Inhalt
Nach seiner Heimkehr vom Schlachtfeld sieht sich der heldenhafte Herakles zu seinem Unglück damit konfrontiert, dass seine große Liebe Deianira in einen Bann geschlagen ist. Um ihr die Lebensgeister wieder einzuhauchen, muss er sich in den Besitz eines wirkmächtigen Steins bringen, der in der Welt der Toten verwahrt wird. Schließlich stellt sich heraus, dass Lykus, vorgeblich ein Vertrauter Deianiras, tatsächlich aber ein Vampir, Herakles' eigentlicher Widersacher im Kampf um die Geliebte ist.
Kritik
Der Peplum – die italienische Variante des mythologisch angehauchten Sandalenfilms – wurde Ende der 50er Jahre eine kaum kalkulierbare Erfolgsgeschichte, die das einheimische Kino damals sogar durch den internationalen Erfolg am Leben erhielt und neu beflügelte. Seinerzeit nie ernsthaft dafür gewürdigt, aber eindeutig entscheidend mitverantwortlich: Mario Bava (Blutige Seide), der bei den Greatest Hits des Sub-Genres entweder an der Kamera stand, die visuellen Effekte entwarf oder sogar (uncredited) als Feuerwehrmann bei der Regie einsprang wenn Not am Mann war. Nach etlichen Jahren im Hintergrund wurde ihm aus Dank 1960 ganz offiziell der Job bei Die Stunde wenn Dracula kommt gegönnt, der heute zurecht als Klassiker des neuen, europäischen Horrorfilms gilt. Bei seiner zweiten „echten“ Regiearbeit kehrte er zurück zu seinen Wurzeln und drückt ihr Gott sei Dank einen individuellen Stempel auf, dass so ein schrulliger Krempel wie Vampire gegen Herakles vom potenziellen Voll-Trash zum beinah Meisterwerk wird. Bava konnte fachlich alles, nur nicht wirklich hexen. Obwohl man es ihm hier fast andichten könnte...
Aus verschiedenen Herkules-Sagen wüst zusammen gewürfeltes Genre-Crossover, das sowohl bemüht ist die lukrativen Bedürfnisse seines vermeintlichen Themengebietes zu erfüllen, dem auch die offensichtlichsten, letztlich aber auch völlig nebensächlichen Unzulänglichkeiten geschuldet sind. Der in seinen wahnsinnigen sechs Spielfilmauftritten (drei davon als Herkules in verschiedensten Variationen) nicht wirklich prägnant in Erscheinung getretene Muskelklops Reg Park ist genauso klobig wie sein Künstlername; die Story ist konfus; der partiell eingestreute Humor unpassend und quasi personifizierend dazu der eigentlich anständig agierende Franco Giacobini in seiner überflüssigen Trottel-Sidekick-Rolle ein einziger Störfaktor. Viel Unfug auf knappem Raum, aber da kommt die fantastische, visionäre Handwerkskunst eines Mario Bava ins Spiel. Allein die macht aus tendenziellem Bullshit eine herrlich extrovertierte, wirklich verwunderliche Mischung aus Peplum-Best-Off und visuell berauschendem, abstraktem Gothic-Horror, dessen Handschrift das weitere Schaffen von Bava maßgeblich prägte. Prinzipiell wirken alle seine Filme von 1960 (Die Sunde wenn Dracula kommt) bis 1966 (Die toten Augen des Dr. Dracula) stilistisch wie aus einem Guss, obgleich sie inhaltlich teilweise stark voneinander abweichen. Aber sie alle atmen und lebenv om selben Zauberstaub, der aus dem B-Movie-Assistent Mario Bava den Halbgott des Genre-Kinos machte.
Kräftig, ausdrucksstark, erstklassig ausgeleuchtet und (durchgehend!) mit einer stimmigen, überlegten Farbdramaturgie versehen überrollt einen Vampire gegen Herakles mit seiner sensationellen Bildsprache und öffnet sofort die Pforten für ein Herkules-Abenteuer aus einer anderen Welt. Die man glaubt zu kennen und doch ganz anders die Muskel spielen lässt. Unter einem anderen Regisseur wäre das wohl nur ein kurioser Beitrag für den ulkigen Restpostenschrank, gerade das unterstreicht erst die abartige Qualität eines Mario Bava. Er hatte oft - eigentlich immer - bessere Geschichten zur Verfügung, aber so einen narrativ und rhythmisch holperigen Low-Budget-Film mit eindeutigen Fehlern zu einem berauschendem Erlebnis aufzupumpen, wie sehr könnte es noch die individuelle Klasse unterstreichen? Mal ehrlich, das ist alles grober Unfug. Es gibt trotz der liebevollen Inszenierung einige sonderbare Momente (das alberne Stein-Monster), die Dramaturgie wirkt im Ablauf (mindestens) improvisiert… und genau deshalb tut der Film gut daran, sich schon frühzeitig und sehr offensichtlich von allen diesen Zwängen zu verabschieden.
Was Mario Bava hier zelebriert, ist einer der ersten echten, vielleicht sogar der wichtigsten Bausteine zum italienischen Genre-Kino, ohne den es womöglich und wahrscheinlich niemals (in der Form) einen Suspiria gegeben hätte. An einem losen Gerüst freischwebende, komplett im Studio gedrehte Wundertüte, veredelt mit der kargen, dafür wie immer exzellenten Performance von Christopher Lee (The Wicker Man), dessen Prominenz und Dracula-Image auch eine der zahlreichen Eigenheiten dieser Produktion geschuldet ist. Ursprünglich auch im Originaltitel mit einer Vampir-Assoziation bedacht, musste dieses spontan geändert werden. Übrig blieb der deutsche Titel und von Vampir-Vergleichen gibt es bis zu dem offensichtlich nachgebessertem Finale (2 Minuten vor Ende) auch nichts zu sehen. Das irritiert beinah mehr als das es seinen Zweck erfüllt. Aber wie das meiste hier: Scheißegal! Schöner, bewusster und in seiner Wichtigkeit zwingender, ästhetisch-rettender war Mario Bava wohl nie. Ein mittelmäßiger Regisseur kann aus einer exzellenten Vorlage leichter einen geilen Film machen, als ein Meister seines Faches aus praktisch nichts. Wie so was dennoch funktioniert, das stellt Bava hier eindrucksvoll zur Schau.
Fazit
„Vampire gegen Herakles“ ist wie den besten Sex der Welt zu haben…nur in der völlig falschen Umgebung. Wie ein multipler Orgasmus auf dem Sonntag-Nachmittag-Flohmarkt. Es fühlt sich komisch, mitunter sogar „falsch“ an, aber es ist viel zu geil und spektakulär, als das man das nicht lieben müsste. Eine künstlerische Offenbarung in stellenweise krudem Gewand. Besser so als anders herum.
Autor: Jacko Kunze