Inhalt
Zehn Jahre ist es her, dass Samba - nicht ganz legal - aus Senegal nach Frankreich eingereist ist. Seitdem hält er sich in Paris mit Aushilfsjobs über Wasser und versucht dabei nicht aufzufallen. Zusammen mit seinem heißblütigen "brasilianischen" Freund Wilson, der aber eigentlich aus Algerien stammt, schlüpft er in die unterschiedlichsten Verkleidungen und wechselt häufig den Job, wenn wieder mal was schief geht. Dennoch hält Samba an seinem großen Traum, eines Tages als Restaurantkoch zu arbeiten, optimistisch fest. Endlich winkt ihm eine unbefristete Stelle und er wird leichtsinnig, weil er glaubt, dass eine Aufenthaltserlaubnis jetzt nur noch reine Formsache ist. Doch dann verweigern ihm die Behörden die ersehnten Papiere und er landet postwendend in Abschiebehaft. Jetzt steckt Samba richtig in der Klemme und braucht dringend Hilfe. Die erhofft er sich von der dünnhäutigen Karrierefrau Alice, die sich nach einem Burn-Out nun ehrenamtlich im Sozialdienst engagiert. Samba ist ihr erster "Fall" und sie macht gleich alles falsch: Obwohl ihr die Kolleginnen eingeschärft haben, immer die Distanz zu wahren, gibt sie Samba schon am ersten Tag ihre Telefonnummer - irgendetwas fasziniert sie.
Kritik
Olivier Nakache und Eric Toledano („Zwei ungleiche Freunde“), seit 2011/2012 kennt sie wohl auch jeder in Deutschland. Oder zumindest ihren damaligen Straßenfeger. „Ziemlich beste Freunde“ räumte an den Kinokassen ab wie kein französischer Film zuvor, über 9 Millionen zahlende Gäste in den hiesigen Lichtspielhäusern. Kommenden Donnerstag startet nun auch ihr neuester Streich „Heute bin ich Samba“ bei uns, wieder mit Omar Sy („Der Schaum der Tage“) in der Hauptrolle. Die Erfolgsformel von damals wird natürlich nicht groß angetastet. Wieder geht es um ein soziales Thema, das mit einer Mischung aus leicht verdaulichem Humor und ernsten, emotionalen Tönen das Publikum erneut voll auf ihre Seite ziehen soll. Diesmal nicht mit der immer erfolgsträchtigen Frage „wie behindert ist behindert?“ und „arm und reich, ja passt das denn?“, sondern mit einem tatsächlich sehr brisanten und durchaus interessanten Thema im Hintergrund. Die Immigrationspolitik in Frankreich und wie dieses Land, in dem speziell aus dem afrikanischen Raum viele Menschen Jahr für Jahr um politisches Asyl bitten, mit diesen Menschen verfährt. Aber keine Angst, das wird kein politischer oder gar wirklich kritischer Film, wir wollen doch alle am Ende nicht etwa mit einem mulmigen oder nachdenklichen Gefühl aus dem Kino entlassen werden.
Der aus dem Senegal stammende Samba (Sy) lebt seit nunmehr 10 Jahren illegal in Frankreich, schlägt sich mit niederen Arbeiten durch und wird übermütig, als er ein Jobangebot als Koch erhält. Mit einer Festanstellung im Gepäck glaubt er, dass er nun ganz offiziell geduldet wird. Stattdessen droht ihm die Abschiebung. Die von einem Burn-Out aus der knallharten Geschäftswelt gekegelte Alice (Charlotte Gainsbourg, „Antichrist“) versucht sich als ehrenamtliche Sozialarbeiterin davon zu „erholen“ (allein das macht richtig Sinn, da ist schließlich die pure Freude zu Hause) und wer ist wohl ihr erster Fall? Richtig, und damit nicht genug: Sie ignoriert nicht nur die von ihrer Kollegin dringlich gemahnte emotionale Grenze, es knistert sogar dezent zwischen ihr und ihrem „Schützling“. Und damit wären wir endgültig angekommen im Schmierentheater von „Heute bin ich Samba“. Es ist schon ziemlich armselig, wie sich oberflächlich einer wichtigen, diffizilen Thematik angenommen wird, nur um sie als Aufhänger zu benutzen, um an den „richtigen“ Stellen die Betroffenheits-Knöpfe drücken zu können. Der anfänglich durchaus als ernsthaft vorgegaukelt-behandelte Hintergrund verkommt zur Staffage einer konstruierten, nicht einer Sekunde glaubhaften Love-Story zwischen den Schichten und Hautfarben, die über zwei Stunden plattgewalzt wird.
Für Gainsbourg ist ein Film dieser Machart vielleicht wirklich eine Art Therapie, nachdem sie in den letzten Jahren unter Lars von Trier schon dem Weltuntergang beiwohnen durfte, verstümmelt, verbrannt und in alle Körperöffnungen penetriert wurde. Klebriger Balsam für die geschundene Seele. Soll ihr gegönnt sein, so ein Kontrastprogramm könnte eventuellen Post-Traumata entgegenwirken. Was Nackache und Toledano fortan auf das Publikum loslassen, ist eine bis auf die letzte Sekunde berechnete Emotions-Achterbahn mit allem, was ihrer Meinung nach dazu gehört. Natürlich bekommt unser Samba noch einen rolligen Sidekick zur Seite gestellt. Eigentlich Algerier, gibt er sich lieber als Brasilianer aus, denn so knackt man eher die Damen. Könnte man ein schlimmes Klischee nennen…wenn es der Film nicht sogar als Wahrheit darbieten würde, ganz ohne Ironie. Dazwischen gibt es Wohlfühlgekicher, die erstaunliche Erkenntnis, dass wir doch alle irgendwie nur Menschen sind und wenn es die Dramaturgie erfordert auch mal wieder etwas leicht Ernüchterndes, aber bitte nicht zu doll, war doch gerade so schön. Damit die Gefühlspalette am Schluss vollständig bedient ist, darf natürlich ein dramatisches Finale nicht fehlen, das sich gerade noch so fängt, die Tränen sollen schließlich aus dem gestreichelten Herzen kommen und nicht etwa resultierend auf echter Tragik oder diesem Hintergrund, was war das gleich? Ach ja, also die armen Illegalen in Frankreich, den geht es echt nicht so gut, aber dem Samba, dem jetzt schon und das zählt doch letztlich.
Am Ende sind wir heute alle ein bisschen Samba. Und morgen vielleicht Rumba. Und übermorgen? Da wird wieder eine arme Sau aus Frankreich abgeschoben oder muss die Scheiße aufwischen, aber was interessiert es uns. Schön war der Film, richtig was fürs Herz, dabei hat der uns am Anfang fast mit etwas gegängelt, das wir nicht so toll fanden. Ende gut, alles gut, vielen Dank.
Fazit
Man kann „Heute bin ich Samba“ noch nicht mal mehr als manipulativ bezeichnen, das würde ja eine gewisse Form von Geschick voraussetzen. Dafür ummantelt er seine Seifenoper-Dramaturgie viel zu offensichtlich mit einem sozial-„kritischen“ Thema und beutet dieses erschreckend banal aus, obwohl dieses genug Stoff für einen Film bieten würde, über den es sich lohnt zu sprechen. Randgruppen-Kaspertheater für Hausmütterchen und selbsternannte Menschenversteher, die die Ungerechtigkeit in der Welt zwar wahrnehmen, sich aber bitte nicht näher damit auseinandersetzen wollen. Wenn sie wie hier als Kulisse dient, hat man schon genug mitgelitten.
Autor: Jacko Kunze