Mit seinen ästhetischen Grenzkontakten hat Dario Argento das Horrorkino wie kaum ein anderer Filmemacher geprägt. Mit dem morgigen Kinostart von Suspiria halten Cineasten auf der ganzen Welt die Luft an, wagt sich Call Me by Your Name-Regisseur Luca Guadagnino doch an einen der größten Meilensteine des Genres. Anlässlich dieses Ereignisses wollen wir euch heute die 10 besten Filme von Dario Argento vorstellen. Viel Spaß damit.
Dies ist eine Liste von JackoXL und Souli.
10: Das Stendhal Syndrom
Wenn Argento das alberne CGI weggelassen, den Film etwas gestuzt und einige Darsteller-Aussetzer mehr unter Kontrolle gehabt hätte, sogar richtig gut. Razorblade-Kretsche schwankt zwischen alberner und bedrohlicher Francis Dolaryhde-Version, aber das rotzt durchaus, die Hitchcock/De Palma-Hommage funktioniert in den Schlüsselmomenten hervorragend, wie die Reflektion der eigenen Werke. Ein Bilderrätsel als Schlüssel zum Unterbewustsein, kennt man von Argento, der sich hier eher an einer weiblichen Perspektive von Vertigo versucht, die zwischen Psychothriller, beinah-Giallo und Rape & Revenge-Mischmasch eine interessante Mitte findet. Zu lang, zu wenig direkt fokussiert, aber immer unberechenbar und in Anbetracht des Schaffens seit Opera ein echter Lichtblick.
9: Two Evil Eyes
Die Lust, die Dario Argento bei seinem Kniefall vor Edgar Allen Poe versprüht, lässt George A. Romero leider vermissen, ebenso wie den Mut zum Außergewöhnlichen. Der Qualitätsunterschied der beiden Episoden ist deutlich, dennoch ist Two Evil Eyes im Gesamten ein gelungener, interessanter Film geworden, den Argento allein schon sehenswert macht. Und natürlich auch Tom Savini, der neben seiner fantastischen, ziemlich garstigen Effekte mal wieder einen kleinen Cameo-Auftritt hinlegen darf.
8: Vier Fliegen auf grauem Samt
Im anfänglichen Schaffen von Dario Argento markiert Vier Fliegen auf grauem Samt ein überaus gelungenes Werk, in dem der italienische Regisseur perfide zwischen kunstvollem Giallo, paranoidem Delirium und wirrem Thriller pendelt. Wer über Argento-typische Schwächen wie dürftige Figuren, hölzerne Dialoge sowie bisweilen abstruse Wendungen und Einschübe hinwegsehen und sich voll und ganz der hypnotischen, fiebrigen Inszenierung hingeben kann, erlebt ein außergewöhnliches Kleinod der frühen 70er Jahre, das in dieser Form eben nur von Argento stammen kann.
7: Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe
Der Auftakt einer lange sagenhaften Laufbahn, die danach steil bergab ging. Wer Dario Argento erst durch seine Filme der letzten 25 Jahre kennengelernt hat, sollte – ach was, muss – dringend dessen Vergangenheit nachholen. Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe ist dafür der ideale Start: Auch für herkömmliche Sehgewohnheiten geeignet und in seinen Elemente auf dem Weg zu seinen Highlight. Und für einen Erstlingsfilm immer noch einer der besten Gialli, das soll was heißen.
6: Phenomena
Der Giallo aus dem Transsilvanien der Schweiz mit dem Heavy Metal-Soundtrack, in dem Jennifer Connelly mit Insekten spricht, Donald Pleasence sich von einem Schimpansen namens Inge bedienen lässt und, und, und…Wer es gesehen hat, staunt wohl immer noch Bauklötze. Was so skurril klingt (und mitunter auch ist) stellt auch gerade deshalb eine der besten Arbeiten von Dario Argento dar. Manchmal holperig vorgetragen, etwas zu lang, aber ziemlich kreativ und mit dem Mut, auch mal sehr kuriose Dinge auszuprobieren. Könnte gewaltig nach Hinten losgehen, aber gerade darin liegt – neben der mal wieder fabelhaften Stilistik - die Stärke vom Schauer-Märchen Phenomena, dessen positiv verrückte Finale allein schon das Ansehen rechtfertigt.
