Inhalt
Jamaika, in den frühen 1970ern: Kingston Town wird von Bandenkriegen terrorisiert. Bei einer dieser bewaffneten Auseinandersetzungen muss der 10-jährige Dennis „D“ Campbell mit ansehen, wie sein älterer Bruder erschossen wird. Sechs Jahre später ist „D“ selbst Bandenmitglied und immer noch von der Idee besessen, seinen Bruder zu rächen. Doch dazu kommt es nicht: er wird von seinem Boss nach London beordert, um dort die Geschäfte zu übernehmen. Und so wird „D“ zu einem „Yardie“: das ist die Londoner Bezeichnung für aus Jamaika stammende Kriminelle. In der britischen Hauptstadt trifft er auch seine große Liebe Yvonne und die gemeinsame Tochter wieder. Er scheint auf dem Weg zurück in ein „normales“ Leben zu sein, als er plötzlich den Mörder seines Bruders wiedertrifft …
Kritik
“Die Bösen können sich nicht verstecken.” Und das brauchen sie auch nicht. Das Regiedebüt des Schauspielers Idris Elba (Zwischen Zwei Leben) spielt in den 70iger Jahren in Jamaica und setzt in Kingston an - aus dem Off erzählt Protagonist D (Aml Ameen, Soy Nero) von seinem Leben, gibt den jungen Jahren seines Vergangenheits-Ich Form und Farbe und bringt dem Zuschauer seinen Bruder näher, der für Frieden in den Zeiten von Bandenkriegen einstand und mit seinem Sound-System den Bandenkrieg beenden wollte. Der britische Kriminalfilm Yardie basiert auf dem gleichnamigen Roman des britischen Autors Victor Headley und dreht sich hauptsächlich um das Leben des erwachsenen Ds, der als Kind beobachten musste, wie sein Bruder bei einem friedlichen Abend mit Reggae-Musik erschossen wird. Als Antagonist kristallisiert sich sehr schnell der Junge Clancy heraus, der bei dem schicksalshaften Abend die Waffe führte.
Als Waise wächst D bei dem Bandenführer King Fox (Sheldon Shepherd, Better Mus Come) auf und gerät dadurch schnell in kriminelle Gefielde, die hinter dem Deckmantel einer Plattenfirma Drogen verkaufen. Durch einen Auftrag verschlägt es D nach London – die Stadt, in der auch seine Tochter und Freundin Yvonne (Shantol Jackson) leben. Besonders im ersten Drittel der Laufzeit überzeugt Yardie mit einem interessanten Ansatz der erzählerischen Darstellung: Zeitlich abgestimmte Standbilder zu Erklärungen aus dem Off, entspannte Kamerafahrten und eine passende musikalische Untermalung mit Reggae-Klängen, offenbart ein unheimliches Potenzial, das sich spätestens dann verliert, als Idris Elba und Drehbuchautoren Brock Norman Brock (Dogging: A Love Story), sowie Martin Stellman (Die Dolmetscherin) die Handlungsstränge aufsplitten und dramaturgische Baustellen in jedem Handlungsort eröffnen, die nur sträflich behandelt werden.
D ist der Hauptcharakter und doch steht er nicht wirklich im Mittelpunkt der Erzählung, obwohl der Film die Zuschauer dies glauben lassen möchte. Viel eher versuchen Elba & Co. D durch seine verschiedenen sozialen Kontakte zu definieren. Sein Antrieb beruht entweder auf der Existenz oder dem Tod einer nahestehenden Person - wer die Person hinter dem vorlauten Drogendealer ist, wird nicht klar. Was er für ein Mensch ist, erfährt der Zuschauer nur oberflächlich und am Ende bleibt D das, was der Film durch seine Betitelung Yardie schon andeutet: Ein Mensch jamaikanischer Herkunft, der vor allem mit diesem Begriff im Ausland als Mitglied einer kriminellen Bande konnotiert ist. Die Kultur der Jamaikaner ist vielfältiger, als das normative Medienbild glauben lassen möchte und doch reduziert Yardie seine Handlungsfiguren auf Graskonsum, Reggaemusik, vulgären Ghettoslang und kriminelle Aktionen.
Aspekte ab davon, werden hauptsächlich durch den Kontakt mit der Tochter aufgeworfen, um einen Dualismus zu dem eher negativen Lebensstil zu kreieren. Im ersten Drittel allerdings, gibt es eine Szene, in der kurz alte Bräuche angerissen werden: Wenn ein Jamaikaner stirbt, wird er während eines großen Fests mit Speisen und Getränken verabschiedet, die ihm dabei helfen sollen, den Weg ins Jenseits zu finden. Ein wissentliches Stören dieses Brauchs sorgt dafür, dass die Person in der Welt der Lebenden gefangen bleibt. D sorgt für eben jene ‘Gefangenschaft’ seines Bruders und doch verläuft dieser Handlungsstrang ins Leere, wird statt einem zentralen Kernthema über Schuld, Bedauern und Wut zu einem dumpfen Katalysator für Ds oftmals unüberlegte Handlungen. Blickt man über die löchrige Geschichte hinweg, fällt die Chemie zwischen den talentierten Schauspielern ins Auge, die Musik von Dickon Hinchliffe die es vermag, jamaikanischen Charme mit den 70iger Jahren zu verdichten und atmosphärisch die Szenerie zu untermalen. Am Ende findet Yardie seinen Weg – inwiefern für diese flache Geschichte mit niedrigem Spannungsbogen, eine Verfilmung von Nöten war, steht zur Debatte.
Fazit
Idris Elbas Regiedebüt ist eine lasche Charakterstudie eines Jamaikaners und seines Umfelds, die sich lieber Klischees, Vorurteilen und überholten Kernthemen wie Reggae, Gras und Gang-Kriminalität bedient, ohne eins davon ausreichend zu behandeln oder neue Aspekte zu beleuchten. So bleibt "Yardie" leider eine hohle Gussform.
Autor: Miriam Aissaoui