sehr, dass ich kaum hinterher kam und meine Jahresliste wirklich bis kurz vor Schluss immer wieder updaten musste. Und obwohl mir Netflix mit The Irishman, Marriage Story oder sogar Klaus späte Highlights bescheren konnte, hinterlassen diese Filme bei mir immer wieder die Frage, wieso ich so großes Kino immer weniger dort erlebe, wo es eben hingehört: eben im Kino. Zudem beobachte ich bereits seit einem Jahr mit leisem Schrecken den schier unaufhaltsamen Siegeszug des Disney-Konzerns.
Die Pluralität und Vielfalt in der Filmlandschaft verschwindet nicht, sie verschiebt sich nur und gerät damit immer mehr aus dem Blickfeld des Durchschnittszuschauers. Die Schere zwischen Milliardenfranchises und kleinen, wichtigen Filmen klafft ebenso immer weiter auseinander wie die Ansprüche des Publikums, die wahlweise gar nicht mehr vorhanden oder schlicht kaum noch erfüllbar scheinen. Dabei wäre mein Anspruch einfach: Mehr Mut zum Risiko, auf beiden Seiten und in jeglicher Hinsicht. Ich habe dieses Jahr zwar durch meine Tätigkeit zwar auch diversen Müll gesehen, bei dem man mitunter kaum glauben kann,dass es dafür eine Kinoauswertung gab, ich habe aber auch sehr viel Schönes, Großartiges und Beeindruckendes gesehen. Zwar nicht viel davon auf der großen Leinwand, aber wenigstens einen Teil. Und deswegen blicke am Ende dann doch irgendwie zaghaft optimistisch in Richtung 2020. Auf die heiß erwarteten Titel, auf die erwartbaren Enttäuschungen, auf die unerwarteten Überraschungen oder sogar Offenbarungen, die das Kino zwischen den Zeilen auch in diesem Jahr wieder zu bieten hatte. Wieviel davon und in welcher Dosierung letztlich vorhanden sein wird, wird sich zeigen müssen. Ich bleibe, wie fast jedes Jahr, skeptisch-optimistisch und hoffnungsvoll-pessimistisch.
Bis dahin: Frohes Neues!