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Der kanadische Horrorfilm von 2000 ist zugleich eine Satire über den Horror des Erwachsenwerdens. Die beiden Gruftie-Schwestern Brigitte und Ginger zeigen trotz Teenageralter noch keine Pubertätsanzeichen und sind in der Schule Außenseiter. Eines Nachts wird Ginger von einem Werwolf gebissen und verwandelt sich in ein sexhungriges Monster.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Der Werwolf-Film führt schon ein eigenwilliges Dasein. Nicht totzukriegen, aber nie wirklich omnipräsent. Entgegen der oft und unzählige Male variierten Vampir-Thematik schlummert er immer im Hintergrund und wird nur phasenweise wieder zum Leben erweckt, was ihn allerdings auch irgendwie ordentlich konserviert und (fast) jedes Mal frisch und aufregend erscheinen lässt. Ein ganz besonderes Exemplar ist Ginger Snaps – Das Biest in dir, mit dem Anfang des neuen Jahrtausends beim besten Willen niemand ernsthaft gerechnet hatte. Ein kanadisches B-Movie des nur rudimentär erfahrenen Regisseurs John Fawcett (der danach im Spielfilm-Bereich auch nur noch den kläglichen Gruselheuler The Dark von 2005 zu Stande brachte), der das Skript gemeinsam mit Karen Walton verfasste. Diese weibliche Perspektive ist eine Besonderheit des Films. Viel mehr jedoch, wie er versteht mit ihr umzugehen. Und damit die handelsüblichen Mechanismen des Sub-Genres sogar weitestgehend zur Randerscheinung degradiert.

Brigitte (Emily Perkins, Juno) und ihre ein Jahr ältere Schwester Ginger (Katharine Isabelle, American Mary) sind keine typischen Highschool-Teenager. Die beiden Mädchen verweigern sich standhaft der Norm und flüchten sich in eine depressiv verstimmte Emo-Anti-Attitüde, in deren Zuge sie sogar drastische Suizid- und Todesszenarien nachstellen und fotographisch festhalten. Das macht sie naturgemäß zu Außenseitern an ihrer Schule. Eine zum großen Teil selbstgewählte Rolle, die sie „dankbar“ annehmen. Lediglich ihre Verbindung zueinander ist ihnen heilig, alles andere wird abgeblockt. Beinah erscheint es so, als könnten sie damit sogar ihren Biorhythmus in Schach halten. Keine der beiden 15- und 16jährigen Schwestern hat bisher ihre Periode bekommen, dem Erwachsen- und Frauwerden wird sich scheinbar auch organisch strickt verweigert. Bis es bei Ginger eines Tages endlich so weit ist. Noch in der selben Nacht werden sie von einem Tier attackiert, Ginger dabei schwer verletzt. Wie durch ein Wunder heilen die Wunden in kürzester Zeit, doch das Mädchen ist danach nicht mehr dieselbe. Nach und nach legt sie ihr bisheriges Ich ab und „verwandelt“ sich in einen aufreizenden, hormongesteuerten Vamp. Sehr zur Freude der Jungs an der Schule, umso mehr irritierend für Brigitte, die ihre Schwester kaum wiedererkennt. Das alles ist jedoch erst der Anfang für eine ganz andere Metamorphose, an deren Ende die Geschwisterliebe auf eine noch härtere Probe gestellt wird.

„Ich muss in Stücke reißen, was lebt!“

Ginger Snaps – Das Biest in dir verwendet den Werwolf-Mythos als spitzfindige Parabel über klassische Comig-of-Age-Prozesse. Das Einsetzen der Menstruation und des (längst überfälligen) sexuellen Begehrens wird in Verbindung und als Wechselwirkung einer triebhaften, blutrünstigen Verwandlung dechiffriert, sogar als sexuell übertragbarer „Virus“ auf eine andere Bedeutungsebene gehoben. Nicht der Vollmond oder Silberkugeln (auch in Piercing-Form) sind von Relevanz. Der Transformationsprozess ist als doppelbödiges Abkapselungsverfahren zu verstehen. Etwas, wogegen sich schon unter „normalen Bedingungen“ mit allen Regeln der Kunst gewehrt wurde. Jetzt aber gewinnt das animalische die Oberhand. Und darin auch ein Stückweit ein eigentlich gesunder Schritt in die Welt der Erwachsenen, was bisher pedantisch abgewehrt wurde. Nur unter diesen speziellen Voraussetzungen steht da ernsthaft Handlungsbedarf. 

Blutrausch als verzögerte Pubertätsentwicklung im Schnelldurchlauf, Töten als unkontrollierter Orgasmus einer zu langen unterdrückten Begierde. Handelsübliche Schwerpunkte von geschwisterlicher Entfremdung und sozialer wie sexueller Entwicklung werden geschickt in das Gerüst eines spannenden wie kreativen B-Movies eingebettet. Hervorragend besetzt (ausgerechnet die außerhalb der Reihe wenig eingesetzte Emily Perkins ist grandios), mit einem sensiblen Tonfall erzählt und selbst vom Make-Up fabelhaft. Stößt höchstens in den Full-Creature-Effects an gewisse Grenzen, aber selbst das ist so liebevoll handgemacht, in seinem Rahmen völlig okay. Und kriegsentscheidend sind schon vorher ganz andere Aspekte. Da hätten sie da beinah schon mit Handpuppen kommen können.

Fazit

Horror-of-Age. Eine schlaue, selbstbewusste Abhandlung über natürliche Entwicklungen, effektiv eingebettet in einen liebenswerten Genre-Film aus der schönsten „zweiten“ Reihe. Ein wundervolles Kleinod, das im Rahmen seiner Mittel alles richtig macht.

Kritik: Jacko Kunze

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