Inhalt
Ende des 19. Jahrhunderts sehen Jeff Webster und sein Partner Ben Tatum durch den Goldrausch in Klondike die Chance, endlich an genug Geld für die ersehnte Ranch zu kommen: Sie wollen ihre Viehherde dort teuer verkaufen. Trotz Schwierigkeiten mit dem korrupten Richter Gannon gelingt ihnen dies. Im Anschluss versuchen sie sich selbst erfolgreich als Goldsucher, doch als sie die Stadt verlassen wollen, wird Ben von Gannons Leuten erschossen und ihr Gold gestohlen. Jeff sieht sich gezwungen, gegen Gannon und für das Gesetz Position zu beziehen.
Kritik
Die Helden in den durchweg hochwertigen Western vom großen Anthony Mann (Der Mann aus dem Westen), vornehmlich mit James Stewart (Vertigo – Aus dem Reich der Toten) besetzt, suchen den Konflikt nicht, sie werden vielmehr magnetisch von diesem angezogen. Egal, ob wir unter diesem Gesichtspunkt von Winchester '73, Nackte Gewalt, Meuterei am Schlangenfluss oder nun von Über den Todespass sprechen: Manns Einträge in das altgediente Western-Genre zeigen vor allem, dass man in den Tagen des Wilden Westen keine Chance hatte, Komplikationen zu umgehen. Man konnte sich nicht herausreden, man konnte sich nicht freikaufen, man konnte sich höchstens den Weg freischießen, wenn es dann hart auf hart kommt. Auch McLyntock (Stewart) wird diese Erkenntnis machen, wenngleich sie doch eine Zeit lang auf sich warten lässt.
Über den Todespass macht seinem Hauptdarsteller aber über zwei Drittel seiner Handlung Hoffnung: Immer wieder scheint sich McLyntock in eine Sackgasse manövriert zu haben, aber immer wieder öffnet sich doch noch eine Tür, aus der flüchten kann, um seinen Hals zu retten. Es beginnt damit, dass er während eines Viehtriebs ungewollter Störenfried einer Hinrichtung wird. Im alaskischen Skagway fällt er dem selbernannten Richter Gannon (John McIntire, Karawane der Frauen) negativ auf, der ihm sogleich sein Todesurteil durch den Strick bescheinigt. Es kommt anders, wie so häufig bei dem ein oder anderen Glas Feuerwasser, und die Rinderherde, die Gannon beschlagnahmt hat, holt sich McLyntock ganz zu dessen Unmut natürlich auch zurück, um im kanadischen Dawson als reicher Mann aufzuschlagen und seinen Traum von einer eigenen Farm ein Stückchen näher zu können.
Dass sich das Spannungsfeld zwischen McLyntock und Gannon aber nicht in Luft auflösen wird, verdeutlicht schon die erste Begegnung zwischen den beiden Männer – die Niedertracht quillt Gannon regelrecht aus jeder Pore. Bis es aber zum finalen Duell kommen wird, erweist sich Über den Todespass vor allem als Film der Prophezeiung, der Vorahnung: Regelrecht ausstaffiert scheinen die famosen 35mm-Breitbildfotografien mit den Bedrohungen, die auf unsere Protagonisten noch warten. Als Meister des visuellen Erzählers eröffnet Anthony Mann mit den ewigen Landschaftsaufnahmen des Grenzlandes zwischen Alaska und Kanada einen unverstellten Blick auf das vielschichtige Wesen der Natur. Bevor man sich an den unendlichen Weiten der Wiesen und Täler, der Hänge und Flüsse weiden darf, erfüllt sich die dunkle Prophezeiung: Eine Lawine bricht los und verschüttet einen Teil der Herdentreiber.
Mag sich Über den Todespass auch immer noch bisweilen in der Komfortzone des Genres aufhalten, was sich vor allem an der Typologie exemplifiziert, so offenbart der Film doch darüber hinaus gleichwohl den Mut, kritisches Gedankengut in Bezug auf die Eroberung des Wilden Westen zu formulieren. Mann scheint nichts Edles in ihr zu finden, stattdessen versteht er sie als Grundstein einer Nation, deren Identität auf Ausbeutung und Verrat begründet wurde. Und hier kommt der historische Kontext, die Hochzeit der Goldgräber, natürlich voll zum Greifen, denn wittert der Mensch seine Chance auf Profit, bricht in ihm nur das Schlechteste Bahn – Abkassieren und Abschlachten werden zu deckungsgleiche Begrifflichkeiten. Und inmitten dieser rasenden Raffgier versucht James Stewart, seine Unabhängigkeit zu wahren und sich von heldenhaften Symbolen fernzuhalten. Erfolglos, denn am Ende macht er sich verantwortlich, muss töten und wird dafür gefeiert. Eigentlich wollte er nur seine Ruhe.
Fazit
Anthony Mann und James Stewart – das passt einfach, wie auch "Über den Todespass", die vierte Western-Zusammenarbeit des namhaften Gespanns beweist. Mag "Über den Todespass" bisweilen auch noch etwas damit beschäftigt sein, Konventionen des Genres zu stimulieren, so erweist sich der Film darüber hinaus als kritische Auseinandersetzung mit einem Amerika, welches sich der Ausbeutung verschrieben hat. James Stewart brilliert in der Hauptrolle als Mann, der kein Held sein will, aber sich zur Verantwortung gezwungen sieht. Wahrhaft brillant: Die 35mm-Aufnahmen.
Autor: Pascal Reis