Inhalt
Moldawien 1630: Die Inquisition hält Gericht über Prinzessin Asa und verurteilt sie wegen Hexerei zum Tode. Sie schwört, grausame Rache zu nehmen. Dann wird ihr vom Henker eine eiserne Dämonenmaske auf das Gesicht genagelt… Zwei Jahrhunderte später durchreisen Professor Kruvajan und sein Assistent denselben Landstrich und stoßen zufällig auf Asas Gruft. Als der Professor das Grab untersucht, entfernt er die Maske von Asas Gesicht und ermöglicht ihr so die Rückkehr aus dem Totenreich...
Kritik
Mit dem Offensichtlichsten angefangen: Einen Bezug zu Dracula wollte (mal wieder) nur der deutsche Verleih seinerzeit gewinnbringend unterjubeln, im Original wird dieser Name niemals erwähnt. Diesmal ist der Etikettenschwindel nicht ganz so dreist und an den Haaren herbeigezogen wie bei dem sechs Jahre später folgendem Die toten Augen des Dr. Dracula vom selben Regisseur – auf den gleich aus gegebenen Anlass noch intensiver eingegangen wird -, es existiert wenigstens ein Bezug zum Vampirismus, auch wenn der Film nur bedingt als waschechtes Blutsauger-Exemplar kategorisiert werden kann. Überschwänglich motiviert ist die deutsche Lügen-Synchro nicht mal, richtig konsequent müsste selbst ohne Hintergrundwissen vielleicht nicht zwingend auffallen, dass hier nur auf den fahrenden Zug (kurz vorher durch die erste von acht Verfilmung der HAMMER-Studios wieder neu gestartet) aufgesprungen werden soll.
Schwamm drüber, wenn es nach der gleichgültigen Kunstverfremdung unserer damals sehr „kreativen“ Veröffentlichungspolitik ginge, gäbe es auch gefühlt 50 Django-Ableger und Ein Kind zu töten oder The Hills Have Eyes wären eine Invasion der Aliens. Das kann man getrost schmunzelnd ignorieren und selbst unabhängig davon ist Die Stunde, wenn Dracula kommt kein Film der sich qualitativ über seinen Inhalt auszeichnet. Ein kostengünstig produziertes, nur sehr grob bis kaum noch erkennbar an einer literarischen Vorlage schnüffelndes Fließband-B-Movie aus bella Italia der frühen 60er, dass vom produzierenden Studio GALATEA FILMS mehr oder weniger nur ein Dankeschön an den Mann war, der ihnen oft genug ohne entsprechende Würdigung die Kohlen aus dem Feuer holte. Die Rede ist von Mario Bava (Blutige Seide), der damit sein offizielles Regiedebüt feierte obwohl er schon über genug fachliche Praxis verfügte. Bei mindestens (soweit bestätigt) fünf Filmen sprang der als Kameramann, Special-Effect-Designer und Set-Hausmeister vom Dienst erprobte Bava als Feuerwehrmann auf dem Regiestuhl ein, wenn sich erneut der eigentliche Chef frühzeitig vom Projekt verabschiedete bzw. verabschiedet wurde. Keine offizielle Credit-Nennung, versteht sich.
Nun durfte er endlich seinen ersten, echten Auftrag als Regisseur erfüllen und obwohl Skript sowie Rahmenbedingungen alles andere als ein echtes Geschenk darstellen, prägt Bava diese trotzdem (natürlich) noch als Fingerübung zu verstehende Arbeit mit seinem bis heute schimmernden Gütesiegel, dass ihm seinen Platz auf dem Podest der wichtigsten Genre-Regisseure sichert. Die Geschichte erscheint als ein recht wahllos zusammengewürfeltes Allerlei aus losen (und längst nicht so relevant wie für uns vertonten) Vampir-Motiven, Hexerei, Teufelspakt, bösen Familienflüchen und auferstehenden Toten, von allem ein Bisschen und bitte nicht zu festgelegt. Relativ belanglose Stangenware, Fischstäbchen als Bewährungsprobe für einen noch nicht erkannten Meisterkoch, der daraus ein verblüffend schmackhaftes Gericht zaubert, bei dem das Auge nicht nur mitisst sondern das Salz in der Suppe ist.
Bava orientiert sich sichtlich an dem relevanten, prägenden Kino seiner Generation. Oft würde sein Film auch ohne Ton funktionieren, erscheint stilistisch stark angelehnt am auf Optik, Setdesign und Beleuchtung fokussierten Stummfilm-Horror der 20er Jahre. Gleichzeitig mit dem Input des vertonten 30er Jahre Horror aus dem Hause UNIVERSAL, dem exquisiten Licht- und Schattenspiel des Film Noir der 40er und dazu das damals ganz aktuelle Material, wie von den gerade aufblühenden HAMMER-Studios. Kurz gesagt: Die Stunde, wenn Dracula kommt verwendet bewusst Elemente der Vergangenheit und Gegenwart, um sie auf seine eigene Art neu und erstaunlich frisch zu interpretieren. Von einem (nicht wirklichen) Regie-Neuling, der aus der Not eine Tugend macht und noch ohne die Kraft der Farbe (bestechend schön zu bewundern in seine späteren Werken) mit akribischen Einstellungen, Lichtgebungen und atmosphärischen Spielerein einen erzählerisch nicht berauschenden, aber inszenatorisch bärenstarken Gothic-Horror-Kraftprotz aus dem Hut zaubert. Klassisch, dennoch irgendwie anders. Schwächen gekonnt überspielend, zur Nebensache verkümmern lassen. Einfach so. Weil er es kann. Und wer kann das schon?
Fazit
Für manche bestimmt nur ein weiterer Horrorfilm von Vorgestern, für Genießer ein Horrorfilm von Vorgestern in zeitlos-schöner Umsetzung. Mario Bava hat sich danach noch sichtlich gesteigert, aber was er hier aus den vorhandenen Möglichkeiten macht, ist bereits ein kleines Meisterstück. In seiner Fehlerhaftigkeit und trotzdem bedingungslosen Hingabe ein wunderschönes Relikt und ein Klassiker der zweiten Reihe. Ein damals sicher nicht als solcher erkannter Meilenstein des italienischen Horrorfilms, ohne dessen Nachbeben es vielleicht nie das Schaffen von Dario Argento, Lucio Fulci oder Sergio Martino gegeben hätte. Rein spekulativ natürlich, doch ein Wenig Bava steckt in jedem von ihnen…besonders in Argento.
Autor: Jacko Kunze