MB-Kritik

The Imaginary 2024

Adventure, Drama, Animation

Kokoro Terada
Rio Suzuki
Sakura Ando
Riisa Naka
Takayuki Yamada
Atsuko Takahata
Issey Ogata
Akira Terao
Hana Sugisaki
Teiyu Ichiryusai
Mitsuaki Kanuka
Ikue Otani
Kokoro Hirasawa
Eito Kawahara
Hayley Atwell
Ruby Barnhill

Inhalt

Rutger ist ein keiner Junge, der nur in der Fantasie von Amanda existiert. Gemeinsam erleben sie die lustigsten Abenteuer - bis Amanda schließlich älter wird und Rutger eines Tages vergisst.  Plötzlich allein, gelangt er in die Stadt der Imaginären, wo vergessene unsichtbare Freund*innen leben und arbeiten. Doch auch sein neues Leben hier ist in Gefahr.

Kritik

Unsichtbare Freunde sind in diesem Kinojahr nicht zu übersehen. Nach John Krasinskis Fantasy-Comedy IF und Jeff Wadlows Horror-Take Imaginary kommt mit Yoshiyuki Momoses (Tomorrow's Leaves) animierter Adaption A.F. Harrolds und Emily Gravetts gleichnamigen Kinderbuchs der dritte Film über die eingebildeten Kindheitsgefährten. Die haben auch hier das unter imaginären Individuen offenbar chronische Problem des Loslassens der Menschen, von denen sie erdacht wurden. Im Fall des kindlichen Titelhelden (Stimme: Kokoro Terada, Fullmetal Alchemist - The Revenge of Scar) ist das die gleichaltrige Amanda (Rio Suzuki, Dororo).

Ihre auf den ersten Blick widersprüchliche Wahrnehmung Rutgers, der in der einer Tour entlang sämtlicher Fantasy-Tropen gleichenden Eröffnungsszene seine Existenz erklärt, offenbart sich später als Schlüsselaspekt der ambitionierten Allegorie. Während Amanda ihre gestresste Mutter (Ando Sakura, Die Unschuld) vergeblich von der Echtheit ihres Spielgefährten zu überzeugen versucht, lässt sie ihn wissen und erleben, dass er ihr gehört. Dass die kindliche Macht über imaginäre Freunde egoistische und aggressive Facetten kennt, ist einer der überraschend düsteren Aspekte der Handlung. 

Deren visuelle Verspieltheit birgt eine Reihe anspruchsvoller Themen, am markantesten davon Trauer, Trauma und Tod. Alle drei erfährt Amanda durch den Verlust ihres Vaters, den ihr Rutger zu verarbeiten hilft, als ihre selbst trauernde Mutter dazu psychisch nicht in der Lage ist. Diese Assoziation imaginärer Gefährten mit Trauma und Vernachlässigung kontrastiert positiv mit Krasinskis manipulativer Mainstream-Fassung (die sich ziemlich dreist bei der gleichen Buchvorlage bediente), wo es komplett unzutreffend heißt, fast alle Kinder hätten unsichtbare Freunde.

Der monströse Mr. Bunting, der unsichtbare Freunde verschlingt und Rutger von Amanda trennt, verkörpert die pathologische Eskalation des Eskapismus, mit dem sich Amanda gegen die Trauer abschottet. Der Kampf des unbeirrbaren Protagonisten um ein Wiedersehen mündet in der Selbsterkenntnis als Personifikation eines Kummers, den Amanda endlich loslassen kann. In diesen emotionalen Feinheiten - dem Unterschied zwischen Verdrängen und Verarbeiten, zwischen Kontrolle und Zwang - liegt der Reiz des magisch-realistischen Abenteuers, das sich bisweilen in seiner Fantasiewelt verliert.

Fazit

Fast scheint es, als habe das nach dem vielversprechenden Debüt Mary und die Blume der Hexen bereits als Ghibli-Nachfolger gehandelte Studios Ponco zu lange mit seinem nächsten Animé gewartet. Nicht nur hat sich Hollywood ziemlich dreist an dessen Ideen bedient, Momose Yoshiyukis Inszenierung verhebt sich fast an den gewichtigen Themen und fantastischen Figuren. Doch trotz einiger narrativer Schlenker findet die Story immer wieder zurück zu ihrem emotionalen Kern, der den deutlich individuelleren Animationen erst ihren Zauber verleiht.

Autor: Lida Bach
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.