Mit Thunder Road (hierzulande mit dem undankbaren Titel Der Chaos-Cop versehen), seinem Spielfilmdebüt als Regisseur und Autor, gelang Jim Cummings 2018 eine vielerorts gelobte Independent-Perle, beruhend auf seinem eigenen, beim Sundance Festival ausgezeichneten Kurzfilm. Für seine zweite Regiearbeit geht er diesmal in Richtung Genre-Kino, wobei The Wolf of Snow Hollow nicht unbedingt ein reinrassigerHorrorfilm ist und sich in seiner Mischung aus trockenem Humor und durchaus sensibler Charakterisierung dezent zwischen den Stühlen bewegt.
Wie schon bei seinem Erstling spielt Jim Cummings auch die Hauptrolle. Die des Deputy-Sheriffs John Marshall, der in der beschaulichen Gemeinde Snow Hollow (die ihrem Namen rein meteorologisch voll gerecht wird) bisher weniger mit Kapitalverbrechen, sondern mehr seinen ganz persönlichen Dämonen zu kämpfen hatte. Seine Ehe ging vor Jahren in die Brüche und er verfiel dem Alkohol. Die Beziehung zu seiner 17jährigen Tochter ist dementsprechend problembehaftet, aber zumindest hat John seine Trinkerei seit einiger Zeit im Griff. Weiterhin plagt ihn die Sorge um seinen Vater (in seiner letzten Rolle: Robert Forster, Jackie Brown), der seinen Posten als Sheriff nicht räumen will, gesundheitlich jedoch schwer angeschlagen ist. Nun erschüttert auch noch eine bestialische Mordserie die Stadt. Praktisch in jeder Vollmondnacht wird eine weitere Frau Opfer eines Unbekannten, die Leichen sind abscheulich zugerichtet. Schnell machen die Gerüchte von einem Werwolf die Runde, was John nicht akzeptieren will. Doch der Druck steigt. Konkrete Hinweise gibt es nicht und der überforderte John verfällt wieder seiner Sucht, während das Ungeheuer unaufhaltsam sein Unwesen treibt.
The Wolf of Snow Hollow erzählt über weite Strecken eine typische Werwolf-Geschichte und wirkt dabei angenehm bescheiden bzw. bodenständig. Er nimmt sich, bezogen auf den reinen Genre-Inhalt, nichts vor, was er nicht anständig bewerkstelligen kann. Auf CGI wird vollständig verzichtet, stattdessen gibt es handgemachte Kostüme, Masken und Effekte. Das man dabei nicht voll draufhält ist kluges Ressourcen-Management und in der dargestellten Form ist es völlig ausreichend. Meistens spielt sich alles im Hintergrund, aus der Ferne oder nur in kurzen Fragment-Aufnahmen ab, was dafür geschickt eingesetzt wird. Man merkt, dass der Film kein großes Budget für Effekte zur Verfügung hatte, geht damit aber schlau um. Diesbezüglich vermisst man eigentlich nichts, obwohl es recht wenig explizit zu sehen gibt. Alles besser, als zu versuchen aus armeseligen Tricks billige Schauwerte zu generieren. Das ist in seiner ehrlichen Art alles sehr angenehm vorgetragen, reist aber, wenn man es denn auf einen Horror-Thriller reduzieren will, natürlich auch keine Bäume aus. Das Werwolf-übliche Whodunnit-Prinzip wird bis zum Finale ausgereizt, mit wirklichen Verdachtsmomenten spielt man aber gar nicht erst. Die Auflösung ist somit relativ egal und generelle Überraschungen oder innovativen Einfälle sollte man besser nicht erwarten.
Interessanter ist der Film eher durch seine Figuren. Der Protagonist wirkt durch seine Fehlerhaftigkeit sehr glaubwürdig und seine zahlreichen Konflikte werden anhand von massiver Überforderung und Selbstzweifel nachvollziehbar in den Fokus gerückt. Zwar blitzt hier und da auch ein feiner, trockener Humor durch, der Grundton bleibt dabei aber deutlich tragischer denn komisch. Es gibt hier vereinzelt wirklich berührende, ernste Momente, die nichts mit dem eigentlichen Horror-Plot zu tun haben, sondern rein aus dem zwischenmenschlichen Drama resultieren. Das kann und wird bestimmt auch von gewissen Zuschauer*innen übersehen oder gar nicht entsprechend wertgeschätzt werden, die lieber einen geradlinigen Werwolf-Heuler sehen möchten. Dafür drückt es Jim Cummings ihnen nicht vehement aufs Auge, was erneut für diese extrem sympathische und realistische Selbstwahrnehmung des Films spricht. Das ist kein großes Drama, genauso wie kein herausragender Horrorthriller. Er ist eine angenehme, ziemlich solide Mischung verschiedener Elemente, bei der die Zeit wie im Flug vergeht. Eine schöne, recht runde Sache. Und der letzte Vorhang für (New) Hollywood-Ikone Robert Forster, dem der Film auch gewidmet ist. Dass seine Figur fast in jeder Szene gestützt werden muss und selbst dem Tod näher ist als dem Leben, kam der Realität wohl recht nahe und wirkt bei der Betrachtung umso wehmütiger.