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Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2019

von Sebastian Stumbek

DIE TOP 10 FILME 2019:

1. The Irishman
The old men still got it! Ein Abgesang auf das, was Regie-Altmeister Marty eben zum Regie-Altmeister gemacht hat. Eine Entromantisierung des Gangsterfilms. Ein Verzicht auf die Coolness. Alles was dem sonst so mächtigen Mafioso wie in Goodfellas, dem noch so reichen Gauner wie in Casino letzten Endes bleibt, ist... nichts. Die Mächtigen werden entmächtigt. Und das ohne großen Knall. Alte Männer sind hier eben nur eins: alt. Oder um es in den Worten von Russel Bufalino zu sagen: "It is what it is."

2. Once Upon a Time in... Hollywood
Für viele ist Tarantinos 9. Spielfilm eine Verwehrung gegen das Publikum. Eine dünne Story, verhältnismäßig wenig ikonische Dialoge und bis auf das Finale keine tarantinoeske Gewalt. Aber das alles stört mich nicht im Geringsten, denn mit Once Upon a Time in... Hollywoood zelebriert Tarantino eins: Das Filmemachen. Und er lädt uns zu dieser Party ein. Wie auch Rick Dalton in dem Film an vergangenen Tagen hängt und die aufblühende Hippie-Kultur verteufelt, hängt ein Tarantino an der Kinokultur längst vergessener Tage und verteufelt heute Streming-Dienste & digitales Filmemachen. Es ist eine Ode ans das Kino, wie es einmal war. Damit wir es nicht vergessen. Wir sehen in Rick Dalton eine Art Spiegelbild von Tarantino. Ein Nostalgiker, der verzweifelt versucht alten Prinzipien treu zu bleiben, während der Geist der Zeit langsam an ihm vorbeizieht. Schließlich ist das einzige, was einem im Wandel der Zeit bleibt, die eigene Identität. Und diese bewahrt Tarantino mit Once Upon a Time in... Hollywood, wie mit keinem anderen Streifen aus seiner Filmografie.

3. Joker
Mit Joker hat DC nun endlich das gemacht, was sie am besten können: Düstere Geschichten erzählen. Statt versuchen der Konkurrenz nachzueifern und ein Franchise aufzubauen, hat man hier endlich eine eigenes, greifbare Story auf die Leinwand gebracht. Joker ist Charakter- und Gesellschaftsstudie zugleich. Düster, raffiniert und gewaltig gewaltätig. Und diese ganzen nichtigen Debatten um die Gewalt im Film. Was wäre der Joker denn ohne Gewalt? Vermutlich genauso eine Witzfigur wie wir, ohne unser Relexionsvermögen.Und dann wäre da natürlich noch die schauspielerische Leistung. Phoenix reißt jede Sekunde dieses Films an sich. Selbst De Niro, der im Abspann an zweiter Stelle auftaucht, wird als kleiner Nebendarsteller in den Hintergrund geschoben. Die Bühne gehört also ganz alleine dem Clow und auf dieser tobt sich ein wahnsinnig gewordener Joaquin Phoenix in gewohnter Master-Manier aus. Ganz großes Kino, über einen ganz kleinen Mann.

4. Parasite
Als ich damals die PV-Mail zu Parasite ignoriert habe und wenige Tage später realiserte, von welchem Regisseur der Film ist und wie dieser auf den Filmfesten zelebriert wurde, hätte ich mich am liebsten selbst verhauen. Wochen später, als der Film dann endlich da war, lief er nicht einmal bei mir im Kino, kam allerdings in der Sneak, bei der ich nicht anwesend war und mich erneut abgrundtief geärgert hatte. Es schien, als wollte das Universum nicht, dass ich diesen Film sehe. Und dann habe ich ihn in einem kleinen Programmkino in Köln gesehen.  Wow! Mehr will ich nicht sagen. Parasite war für mich also eine Leidensgeschichte im doppelten Sinne. Achja und selbstverständlich einer der besten Filme der letzten Jahre! 

