Die Welten, Geschichten und Figuren die Autor Roald Dahl für Kinder erschuf, sind zeitlos und heben sich wohltuend von Schöpfungen anderer Schreiber ab. Bei Dahl steht zweifellos immer eine mehrwertige Botschaft am Ende, doch moralinsauer sind seine Geschichten eher selten. Dafür hatte er einfach ein zu gutes Händchen, wenn es um Garstigkeit geht. Die wenigstens Filmemacher haben es wirklich hinbekommen diese Charakteristika richtig auf die Leinwand zu bannen.
Einer dem es gelang war Nicolas Roeg, seiner Zeichens Regisseur von Meisterwerken wie Wenn die Gondeln Trauer tragen und Der Mann, der vom Himmel fiel. Seine Verfilmung von Hexen hexen aus dem Jahre 1990 ist ein Monstrum von Film. Zweifelsfrei ein Kinderfilm, aber gewiss nicht für jedes Kind ein Geschenk. Die Grenze zwischen schlaflosen Nächten aus Angst, geschürt vom Film, und schauriger Faszination waren und sind hier fließend. Eine Eigenheit die nur wenige Kinderfilme besitzen. Durchaus verständlich, denn welche Eltern wollen schon, dass ihr Nachwuchs wochenlang Alpträume hat davon, wie sich Anjelica Huston (John Wick: Kapitel 3)als Oberhexe demaskiert und so ihr wahres, abscheuliches Hexen-Ich zum Vorschein bringt?
30 Jahre nach der ersten Verfilmung kommt nun ein Remake in unsere Kinos, während es in den USA direkt auf HBO Max erscheint (Corona macht's leider möglich). An der eigentlichen Geschichte hat sich bei der Neuverfilmung nur sehr wenig geändert: Enkel und Großmutter machen Urlaub in einem Strandhotel, Enkel gerät an eine Versammlung von fiesen Hexen und wird gemeinsam mit einem Freund in Mäuse verwandelt. Zwischen den Freiräumen dieses Abenteuers gibt es noch dramaturgischen Kleister sowie märchenhafte Exposition, was das Ganze solide zusammenhält. Regisseur Robert Zemeckis (Falsches Spiel mit Roger Rabbit) inszeniert dies alles ebenfalls durchaus nett, auch wenn Zuschauer mit CGI-Aversion garantiert bemäkeln werden, dass vor allem die Mäuse sichtbar aus dem Rechner stammen. Stören tut dies nicht.
Es gibt sogar Eigenschaften, die wirklich sehr gelungen sind. Vor allem die Darsteller machen im neuen Hexen hexen große Freude. Octavia Spencer (Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen) als Großmutter ist liebenswert und Stanley Tucci agiert (The Silence) als Hotelchef überaus pointiert. Die große Bühne gehört aber definitiv Anne Hathaway (Glam Girls – Hinreißend verdorben) als Oberhexe. Mit übertriebenem Akzent und ausladendem Gestus dominiert sie die Leinwand. Eine ähnlich eindringliche Bedrohung wie Anjelica Huston im Film von 1990 erreicht sie zwar nie, aber dies unterstreicht relativ deutlich den wesentlich familienfreundlichen Tonus der Neuverfilmung. Allerdings merkt man auch dem Remake noch an, was die Vorlage ausmachte und dass zu den Drehbuchautoren des Films auch Guillermo del Toro (Hellboy II - Die Goldene Armee) gehörte. Denn das Ende des Films ist zwar nicht verstörend oder bitter, schließt aber mit einer durchaus ungewöhnlichen Note ab und damit ist nicht gemeint, dass sich die Macher sehr deutlich einen Spalt offen gelassen haben, für ein mögliches Sequel.
Notwendig ist eine Fortsetzung aus erzählerischer Perspektive nicht. Das Remake war hingegen aus Betrachtung des Zeitgeists durchaus verständlich. Denn der alte Film dürfte nicht nur durch seinen Hang zur Alptraumerschaffung auf Ablehnung bei einem größeren modernen Publikum stoßen, sondern auch wegen seiner famosen haptischen Machart. Die Sehgewohnheiten haben sich verändert, weswegen eine Anne Hathaway im Overacting-Modus sehr wahrscheinlich mehr Leute anspricht, als Anjelica Huston als fratzenhafte Dämonin. Nicht falsch verstehen, das Original ist klar der bessere Film, aber das Remake empfängt jeden (jungen) Zuschauer mit offenen Armen, nicht nur die, die dem projizierten Schrecken trotzen können und wollen.
Für erwachsene Zuschauer fehlt aber dadurch klar die wunderbar garstige DNA der ersten Verfilmung. Das gezeigte Abenteuer evoziert niemals wirklich das Gefühl einer Bedrohung. Dies lässt das Remake letztlich immer eine Spur zu gefällig erscheinen und auch wenn heutzutage viel mit der modernen Technik möglich ist als damals, der Eindruck von Magie stellt sich leider nie so wirklich ein. Vielleicht auch deshalb, weil Zemeckis seinen Film zwar märchenhaft beginnen lässt, nach und nach daraus aber lieber eine Achterbahnfahrt macht, deren Loopings und Steilkurven für kurze Kicks sorgen, die aber schon wieder vergessen sind, wenn man sich an der nächsten Attraktion anstellt und der Blick herüber schweift zur alten Geisterbahn.