Inhalt
Nach dem vermeindlichen Mord an seiner Nichte Harriet bekommt der Unternehmer Henrik Vanger jährlich eine gepresste Blume zu seinem Geburtstag geschickt. Mit 82 Jahren möchte der Inhaber der Vanger-Gruppe noch einmal versuchen, die Umstände um das Verschwinden seiner geliebten Nichte aufzuklären und engagiert den Herausgeber und Enthüllungsjournalisten Mikael Blomkvist (Mikael Nyqvist). Dieser wurde kürzlich wegen Verleumdung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, so dass seine Zeitschrift „Millennium“ kurz vor dem Aus steht. Er verlässt das Magazin und sein Team, nimmt aber, um die Zeit zum Haftantritt zu überbrücken, Vangers Angebot an. Gleichzeitig wird die Hackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) beauftragt, Informationen über Blomkvist zu sammeln. Nachdem sie sich ihrem sadistischen Vormund entledigen konnte, erweckt auch in ihr das Interesse an Blomkvist Fall, und schon bald arbeiten sie zusammen an der Familiengeschichte der Vangers, was sich als gefährliche Aufgabe herausstellt…
Kritik
Mit der „Millennium“-Trilogie klomm Autor Stieg Larsson schnell zum Schreiberstar auf – kein Wunder, dass eine Verfilmung nicht lange auf sich warten ließ. Die Geschichte um den Enthüllungsjournalisten Mikael Blomkvist mit der Hackerin Lisbeth Salander an seiner Seite war schon Grund genug, sie in bildhafter Form zu visualisieren. Noch fesselnder war jedoch die Geschichte um das verschwundene Mädchen, und diese in Filmform zu bringen, war sicherlich eine gewisse Herausforderung. Spannend auch die Frage, ob die schwedische Filmschmiede – u.a. mit deutscher Beteiligung – dieser gewachsen war.
Dass schon der Roman keine leichte Kost lieferte, dürfte der Verfilmung in Sachen der Darstellung ein wenig im Wege gestanden sein, aber die Produktion scheut sich in keinster Weise, die hässlichen Geschütze aufzufahren. Das beginnt noch recht harmlos mit den Hintergründen um die Story, der Blomkvist die Haftstrafe zu verdanken hat. Somit wird der Hauptcharakter recht behutsam eingeführt, was auch gut zu ihm passt. Weniger behutsam geht man mit Lisbeth um, was aber ebenfalls ihrem Werdegang geschuldet ist. So wird sie tätlich angegriffen und gar vergewaltigt. Was ihren Charakter aber so eindringlich macht, ist ihre Art, damit umzugehen – wenn sie schließlich den Spieß umdreht, zieht sie dadurch die Sympathien schnell auf ihre Seite. So unterschiedlich die beiden Figuren auch sind, so gut ergänzen sie sich. Mit Näschen und technischem Know-How geht es dann schließlich auch an die eigentliche Aufgabe, und nach den schockierenden Ereignissen um Lisbeth geht es auch hier munter weiter mit den „Nettigkeiten“, die die Familie so zu bieten hat.
Die Story bietet sowohl im Aufbau wie auch im Tempo viel Zeit, sich zu entfalten, auch wenn schon Lisbeths Einführung für eine Mordsspannung sorgt. Dennoch ist das Tempo sehr gemächlich, was aber nicht heißt, dass es schnell langweilig würde. Neben der Kriminalstory um Harriets Verschwinden entwickelt sich auch die Beziehung zwischen den Protagonisten spannend und vor allem nachvollziehbar. Das wird gerade im Verhalten von Lisbeth deutlich, wie sie sich zuerst sehr verschlossen gibt und erst langsam auftaut. Somit kann man ihre Figur als Gradmesser für die sehr gelungene Geschichte einstufen, die ihre Tiefgründigkeit geradezu genießt. Der Stoff ist wirklich nicht leicht zu verdauen, aber wird es nie geschmacklos im Sinne von unnötigen und provokanten Tabubrüchen. Letztlich ist das Drehbuch ebenfalls, gemessen an üblichen Abstrichen, eine Klasse für sich.
Noch besser wird es bei der Wahl der Schauspieler und dem Spektrum, das sie verkörpern mussten. Neben Mikael Nykvist, der den soliden Journalisten gelungen umgesetzt hat, fällt vor allem Noomi Rapace positiv auf, die die Verwandlung zur schicksalsgebeutelten Hackerin wohl in sich aufgesogen hatte. Man nimmt ihr die Darstellung in jeder Minute ohne Zweifel ab, ihre Gesten, die Mimik, einfach alles. Sie ist damit ohne Einschränkung der herausragende Charakter in einer ganzen Reihe von guten und soliden Darstellerleistungen, was ihr nicht nur in Europa, sondern auch gar in den USA viel Beachtung und diverse Preise bescherte.
Man dürfte auch überrascht gewesen sein, wie cineastisch der Film fotografiert wurde. In technischer Hinsicht braucht sich „Verblendung“ in keinster Weise hinter Hollywood-Produktionen zu verstecken, was sich vor allem in den Bildern und dem Schnitt gut zeigt. Seinem Tempo entsprechend wurde die Kamera platziert, ein paar Bewegungen und schöne Landschaftsbilder machen den Film zu einer wahren Augenweide.
Fazit
Wer hätte gedacht, dass ein unscheinbares Filmland wie Schweden Hollywood das Wasser so imposant abgraben würde? Auch wenn oder gerade wegen des teils drastischen Inhalts ist „Verblendung“ ein sehr eindringliches Werk geworden, das trotz des gemächlichen Tempos seine Spannung ins Unermessliche steigern kann. Der Thriller ist nicht nur in der Geschichte, sondern auch durch die hochklassigen Schauspielerleistungen ein Paradebeispiel für mitreißendes Kino, das uns auch die Gewissheit wieder aufleben lässt, dass die Traumfabrik nicht das Nonplusultra aller Topfilme sein muss.
Autor: Sascha Wuttke