5. Marriage Story
So sehr ich Joaquin Phoenix den Oscar als bester Hauptdarsteller auch gönne, Adam Driver fährt hier ganz große Geschütze auf. In diesem 4. von insgesamt 5 Filmen (!), in denen der Mann dieses Jahr mitgewirkt hat (nach deutschem Kinostart natürlich), liefert Driver noch einmal eine Performance ab, die man nicht so schnell vergessen wird. Zumindest diese eine Szene hat sich in mein Hirn gebrannt, wie Kylo Renns Lichtschwert in irgendeinen rebellischen Schergen aus dem Star Wars-Universe. Und Scarlett Johansson ist auch verdammt gut! Diese Scheidung geht an die Nieren, auch wenn es nicht die eigene ist. Also was lehrt uns der Streifen? Niemals heiraten!

6. The Sisters Brothers
Wohl kaum ein Streifen hat sich dieses Jahr so schleichend auf mein Radar begeben, wie 
The Sisters Brothers. Der französische Regisseur Jaques Audiard hat hier einen Western geschaffen, der sich als Western der Gegensätze entblößt und vielleicht sogar jenen Kinogängern einen Zugang zu den kultigen Outlwas verschafft, die das staubige Genre größtenteils meiden. Audard entmystifiziert jegliche Traditionen des Westerns und schafft mit einem unkonventionellen Pacing, einem Händchen für authentische Bilder und zwei brillanten Darstelern eine Charakterstudie skurrilster Sorte. Wenn etwa John C. Reily zum ersten Mal eine Zahnbürste nach Bedinungsanleitung benutzt, dann sieht er nicht aus wie ein gemeingefährlicher Outlaw, sondern wie ein hilfloser Weirdo. The Sisters Brothers macht aus dem Wilden Westen den Weirden Western.

7. The Report
Zu The Report möchte man eigentlich nicht so viel sagen, denn was der Film in 120 Minuten erzählt, hat der ehemalige Mitarbeiter des United States Senate Committe on Intelligence Daniel Jones auf 7000 Seiten erklärt. Im Fahrwasser von Filmen wie Spotlight oder Die Unbestechlichen demonstriert Scott Z. Burns wie eben jener titelgebende Report entstanden und die CIA und ihre Methoden ins Scheinwerferlicht gerückt hat. Eine kleine Perle für das Filmjahr 2019.

8. John Wick: Kapitel 3
Was soll ich sagen? Ich brauche halt jährlich meinen einen Action-Flick, bei dem ich das Hirn abschalten und irgendwelchen gut in Szene gesetzten oder perfekt durchchoreografierten Stunts zuschauen kann. Und dieses Jahr war das eben John Wick: Kapitel 3. Ich mag Keanu Reeves, ich mag das Over-the-top-Setting und ich mag die Videospiel-eskque Action. Normalerweise bin ich kein Befürworter vom Sequelising bei Filmen, dessen Story auserzählt ist, aber bei John Wick kann ich mich einfach nicht an den gewaltätigen Gun Fu-Eskapaden satt sehen . 

9. Le Mans 66 - Gegen jede Chance
Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal im Kino so viel Spaß bei einem Film hatte, dessen Thema mich absolut nicht interessiert. Der Streifen ist einfach nur von grundauf sympatisch und Mangold weiß wie man die PS-Bestien richtig in Szenen setzt. Klar, Le Mans 66 - Gegen jede Chance ist kein tiefgründiger Film, manchmal sogar im Gegenteil etwas oberflächlich, aber dennoch ein für mich unerwartet spaßiger Ritt, der wie im Flug vergangen ist. 

10. Der Leuchtturm
Wenn mich jemand fragt, wourm es in Der Leuchtturm geht, sage ich gerne: "Pattinson wichst, Dafoe säuft." Denn als ich aus dem Kinosaal getaumelt bin, war ich überaus verwirrt. Fasziniert, aber verwirrt. Diese kleine Einsamkeitsstudie zeigt in einer Weise, wie es das Kino schon seit langer Zeit nicht mehr gezeigt hat, was mit zwei Männern passiert, die der pure Wahn überkommt, ohne dabei Einsamkeit mit Alleinsein zu verwechseln.Und dann auch noch dieses geile Semanns-Kauderwelsch von Dafoe. Bei Odins Bart, das ist Acting!  