5: Tenebrae
Zu den Großleistungen von Dario Argento mag Tenebrae nicht ganz zählen, allerdings zeigt der Film immer noch auf, mit welch beeindruckenden Fähigkeiten der Italiener gesegnet war: Handwerklich ist das hier nämlich erneut ein Siegeszug, bei der vor allem eine mehrminütige Kranfahrt heraussticht. Inhaltlich lässt sich, wie gewohnt bei Dario Argento, streiten, aber wenn das satte Rot in das klinische Weiß klatscht, muss man einfach zugeben: Ja, dieser Mann war ein inszenatorisches Genie.
4: Inferno
Die grausamste der Mütter bittet zum Tanz. Inferno ist eine so gnadenlos konsequente Fortsetzung zu Suspiria, dass sie dafür eine gewisse Opferbereitschaft bewusst in Kauf nimmt. Reduziert auf das Künstlerische, isoliert von narrativem Ballast (den Argento ja eh nie wirklich beherrschte). Ein purer, reiner Albtraum ohne Haltegriffe oder Führungsleine. Ein Strudel, in dem man sich entweder mittreiben lässt oder hoffnungslos absäuft. Bis alles wieder in Flammen aufgeht.
3: Profondo Rosso - Die Farbe des Todes
Faszinierend, auf was für verschiedenen Ebenen Profondo Rosso – Die Farbe des Todes brilliert, beinah scheitert und sich im Resümee als absoluter Klassiker seiner Gilde bewahrheitet. Er ist so fehlerhaft wie genial, so ungelenk wie geschmeidig, so fast banal wie klug. Ein Kunstwerk von bestechender Schönheit, ein einmaliger Film, der den Giallo in seinem ganzen Wesen auf den Punkt bringt. Streitbar, aber unverzichtbar, vergessenes und oft wenig wertgeschätztes Kulturgut. Wie ein Gemälde, dass sich nicht durch sein Motiv sondern den verwegenen Pinselstrich seinen Platz in der Galerie der ganz Großen verdient hat.
2: Terror in der Oper
Opera ist Hommage, Meisterstück wie Meta-Spielerei zugleich. Allein die Rolle des Regisseurs als Horrorfilmer, der eine Oper inszenieren will und von der Presse verlacht wird, spricht für die Ironie von Dario Argento, die er später immer mal wieder einfließen lassen wollte (siehe Das Phantom der Oper), dann aber nur peinlich rüberkam. Ganz anders hier, es fügt sich in ein cleveres Muster zwischen Klassiker und ungewohnt brachialer Härte ein, die die FSK heute ab 16 Jahren freigibt. Da war wohl U-30-Abend, auch wenn nur wenige Szenen (dafür dann richtig) ans Eingemachte gehen, allein die Thematik ist schon deftig. Egal, das wollen wir als mündige Zuschauer doch. Besonders bei so lange verbannten Meisterwerken.
1: Suspiria
Sinn, Sinnlichkeit, Sinnesrausch. Niemand muss verstehen, jeder darf erfahren. Suspiria darf sich zweifelsohne zur Speerspitze des Horror-Genres zählen und stellt, womöglich, sogar Dario Argentos inszenatorische Meisterleistung dar. Es ist jedenfalls schlichtweg unglaublich, mit welcher unverdünnten Gewissenhaftigkeit Argento Urängste an der Wurzel greift und in Albtraumlandschaften transformiert, aus denen es wahrlich kein Entkommen gibt. Die Bild- und Klangwelten, ausgezeichnet von einer mehr als versierten Farbästhetik und dem legendären Goblin-Soundtrack, scheuchen dem Zuschauer einen regelrechten Schauer der Begeisterung über den Rücken. Jede Fotografie, jeder Ton, jeder Akzent im Allgemeinen, dient hier als Trägermedium, mit denen uns Argento auf eines der wohl existentiellsten Gefühle unserer Existenz zurückwirft: Die Angst selbst. Die Angst vor dem, was sich jenseits unserer Vorstellungskraft befindet. Die Angst, in einer Situation aufzuwachen, die sich jenseits unserer Vorstellungskraft befindet. Und wer die Angstlandschaften seiner Seele ergründen möchte, der sollte sich Dario Argentos zutiefst suggestiver Märchenstunde hingeben. Wieder und wieder und wieder...