Inhalt
Licorice Pizza ist die Geschichte von Alana Kane und Gary Valentine, die 1973 im San Fernando Valley aufwachsen, herumlaufen und sich verlieben. Geschrieben und inszeniert von Paul Thomas Anderson, verfolgt der Film die tückische Navigation der ersten Liebe.
Kritik
Hin und wieder gibt es Filmschaffende, die beweisen, dass das Kino nicht zwangsläufig etwas neu machen muss, um sich seinen Weg in die Herzen der Zuschauer*innen zu bahnen. Stattdessen kann auf eine teils viel wirkungsvollere Strategie zurückgegriffen werden, nämlich auf die altbewährte Formel der Nostalgie. In seinem griechischen Ursprung setzt sich die Bedeutung des Wortes Nostalgie aus den Begriffen Heimkehr und Schmerz zusammen, sodass sich ein wehleidiges Gefühl der Heimweh manifestiert, das nur durch die Rückkehr an einen längst verlassenen Ort einer Heilung unterzogen werden kann. Genau dieses Gefühl griff Regiealtmeister Paul Thomas Anderson auf, drapierte es in einen Deckmantel der Glückseligkeit, engagierte zwei Menschen, die aus jeder Pore ihrer Körper Sympathie versprühen und entstanden ist dabei eine Zeitreise, die das Publikum aus der winterlichen Tristesse eines Pandemie-Winters in die wohlwollende Wärme einer kalifornischen Sommernacht entführt.
Licorice Pizza erzählt dabei eine Coming-of-Age-Geschichte, die in erster Linie vielleicht nicht sonderlich innovativ erscheinen mag, aber vor allem aufgrund der authentischen Figuren zu verführen weiß. Der geschulte Menschenkenner Paul Thomas Anderson schafft es, die beiden Hauptfiguren und ihre wild durchmischte Gefühlswelt mit einer vehementen Eindringlichkeit auf die Leinwand zu verfrachten, sodass die Originalität der Geschichte schlichtweg zweitrangig erscheint. Licorice Pizza ist ein Film, bei dem zwei Menschen und ihre Beziehung im Fokus stehen. Alle anderen Figuren und Ereignisse sind nur Randbemerkungen, die das emotionale Rodeo mit zahlreichen Abstrusitäten und Barmherzigkeiten ausschmücken. Hinzu kommen die zahlreichen Referenzen sowie der voller zeitgenössischer Musiklegenden strotzende Soundtrack, die den Streifen erst recht wie eine persönlichen Aufarbeitung sowie Liebesbekundung an die Ära der 1970er Jahre erscheinen lassen.
In puncto Schauspiel liefern sowohl Musikerin Alana Haim als auch Cooper Hoffman mit ihren jeweils ersten Leinwandauftritten wahre Glanzleistungen ab. Insbesondere der Sohn von Paul Thomas Andersons verschiedenem Weggefährten Philip Seymour Hoffman legt mit seinem jungen Alter eine Performance ab, die dem Familiennamen alle Ehre macht. Wer mit seinem Debüt als Schauspieler neben Hollywood-Größen wie Leonardo DiCaprio und Andrew Garfield für einen Golden Globe als bester Hauptdarsteller in einem Drama nominiert wird, dürfte sich sicher sein, dass ihm eine vielversprechende Karriere blüht. Neben den zwei Newcomern reihen sich zudem renommierte Namen wie Bradley Cooper, Sean Penn oder Tom Waits in die Schauspielriege ein und liefern kurze Momente, die sich aufgrund ihrer Skurrilität ganz tief in den Hirnwindungen festsetzen. Ein bisschen Hollywood muss es dann doch geben, auch wenn das Rampenlicht nach wie vor den beiden Nachwuchstalenten vorenthalten bleibt.
Fazit
„Licorice Pizza“ fühlt sich an wie ein Sommermärchen, von dem man sich von tiefsten Herzen wünscht, dass es wahr ist. Meisterhaft inszeniert Paul Thomas Anderson eine rund zweistündige Fahrt auf einem Gefühlskarussell, das ständig zu entgleisen droht. Sympathisch bis ins Mark, hoch emotional und so authentisch wie ein offener Hosenstall auf dem Pausenhof. Das sind Emotionen von gestern im Kino von morgen.
Autor: Oliver Koch