DIE FLOP 5 FILME 2019: 

1. Rocketman
Ich fande ja Bohemia Rhapsody ja schon großen Murks und als mir alle sagten "Rocketman ist besser!", hatte ich Hoffnung. Allerdings fand ich ihn genauso lahm. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, was für große Künster Mercury und John sind bzw. waren, dann ist das einfach nur traurig... 

2. Es - Kapitel 2  
War nie ein Fan der Vorlage oder des Fernsehfilms, konnte mit der Figur nur wenig anfangen, aber trotzdem hat man es geschaft mich zu vergraulen.  Über diesen Clown kann man nur lachen. Nur gut, dass es dieses Jahr zwei Horror-Clows gab. 

3. X-Men: Dark Phoenix
Nachdem die Reihe mit X-Men: Apocalypse schon zu Grabe getragen wurde, hat man jetzt nochmal auf den Grabstein gepinkelt. 

4. 6 Underground
Schraube fällt runter, Auto überschlägt sich, halbiert sich, explodiert. Der große Michael Bay ist zurück und seine Zaubertricks sind besser denn je.

5. El Camino: Ein Breaking Bad-Film
So schnell wie der Film da war, geriet er bei mir auch schon wieder in Vergessenheit. War ganz in Ordnung, aber fühlte sich auch nur an wie zwei durchschnitliche Folgen Breaking Bad


10 MOST WANTED FILME 2020:

James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben
Tenet
Dune
Ghostbusters: Legacy 
West Side Story
Top Gun: Maverick
Godzilla vs. Kong
The Many Saints of Newark
War with Grandpa
C'mon C'mon


MEIN SERIENJAHR 2019:

BoJack Horseman: Ich bin normalerweise absolut kein Fan von Zeichentrickserien. Habe mal Archer angefangen, nach zwei Staffeln beendet und selbst Rick and Morty hat mich nach der ersten Staffel nicht überzeugt. Der Grund: Ich brauche bei Serien mehr als nur bloße Komik. Und BoJack Horseman hat es geschafft sich nach Mad Men und The Sopranos in meinen Serien-Olymp vorzukämpfen. Obwohl ich den Zeichenstil anfangs nicht mochte, hat mir dieser phänomenal grandiose Mix aus bitterböser Komik und zutiefst nachvollziehbarer Tragik einen Tritt verpasst. Ich glaub mich tritt ein Pferd, aber so eindringlich können Cartoons sein.  Allein die Episode Free Churro (S5E2) ist somit das beste, was die TV-Industrie in den letzten Jahren fabriziert hat. Amen. 

Fleabag: Kurz, knackig undmit solch einem zynischen Humor auf den Punkt gebracht. Hier demonstrtiert Phoebe Waller-Bride die Probleme, die wir alle kennen oder kennen sollten. 

Modern Family: Mit der 9. Staffel ist nun endgültig die Luft raus...

Game of Thrones: Die letzte Staffel war ein unehrenhafter Abgang.

Entourage: Wirklich eine richtig geile Serie aus dem Hause HBO, im warsten Sinne des Wortes. Während ich anfangs noch dachte, was das denn alles für sexistische und homophobe Eckelpakete sind, habe ich diese pubertären Jungs über die Staffeln hinweg liebgewonnen. Und die endlosen Cameos. Einfach nur göttlich. Ich glaube Jeffrey Tambor kann noch immer kein Golf und Matt Damon ruft Vince heute noch an und bittet ihn um die Spenden für die bedürftigen Kinder.

House of Cards: Das Kartenhaus ist schon seit Staffel 3 am Schwanken gewesen, aber mit der finalen Staffel ist es endgültig umgefallen, wurde verbrannt und die Asche verstreut. Was hier hinterlassen wurde ist einfach nur großer Schund!

Too Old to Die Young: Diese einzigartige Mini-Serie ist derart langsam inszeniert, dass sich jede Einstellung wie ein überstilisiertes Gemälde anfühlt. Refn und Burbaker ziehen hier ein Rächer-Epos übelster Sorte auf und zeichnen das moderne L.A. als eine Art Blutlache, in der sich der Teufel wälzt. Es ist eine Serie voller Aporetik, Nihilismus und Schönheit des Abscheulichen, die zudem hinter ihrer kryptischen Fassade einiges zu sagen hat. Aber Refn referenziert auch seinen eigenen Stil mit einer Parabel, die treffender kaum sein könnte: Ein alter Kartellboss im Speisesaal erzählt eine bereits erzählte Geschichte, schläft allerdings aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung währenddessen ein. Als ein Kartellmitglied den Tisch verlassen möchte, droht der Adoptivsohn des Dons ihm und zwingt ihn sich zu setzen. Eine nahezu endlos andauernde Szenerie mit kristallklarer Message: „Wenn der Boss etwas tut, so habt ihr es zu respektieren. So langatmig es auch sein mag.“

Chernobyl: Muss glaube ich mittlerweile nichts mehr zu gesagt werden. 

Barry: Lustig.


Guilty Pleasure des Jahres: Western Stars

Ja, Western Stars ist kitschig. Springsteen war schon immer kitschig. Aber aus einem Grund mochte ich diesen Kitsch immer und zwar weil er ehrlich ist. Klar, wenn der Boss mit seinem Cowboy-Hut durch die Prärie stiefelt und im Voice-over irgendwelche Metaphern vor sich herplänkelt, ist das nicht jedermanns Sache. Aber der Mann ist 70, seit knapp einem halben Jahrhundert im Musik-Biz und spielt noch immer Konzerte die über 3 Stunden lang sind. Wenn sich jemand seinen Ruhestand auf seiner Ranch draußen auf dem Land verdient hat, denn dieser Mann. Und ich muss zugeben, obwohl die Kritiken des gleichnamige Album feiern, konnte ich nur mit 2-3 Songs etwas anfangen. In diesem Mix aus Konzertfilm und Dokumentation erklärt Springsteen jedoch die Hintergründe zu diesen Songs und ich war an manch einer Stelle echt gerührt und habe manch einen Song erst dadurch zu schätzen gelernt. So einen Film wünsche ich mir jetzt auch zu all seinen anderen Alben. 


Aufreger des Jahres: Stranger Things, again!

Ein paar schrille Neon-Lichter, in die Länge gezogene Sythesizer-Töne und ein paar Kiddies auf Fahrrädern. Mehr braucht es anscheinend nicht, um die halbe Netflix-Klientel mit Stranger Things zu begeistern. Eine Handlung gibt es auch noch, aber diese ist unter dem Deckmantel der exorbitanten Überstiliserung kaum zu erkennen. In einer Stadt, in der die hellsten Köpfe vier dümmliche Blagen sind, die den Job des fetten Sherrifs besser machen als ihre Arbeit als Schauspieler, passiert irgendwie irgendein unerklärlicher Scheiß. Natürlich, denn in den 80ern gab es ja nur Übernatürliches und den Breakfast Club. Auf einmal sind alle geil auf die Dekade der Schulterpolster, Arcade-Hallen und Cyndi Laupers Greatest Hits. Aber was ein Fluxkompensator ist oder wer den Stay Puft Marshmallow Man in die Schranken gewiesen hat weiß dann wieder kaum einer. Dass sich die Netflix-Serie letzten Endes nicht nur in Nostalgie tränkt, sondern gar in ihr ertrinkt, scheint dem Hype zufolge niemanden zu stören. Und dass es auch noch nach der abgrundtief minderwertigen 2. Staffel hieß "I'll be back!" ist eine Schande für jeden Freund der Popkultur. In der dritten Runde des augenkrebserregenden Neonfarben-Spektakels wird die Feuerrate der Referenz maschinerie noch einmal ordentlich angekurbelt. Verweise auf Kultfilme wie Der Nebel, Alien oder Poltergeist, Serienklassiker wie Cheers ung Magnum, Songs von Madonna, Foreigner sowie Huey Lewis and the News oder einen ikonischen Coca-Cola-Werbespot. Das Publikum wird zugeballert mit Referenzen, damit der vergessliche Bingewatcher mit seiner mikrigen Aufmerksamkeitsspanne auch ja nicht vergisst: Yippee-ki-yay - We're in the 80s - motherfucker!  


FAZIT: 
Ich glaube so ein gutes Kinojahr wie 2019 habe ich fast noch nie miterlebt. Viele gute Filme, eher wenige Enttäuschungen bzw. keine verherenden und auch im Hinblick auf Serien gab es eine Großartigkeit nach der nächsten. Praise the 19!

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